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Der privat veranlasste Transport von Euro-Münzen und -Scheinen verbraucht fast zehnmal so viel Energie wie das gesamte Bitcoin-Netzwerk. |
Sie sind überall, in Hosen- und Brieftaschen, in Ladenkassen, Sparbüchsen, Tresoren und Bankcontainern, das Blut der modernen Industriegesellschaften in Europa, gemacht aus papierartiger Baumwolle und verschiedenen Metalllegierungen und verwaltet von einer unabhängigen Zentralbank.
Seit der Euro als Gemeinschaftswährung der meisten EU-Mitgliedsstaaten zur Welt kam, wurden den Nutzern 29,8 Milliarden Euro-Banknoten zur Verfügung gestellt, dazu kommen bis heute beinahe 150 Milliarden Euro-Münzen. Der Gesamtwert allen Bargeldes, das die EZB jemals hat pressen und drucken lassen, liegt bei etwa 1,5 Billionen Euro (genau sind es 1.575.310.000.000). Das Gesamtgewicht dieses Bargeldschatzes beläuft sich auf rund 627 Millionen Kilogramm.
Verschwiegene Umweltlast
Eine Zahl, mit der die EZB eher nicht hausieren geht, schon gar nicht, wenn sie daran geht, die Umweltauswirkungen der von ihr emittierten Banknoten zu untersuchen. Ziel der Studie mit dem Namen Product Environmental Footprint study of euro banknotes as a payment instrument sollte es schließlich nicht sein, die Umwelt- und Klimaauswirkungen der Bargeldwirtschaft abzubilden. Sondern zu zeigen, dass das klassische Bargeld-System verglichen mit dem zentralbankenunabhängigen Blockchain-Geld Bitcoin kaum Folgen hat.
Um zu diesem Ergebnis zu kommen, bedienten sich die Forscher der EZB derselben Methode wie die für ihren souveränen Umgang mit Daten und Fakten gerühmte Meisterwerkstatt für mediale Manipulation (MMM), die das ZDF in einem schlichten Bürogebäude in Mainz unterhält, um Realitäten abzuwehren und Wirklichkeit auszublenden.
Auf 29 Seiten untersuchen die nicht näher genannten Verfasser nach diesem bewährten Schema zum Beispiel den Energieverbrauch von Geldautomaten und die Belastungen durch den Transportverkehr für Banknoten und Münzen, sie beschreiben die Umweltlasten durch die Bearbeitung der Milliardensummen bei den nationalen Zentralbanken, durchleuchten die Papierherstellung, den Banknotendruck, die Farben und sogar den Aufwand, der bei den Echtheitsüberprüfungen in Geschäften entsteht.
Selbstausgedachte Prüfmethode
Alles gut. Nach der als "Product Environmental Footprint" (PEF) bezeichneten Prüfmethode der Europäischen Kommission zur Berechnung des Umweltfußabdrucks schneidet Bargeld prima ab. Nach Betrachtung des vollständigen Geldkreislaufes "von der Beschaffung der Rohstoffe über die Herstellung, die Verteilung und Inverkehrgabe bis hin zur Entsorgung von Banknoten" sei der "entstehende Footprint weit geringer als oft angenommen wird": Die größte Belastung des Weltklimas entstehe durch den Stromverbrauch der Geldautomaten (37 %), danach folge der Transport der Geldscheine (35 %), die übrigen Verarbeitungsvorgänge bei der Verteilung (10 %), schließlich die Papierherstellung (9 %) und am Ende die Echtheitsprüfung bei der Verwendung von Banknoten an der Ladenkasse (5 %).
Alles in allem machen die durch Euro-Banknotenzahlungen verursachten Umweltauswirkungen pro Person nur 0,01 Prozent der gesamten Umweltauswirkungen der Konsumaktivitäten eines Menschen in Europa aus - sie entsprechen umgerechnet nur einer acht Kilometer langen Autofahrt. Allein die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts, argumentiert die Studie, wirke sich auf Umwelt und Klima aus wie Autofahrt von 55 Kilometern, das in Flaschen abgepackte Trinkwasser, das ein Mensch in Europa jährlich konsumiere, sei sogar umweltschädlich wie 272 Kilometer Autofahrt.
Grauenhafte Zahlen
Zahlen, die ihre Überzeugungskraft ihrem klug geschnittenen Design verdanken. Einerseits hat sich die EZB entschieden, es bei der Betrachtung der Geldscheine zu belassen, den ökologischen Fußabdruck des sehr viel gewichtigeren Teils der bis heute 150 Milliarden kursierenden Euro-Münzen aber außen vorzulassen.
Andererseits bleibt der enorme Energieverbrauch, den der privat veranlasste tägliche Transport von fast 630.000 Tonnen Material verursacht, vollkommen außen vor: Nur weil die Last in Millionen und Abermillionen winzigen Portionen herumgeschleppt wird, kostet das Natur, Umwelt und Weltklima nicht weniger Energie als die rund 50.000 Zwölftonner benötigen würden, müsste das Bargeld der Europäer in größeren Chargen bewegt werden.
Die EZB weiß genau, warum sie diesen Punkt nicht untersucht. Die durchschnittliche Distanz, über die etwa ein Deutscher sein Bargeld täglich befördert, liegt bei 39 Kilometern, allein bei 80 Millionen Deutschen macht das eine Gesamtstrecke von drei Milliarden Kilometern, über die Bargeldbeträge tagtäglich transportiert werden. Um die Dimension zu verdeutlichen: Jeder dieser 50.000 Zwölftonnen-Trucks, die benötigt würden, die Gesamtmenge aufzuladen, müsste täglich 62.400 Kilometer zurücklegen, um dieselbe Transportleistung zu erbringen.
Jeder einzelne Lkw würde dazu bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 20 Litern auf 100 Kilometer etwa 13.000 Liter Diesel benötigen - alles in allem wären das 655 Millionen Liter Sprit täglich. Dabei verbraucht Deutschland derzeit nur etwa 121 Millionen Liter Diesel am Tag.
Klimakiller Bargeld
Bargeld ist offenbar ein Klimakiller, der nur aufgrund der wohlwollenden Betrachtung der EZB davonkommt, ohne dass die massiven CO2-Emissionen, die das beständige Herumtragen von Milliarden Scheinen und Münzen öffentlich bekannt werden. Selbst vorausgesetzt, dass die Hälfte aller Bargeldbestände dauerhaft unter Kopfkissen und in Kleiderschränken liegen, liegt der Energieverbrauch des Euro-Bargeldsystems deutlich über dem, den das vielgeschmähte Bitcoin-Netzwerk verursacht.
Das benötigt 137,68 TWh pro Jahr. Das Euro-Bargeldsystem dagegen braucht allein für die privat veranlassten und betriebenen Transportleistungen von Scheinen und Münzen weit über 1.000 TWh im Jahr - fast zwanzigmal so viel wie Tschechien (69,8 TWh) und zehnmal so viel wie Niederlande (117,6 TWh) an Strom verbrauchen.
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