Montag, 7. April 2025

Mediale Demenz: Akute Aufregungswelle

Fast auf den Tag genau hat diese junge Klimakleberin den Termin des Weltuntergangs schon am 28. März 2022 vorhergesagt. 1100 Tage nach ihrer Warnung läutete allerdings Donald Trump mit seiner Zoll-Orgie das Ende ein, nicht die Klimahitze.

Was ist da auf einmal los? Alles wie mit einem Zaubertusch fortgewischt, was in den letzten drei Monaten die Debatte bestimmte. Weg sind die Schicksalsfragen, an denen sich alles entscheiden würde. Corona. Die Impfpflicht. Die schweren Waffen. Taurus. Die Sanktionen. Der Wiederaufbau nach der Pandemie. Die Erderhitzung und schließlich die Brandmauer, hinter der sich die demokratischen Mitte versteckte, um unsere Demokratie gegen den rechten Rand zu verteidigen.  

All das war wichtig, jedes zu seiner Zeit. Doch aktuelle Google-Daten zeigen, dass alle diese Aufregungswellen spurlos über Deutschland spülten. Nichts ist geblieben, nicht einmal ein kleiner Rest.

Nie länger als sechs Tage

Natürlich hatte seit Menschengedenken schon niemand mehr die Absicht, ein bestimmtes Thema länger als fünf, sechs Tage oder allerhöchstens zwei Wochen auswalzen und auszuweiden. Nach dem ersten Grundgesetz der Mediendynamik passt die Welt in keinen Schuhkarton, unweigerlich aber in 15 Minuten "Tagesschau". 

Das zweite hingegen besagt, dass Großereignisse nie gleichzeitig stattfinden, sondern immer fein säuberlich hintereinander, als plane eine große göttliche Regie den Ablauf von Kriegen, Krisen, Flugzeugabstürzen, Prominentenhochzeiten und Sportevents. Eine klassische Aufregungsaufwallung endet erst, wenn eine neue parat steht. Auch die größte aber findet ihr natürliches Ende, wenn frische Ware eintrifft, mit feuchtem Blut und warmen Opfern.

Bis dahin muss alles von allen erzählt und mehrfach aus jedem Blickwinkel ausgeleuchtet worden sein - und das ist es in der Regel auch. Wenn keinem mehr eine Ergänzung einfällt, kommt rein zufällig ein neues Großthema daher. 

Trumps Sauereienzucht

Mal ist es ein Schnupfen, mal ist es das feindliche Verhalten eines Partnerstaates, mal bricht ein Krieg aus, mal eine Regierung zusammen. Manchmal reicht es, dass sich Deutschland nicht verantworten will für etwas, das so lange zurückliegt, dass die Weltbilderklärer in den "Tagesthemen" weit ausholen müssen. Zuletzt reicht oft auch der Blick nach Amerika, wo der alte neue Präsident Donald Trump eine Sauereienzucht betreibt, die jeden Tag für neuen Grusel gut ist.

Hauptsache, keine Woche vergeht ohne akute Aufregungswelle. It's only entertainment, but I like it, sangen die Rolling Stones vor 50 Jahren, ohne geht es nicht. Die Gesellschaft braucht Elend, Entsetzen und Empörung und sie ist nicht wählerisch bei der Auswahl, was sie gerade auf die Palme bringt. Manchmal reicht es als neuer Anlass, dass ein paar Schnösel auf Sylt singen. Manchmal ist es ein Hauskredit des Bundespräsidenten, eine live abgängige Fernsehmoderatorin oder ein gefallener Fake-News-Fürst beim Faktenmagazin. In anderen, weniger dürren Zeiten, müssen Landesbanken im Dutzend fallen, Staaten und ganze Kontinente gerettet werden. Oder es kommt gleich Krieg.

