![]() |
Europa wappnet sich gegen den Angriff aus dem Osten. Preppern soll jetzt Volkssport werden. |
Das dritte Kriegsjahr war gerade rum, da kam die Anweisung aus Brüssel. Alle Mitgliedsstaaten erhielten den Befehl, frühere Strategien über Bord zu werfen. Das Preppern, Vorbereiten, die Angst vor großen Konflikten mit Nahrungsmangel und Ausfällen der Wasserversorgung, sollten ab sofort nicht mehr als freiheitsfeindliche Angriffe auf die Solidargemeinschaft gewertet werden. Sonden als weitsichtiger Beitrag zur Resilienzsicherung im falle eine russischen Großangriffs.
Futter für den Krisenfall
Ehrensache für jeden guten Eruopäer, ein 72-Stunden-Notfallpaket für den Krisenfall zusammenstellen. Das nach den französischen Vorbild "Survival-Kit" genannte Krisenpaket enthält Lebensmittel, Wasser, Medikamente, ein tragbares Radio, eine Taschenlampe, Ersatzbatterien, Ladegeräte, Bargeld und Kopien wichtiger Dokumente einschließlich ärztlicher Verschreibungen, Ersatzschlüssel, warme Kleidung und Werkzeuge wie Taschenmesser unter Beachtung der durch das Waffenrecht vorgeschriebenen Höchstklingenlänge von vier Zentimetern.
Lang genug, um eine Banane zu schälen, heißt es in den Grundlage-Papiere der neuen europäischen "Preparedness Strategy", die den gesamten Kontinent zum Preparedness-Union machen soll, wie es Kommissionspräsodentenin Ursula von der Leyen nennt. Doch Preparedness, was heißt das eigentlich? Abgesehen von den 5,5 Millionen Iren und Maltesern spricht die Mehrheit der 440 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger kaum genug Englisch, um die Feinheiten des vom Amt für Einheitliche Ansagen in Brüssel erarbeiteten Begriffes zu verstehen.
Speziell für den Krieg
"Preparedness" (prɪˈpɛːrɪdnɪs,prɪˈpɛːdnɪs) ist abgeleitet von "Preparation", der Vorbereitung, das Wort meint aber etwas anderes. nach der Definition aus dem Oxford English Dictionary meint "Preparedness" einen "state of readiness, especially for war", also eine Bereitschaftszustand, der sich nicht auf kommenden Regen, die anstehende Erntezeit oder angekündigten Verwandtenbesuch bezieht, sondern auf "a high level of military preparedness". Die "Strategie für eine Bereitschaftsunion", die von der EU in gewohnter Weise mit einem englischen Fantasiebegriff überschreibt - diesmal lautet er "ProtectEU" soll nachboffizieller Lesart "die Mitgliedstaaten zu unterstützen und Europas Fähigkeit zur Prävention und Reaktion auf neu auftretende Bedrohungen zu stärken".
Um die Dringlichkeit einerf solchen Strategie zu betonen, bedient sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen der Argumentation von Schwarzmalern und Weltuntergangspropheten: Die EU befinde sich in einem "veränderten Sicherheitsumfeld und einer sich wandelnden geopolitischen Landschaft, in der hybride Bedrohungen durch feindliche ausländische Staaten und staatlich geförderte Akteure zunehmen, mächtige Netze der organisierten Kriminalität sich ausbreiten und Kriminelle und Terroristen zunehmend online operieren", heißt es nach einer ausgiebigen Lageanalyse. Daher habe "Europa seinen Ansatz für die innere Sicherheit überdenken" müssen.
Hilfe für Hamsterer
"ProtectEU" ist kein Aufrüstungsprogramm. Es zielt nicht darauf ab, Lieferketten vor denn gefürchteten Hamsterern zu beschützen oder den Bau privater Bunker in Kleingärten finanziell zu fördern. Es geht der Kommission, die aus den euriopöischen Verträgen heraus keine unmittelbare Zuständigkeit für Sicherheitsfragen in der EU hat, wie immer darum, die eigenen Kompetenzbereiche auszuweiten. In der Corona-Pandemie versuchte Ursula von der Leyen das mit dem Unternehmen "Hera", das aus der EU eine "Gesundheitsunion" machen sollte.
