Mittwoch, 9. April 2025

Freiheit: Meinungsfrei und Spaß dabei

Sie steht für Meinungsfreiheit: Nancy Faser hat dieses Schild nie gezeigt, aber Laien können die geschickte Manipulation nicht erkennen.

Meinungsfrei und Spaß dabei! Diesem Täter aber ist das Lachen vergangen. Wer deutsche Minister beschimpft oder ihm mit verfälschten Zitaten - auch ohne Anführungsstriche - Worte in den Mund legt, die sie nie gesagt haben, dem drohen drastische Strafen. Seit das Gesetz zum Schutz der Ehre und Würde der Politik in Kraft ist, haben sich Verhöhner, Verleumder und Verwender von falschen Memes geschnitten, wenn sie glauben, sie könnten im Internet straflos äußern, was in einem Gespräch unter Freunden, Kollegen oder in der Bundestagskantine zulässig wäre.  

Verfälschte Bilder

Das musste jetzt auch ein Mann begreifen, der sich bewusst als "Journalist" ausgab, um ein gefälschtes Bild der Bundesinnenministerin zu verbreiten. Nancy Faeser, eine bekennende Freundin und Förderin der Meinungsfreiheit, hält darauf ein Schild, auf dem "Meinungsfreiheit!" steht. Der Chef des "Deutschland-Kurier", ein vermeintliches Nachrichtenportal, das dem rechten Rand nahesteht, postete das für Laien kaum als Fotomontage erkennbare Bild mit der deutlich erkennbaren Ministerin. Das Amtsgericht Bamberg verurteilte ihn dafür zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. 

Ein klares Stoppschild für alle, die meinen, verantwortlich handelnde Politiker*innen verächtlich machen und ihre Amtsführung delegitimieren zu können.  Nach Überzeugung des Gerichts hatte der Verurteilte die Bildmontage bewusst erstellt und verbreitet – und damit eine "unwahre Tatsachenbehauptung" über eine "Person des politischen Lebens" verbreitet.

Majestät statt Meinung

Als solche fällt Nancy Faeser unter den besonderen Schutz des Majestätsbeleidigungsparagraphen, den der Bundestag 2017 eigentlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen hatte. Erst die sich zuspitzende innenpolitische Lage sorgte dafür, dass Paragraf 103 StGB 2021 als Paragraf § 188 zurückkehrte - die vier gesetzlosen Jahre dazwischen gelten heute als goldenes Zeitalter für Hetzer, Hasser und Aufwiegler.

Bis zum endgültigen Beweis der Taturheberschaft musste die Wahrheitsfindung vor dem Bamberger  Gericht nicht gehen, denn um sich mit einer gegen "Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung" strafbar zu machen, muss das inkriminierte Pamphlet, der Witz oder das Meme nicht selbst ausgedacht oder daheim produziert werden.  Nach § 11 Absatz 3 reicht das "Verbreiten eines Inhalts", zumal wenn die Tat geeignet ist, das "öffentliche Wirken" des Würdenträgerns "erheblich zu erschweren".

Erschwertes Würdentragen

Das sah das Gericht in diesem Fall als unbedingt gegeben an, denn Nancy Faeser in einen offensichtlichen Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit zu bringen, fällt eindeutig unter das im vergangenen Jahr erlassene Hohn-Verbot. Seit ihrem nach kurzer Zeit vom Bundesverwaltungsgericht aufgehobenen Verbot des Magazins "Compact" hat sich die hessische Sozialdemokratin immer wieder als strenge Verteidiger von Pressefreiheit und Freiheit der Rede gezeigt. 

Ihr waren sowohl die wegweisenden Änderungen beim Umgang mit Grundgesetz Artikel 5 betreffend die Meinungsfreiheit zu verdanken, die mit der zeitweisen Androhung der Abschaltung des Kurznachrichtendienst Telegram erreicht werden konnten, also auch der spürbare Zuwachs an Demokratie, den Deutschland mit der Erfindung der verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates erzielte.