Der gefährlichere Feind

Dann wenden sich frühere Verbündete ab, frühere Partner fahren Panzer auf, die härtesten Sanktionen werden in Stellung gebracht und die Führerinnen und Führer der Republik erklären die beiden Präsidenten unterschiedslos von Rivalen zu Gegnern. Wobei Donald Trump der gefährlichere Feind ist: Er hat zuerst die Demokratie komplett abgeschafft, dann scheiterte er dabei, einen Frieden in der Ukraine ohne Zustimmung Europas herbeizupressen. Und nun erhebt er auch noch Zölle.
 
Das Ende der Welt hatten viele sich anders vorgestellt. Aber dass es nun die Finanzbehörden sind, die den letzten Nagel in den Sarg der westlichen Fortschrittsgesellschaften schlagen, ist ein eigentlich ein erwartbares Finale. Wenigstens hat Trump alle anderen Diskussionen beendet. Keine Spur mehr vom Heizungsgesetz in den Trendlinien, keine Pandemie, keine Brandmauer, kein Tabubruch. Sobald neuer Stoff für ein gerüttelt' Maß an Aufregung sorgt, ist alles vergessen, was gerade noch war. 

So viele schöne Themen

All die vielen schönen Themen, die eben noch das Schicksal der Welt zu bestimmen auserkoren waren, treten durch den Hinterausgang ab. Staatspleiten und Staatsversagen, das D-Day-Papier und der Bündniskanzler, RKI-Leaks, Pistorius auf der Auswechselbank und der sichere Wahlsieg Kamala Harris - im Medienwind verweht wie Saharastaub, jenes Naturphänomen, das erst vor 15 Jahren entdeckt wurde. Seitdem aber alle Löcher füllt, die der Blutmond im Sendeplan übriglässt.

Gerade war die Klimabewegung noch jung, hübsch und mächtig. Keine Talkshow ohne Adidasmädchen, das die welt erklärte. Bis sie auf einen Schlag verschwunden waren, die Mädchen und die "Bewegungen". Gerade noch Bundestagswahlkampf, der Mann mit der Zuversicht gegen den mit den Hakenkreuzaugen gegen den mit der Aktentasche. Die Frage, ob der eine eingeladen werden muss, wenn der andere auch keine besseren Chancen hat, wurde tagelang gewälzt. Im Kurzzeitgedächtnis von Mediennutzern ist die Türkei unbedingt noch präsent. Die Protestdemonstrationen ließen nicht nach. Bis sie fort waren. 

Tore zur Hölle

Dass die deutsche Sozialdemokratie Friedrich Merz neulich noch dabei erwischt hatte, wie er die "Tore zur Hölle" aufriss, ist kaum mehr vorstellbar, seit die Besten von SPD und Union die Köpfe zusammenstecken, um eines Tages zu "liefern" (Saskia Esken). Was, weiß noch niemand. An wen, darüber verhandelt der mehrhundertköpfige Kreis aus Christ- und Sozialdemokraten und Christsozialen auch noch.

Es wird auch dank medialer Demenz eine gesichtswarende Koalition herauskommen, die alle Chancen hat, vielleicht länger zu halten als die letzte, wenn ihr nicht auch das Geld zu früh ausgeht. Passiert es doch, müssen die Grünen beim nächsten Mal auch noch mitmachen. Die Bereitschaft ist da, das wurde klar als sich die Parteispitze bereiterklärte, gegen Zahlung von 100 Milliarden Klimageld über die Hakenkreuze in Merzens Pupillen hinwegzusehen. 

Hieß er Obama bin Laden

Dass Friedrich Merz an der Brandmauer gerüttelt hat, im Grundgesetz festgeschrieben in einem der wenigen Artikel mit Ewigkeitsgarantie, ist vergessen, wie es die Ausgangssperren sind, das Bobby Car, der Vogelschiss, Pegida, Obamas bizarrer Vorwurf, Angela Merkel habe die Grenze geöffnet, oder der Tag, an dem Geert Wilders sein islamfeindliches Machwerk "Fitna" veröffentlichte. Auf den die muslimische Welt später mit Protesten in Kopenhagen, Paris und vielen, vielen anderen Städten reagierte. IS? Was war das? Hieß er wirklich Obama bin Laden? Bis wann genau war Deutschland das reichste Land der Welt?