Nach dem Ende der Seuche leitete sie mit dem "Wiederaufbauplan" namens "NextGenerationEU" und dem Klimafahrplan "Green Deal" zwei Großunternehmen ein, die der EU endlich die ersehnten eigenen Steuereinnahmen brachten. "Preparedness", nicht vom eigentlich im weitesten Sinne themenverantwortlichen Kommissar Magnus Brunner, sondern von der belgischen Journalistin und Dokumentarfilmerin Hadja Lahbib vorgestellt, die nach Jahren als Nachrichten- und Pressesprecherin seit Dezember vergangenen Jahres für "Resilienz, humanitäre Hilfe und Krisenmanagement sowie Gleichstellung" in der EU sorgt. Erstes erklärtes Anliegen: Einen "Kulturwandel im Bereich der inneren Sicherheit fördern", der Krieg und Krise zu einer allgegenwärtigen Bedrohung macht.
Niemand hat mehr Strategien
Bedrohungen sollen nicht mehr als weit weg und theroretisch begriffen werden, sondern Alltag sein - vom regelmäßigen Geheul der Sirenen über das Anlegen von Notvorräten bis hin zum freiwilligen Waffentraining. Im "neuen europäischen Governance-Rahmen für die innere Sicherheit" ist Re-Militarisierung und geistige Aufrüstung Teil der Strategie, um die Mitgliedsstaaten bei der Umrüstung auf Vorkriegswirtschaft zu helfen.
Es wimmelt in Europa geradezu vor neuen Strategien, so dass die "Europäische Strategie der inneren Sicherheit" jetzt die "Strategie der Union für die Abwehrbereitschaft und das Europäische Verteidigungsweißbuch" ergänzen kann. Demnächst kommt noch der "bevorstehende Europäischen Schutzschild für die Demokratie" hinzu. Und alles zusammen bildet dann "einen umfassenden Rahmen für eine sichere und widerstandsfähige EU" (Ursula von der Leyen).
Ein Wall aus Strategiepapieren
Papierberge, die kein Russe überwinden kann. Vorausgesetzt, die Brügerinnen und Bürger haben auftragsgemäß Lebensmittel, Wasser und Hygieneartikel für drei Tage eingelagert. Mittlerweile haben die Mitgliedsstaaten - zumindest der deutsche - mit der Weitergabe der neuen Richtlinien aus Brüssel begonnen. Das Bundesinnenministerium rät Bürgern zur Vorbereitung auf den Ernstfall, denn ein "Angriff Russlands auf Nato-Gebiet gilt als realistisches Szenario". Neben ausreichend Notvorräten, um die offiziell veranschlagten 72 Stunden zu überbrücken, die es dauern wird, bis die Bundeswehr und die Nato-Verbündeten den Aggressor hinter die Oder zurückgeworfen haben, sollen "auch Schüler auf das Schlimmste vorbereitet werden".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will wegen der Lage in "jüngerer Zeit" einen "stärkeren Fokus auf den Zivilschutz setzen, auch schon in der Schulbildung“, sagte ein Ministeriumssprecher dem Handelsblatt. Geplant sind Trainingstunden, in denen Scheuerlappenmasken gebastelt werden, Übungen stattfinden, wie man sich am besten mit einem Schulranzen vor den Folgen einer Kernwaffenexplosion in der Nähe schützt, und in lockerer Atmosphäre eine Grundausbildung zum Verhalten in Katastrophenlagen stattfindet. Nicht nur mit Blick auf den geplanten Freiheitsdienst mit und ohne Waffe, sondern gerade angesichts der Schwierigkeiten, auf die der Asubau der Bundeswehr zum Massenheer trifft, wäre das "klug und vorausschauend“, wie der CDU-Bundestagabgeordnete Roderich Kiesewetter die sozialdemokratische Bundesinnenministerin bestärkt hat.