Friedrich Merz und Lars Klingbeil stehen für tabula rasa, einen Neuanfang unter alten Vorzeichen. Seine Wahlversprechen, so ehrlich ist Merz, hat er selbst kassiert. Sein Tabubruch im Bundestag hat ihm leid getan. Über genommen hat es ihm aber nicht einmal das alte Hohe Haus. Die Finanzierung steht, sie sucht derzeit nur noch eine passende Regierung. 

Verfügbares Aufregungspotenzial

Nur ältere Leute ohne Snapchat, Tiktok und Netflix erinnern sich noch an Zeiten, als das bisschen verfügbares Aufregungspotenzial sparsam bewirtschaftet werden musste. Über Wochen lieferten Landesbank Stoff, die sich verspekuliert hatten. Ein auf persönliches Geheiß der Kanzlerin ausgewechselter Ministerpräsident in Thüringen warf die Frage nach dem Funktionieren der Demokratie auf. Heute iss mediale Demenz die Grundlage für personelle Kontinuität und Erneuerung zugleich. 
 
Stand im vergangenen Jahr noch die Frage unbeantwortet im Raum, ob Nancy Faeser und Olaf Scholz noch einmal damit davonkommen würden, Verbalgeschütze in Stellung gebracht zu haben, um die akute Aufregung über Messergewalt und Autoanschläge niederzukartätschen, ist die Antwort inzwischen eingetroffen. Ja, Faeser, die sich um politische Prinzipien dreht wie eine Gebetsmühle im tibetischen Gebirgswind, hat sich im Vertrauen auf die Vergesslichkeit des Volkes selbst zur Erfinderin von Grenzkontrollen und Zurückweisungen ausgerufen. Ihr sei es zu verdanken, dass die Zustromzahlen zurückgingen, hat sie als jüngst verkündet, den Bundeskanzler, der es auch gewesen sein will, direkt düpierend. 

Krude Thesen über Migration

Aber nichts hat natürlich mit nichts zu tun und wo es keinen Zusammenhang gibt, ist der Erfolg nur umso höher einzuschätzen. Unvorstellbar heute, dass der Bundesbanker Thilo Sarrazin vor 15 Jahren mit "kruden Thesen über Migration" (Der Spiegel) über Wochen alleiniges Gesprächsthema war. Bis zur Coronapandemie kam nie wieder ein anderes Thema an diesen Bedeutungspeak heran, nicht Heizungsgesetz, nicht Gasmangellage und Wirtschaftsrezession, nicht der Geheimplan für Deutschland, nicht Fridays for future, nicht Thomas de Maizieres "Blutbad im Reichstag" und nicht der Reichstagssturm, nicht einmal der Ukrainekrieg.
 
Dann kam Trump und warf seine Zollbombe auf die westlichen Verbündeten. Erstaunlich: Schon am 28. März 2022 hat eine junge Klimakleberin (Foto oben) den Termin des Weltuntergangs fast auf den Tag genau vorhergesagt. 1.100 Tage nach ihrer Warnung war es so weit.


4 Kommentare:

Le Penseur hat gesagt…

"... dank medialer Demenz eine gesichtswa h rende Koalition ...", wenn ich untertänigst bitten darf. Ansonsten: großartiger Artikel (wie eigentlich immer bei PPQ)!

Anonym hat gesagt…

Was soll's. Ozeanien war SCHON IMMER mit Eurasien verbündet.

Anonym hat gesagt…

Nebenbei, wem "1984" noch nicht gruselig genug ist, dem sei "Oxygenien" von Klára Fehér nahegelegt.

Die Anmerkung hat gesagt…

"Somit ist der dystopische Roman als Appell gedacht an uns alle, doch mit unseren vorhandenen Ressourcen viel achtsamer umzugehen und der „Überflussgesellschaft“ langsam Einhalt zu gebieten."