Noch vier Jahre Zeit
Formal sind die Bundesländer für Lehrpläne zuständig. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) aber, gegen dessen Vorsorgeempfehlungen über Jahre hinweg offen gehetzt worden waren, liefert auf Anforderung kostenlos „Erste-Hilfe-Kurse mit Selbstschutzinhalten“, so dass heute zwölf- bis 17-Jährige auf alles vorbereitet sind, wenn Russland wie geplant in "vier bis sieben Jahren" Nato-Territorium angreift. Dass es so kommen wird, gilt längst als realistisches Szenario. Sowohl der Bundesnachrichtendienst (BND) als auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, gehen davon aus, dass Kreml-Herrscher Wladimir Putin der EU und der Nato gerade noch die Zeit einräumt, die sie braucht, um sich für den Ernstfall zu wappnen.
Während die Nato Deutschland aufrüstet wie nie, liefern die Brüsseler Behörden einen unendlichen Strom an Maßnahmen, die zur "Abwehrbereitschaft und Resilienz" führen werden.
Die EU-Empfehlung, dass jeder Haushalt für drei Tage Vorräte haben sollte, ist nur ein kleiner Schritt zur Kriegstüchtigkeit. Mit einem solchen Vorrat könnten "vorübergehende Krisensituationen gut bewältigt werden“, hat die Kommission errechnen lassen. Es gelte, sich irgendwo mit "Brettern, Sand und Steinen" einen sicheren Unterstand zu bauen. Eingelagert werden muss dann als Grundvorrat für jede Person, die Zuflucht finden soll, eine Menge von 20 Litern an Getränken, 3,5 Kilogramm Brot, Reis oder Müsli, vier Kilo Gemüse, 2,5 Kilo Obst und Nüsse, 2,6 Kilo Milch und Milchprodukte, Fisch,
Fleisch und Eier (1,5 Kilogramm) sowie nach Belieben Zucker, Honig,
Marmelade oder Fertiggerichte.
Gekühlt muss nicht werden
Sorgen um unzureichende Kühlung muss sich niemand machen. Nato-Strategen und EU-Planer gehen von einem nur kurzen Kräftemessen aus, ehe der Aggressor begreifen wird, dass er chancenlos ist. Nach etwa 72 Stunden fahren dann die ersten Brotlaster der Bundeswehr durch die Städte, wasser und Strom werden wieder angeschaltete und die Supermärkte öffnen.
Unbedingt einlesen sollten sich künftige Prepper aber zudem in den "Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen" des Katastrophen-Bundesamts BBK. Darin schildert die Behörde, wie sich ganze Familien sogar auf einen "Großkrieg" (Ursula von der Leyen) mit einer Dauer von zehn Tagen wappnen lassen. Neben der Aufgelistung von Vorräten mit Angaben der Menge pro Person zeigt die Handreichung auch, wie viele Gold- und Silbermünzen mit in den Schutzraum genommen werden sollten, welche Mengen an Schnaps und Zigaretten als Tauschmittel nötig sind und wie sich Kleingetier wie Waschbären, wilde Enten und Ratten in den Ruinen der Städte mit Pfeil und Bogen jagen lässt, wenn Lebensmittel nur noch schwer zu bekommen sind.
Vorbereitet mit Notfalltasche
Mit einem "Nationalen Vorbereitungstag", den einzuführen Hadja Lahbib den Mitgliedstaaten vorgeschlagen hat, soll der Ernstfall künftig einmal im Jahr feierlich geübt werden. Sirenen heulen, Brotlaster patrouillieren, Bürgerinnen und Bürger können ihr Notfalltasche mit Ausweispapieren, Streichhölzern, Heftpflaster und Mullbinden ausprobieren. Das Fernsehen würde berichten und damit die wichtige Botschaft nach Moskau senden: Europa ist auf das Undenkbare vorbereitet.
1 Kommentar:
Hadja Lahbib (* 21. Juni 1970 in Boussu)
Wass will die Alte? Wenn ich das nicht von einer hyperaktiven Influencerin im knappen Top vorgeschnattert und vorgefuchtelt kriege, verstehe ich es nicht.
Kommentar veröffentlichen