Trennung vom Weggefährten

Von Erfinder Thomas Haldenwang musste sich Nancy Faeser zwar kurzfristig trennen, weil er sich beruflich verändern wollte. Doch weiterhin besteht kein Zwang zur Meinungsfreiheit, das hat Herrnfried Hegenzecht vom Blogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin immer wieder betont. Bei denen, die sich gern auf ihre eigenen Ansichten und Überzeugungen berufen, lösen strenge und konsequente Urteile wie das gegen den Faeser-Verleumder hingegen genau die gewünschte Angst, Selbstzensur und Zurückhaltung aus, die der Gesetzgeber erhofft hatte. 

Wenn ein Bild, auf dem Robert Habeck als "Schwachkopf" bezeichnet wird, zu einer Hausdurchsuchung führt und die Bezeichnung eines Politikers als "erklärter Antisemit und Holocaust-Relativierer" zu einem Prozess, dann wird sie jeder überlegen, inwieweit ihm ein persönliches Anliegen so wichtig ist, dass er dafür Strafverfolgung, teures Gerichtsverfahren und womöglich den bürgerlichen Tod riskiert.

Einen durchsuchen, Tausende erziehen

Bei einem durchsuchen, Tausende erziehen. Einen anklagen, Millionen zur Warnung. Vor allem in sozialen Netzwerken im Internet sind wüste Beschimpfungen gegen Politiker heute trotzdem immer noch deutlich weiter verbreitet als in den 70er, 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Deshalb verabschiedete das Parlament eigens wieder ein Gesetz, um die Beleidigung von Personen des politischen Lebens leichter bestrafen zu können. 

Fast auf den Tag genau vier Jahre später bestätigt sich, wie nötig es war, die Meinungsvielfalt zu unterdrücken und Menschen zu verfolgen, die sich über Politiker lustig machen. Rituell kann  nun einmal im Jahr der bundesweite "Tag des Hasses" begangen werden, wer sich im Ton vergreift, der hat mit Konsequenzen zu rechnen und Unbelehrbare, die glauben, sie stünden über dem Gesetz, werden von den Behörden schnell eines Besseren belehrt.

Versagen und Knallköpfe

Eine Statistik über Fälle, in denen Politiker wirksam vor Häme, Hass und Kritik geschützt werden konnten, gibt es nicht, doch die Politikergewerkschaft Politikerinnen und Politiker Gewerkschaft PUPG führt in ihrer Jahresbilanz immerhin 8218 Verdachtsfälle, in denen wegen abfälliger Bemerkungen, verfälschter Bildchen oder Aussagen wie "Versager", "Knallkopf" oder "sagenhafte Dumpfbacke" und "Verbrecher" Anzeige erstattet wurde. 

Mit dem neuen Sondergesetz zum Politikerschutz gelten Amtsträger selbst als sogenannte "Staatssymbole", denen keine sogenannten unwahren Tatsachenbehauptungen nachgesagt werden dürfen. Wer einen Politikernden als "Schwachkopf" bezeichnet, muss danach den Beweis darüber antreten, etwa durch Vorlage eines Intelligenztestes. Wer Nancy Faeser nachsagen will, sie stehe hinter der Meinungsfreiheit, muss Belege dafür beibringen. 

Im vorliegenden Fall reichte es dem Gericht, dass die Innenministerin vermeintlich ein Schild mit dem Slogan "Ich hasse die Meinungsfreiheit" hochhält. "Für den unbefangenen Leser sei die Montage nicht erkennbar gewesen, so das Gericht, das damit wohl deutlich machen will: Nach Lage der Dinge und aller vernünftigen Erfahrung ist die wahrscheinlich nicht so gering, dass Nancy Faeser wirklich ein solches Schild hält, um ihre Meinung zur Meinungsfreiheit plakativ öffentlich zu machen.

Nicht wie in Russland

In Russland würden solchen Menschen Strafen in der vielfachen Höhe einer Monatsrente drohen. In Deutschland und anderen westlichen Demokratien aber sind abfällige Bemerkungen über Politiker durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Rentner, die Politiker beleidigen, können hier zu Volkshelden werden, aus dem Beleidigtwerden kann ein frisches junges Startup entstehen, ein ganze Industrie wächst unablässig entlang der Leitplanken der Meinungsautobahn.

Verfolgt werden nach Analyse der PUPG vor allem Äußerungen der Bürger im Internet, oft aufgespürt von ehrenamtlichen und amtlich bestallten bezahlten Trusted Flaggern. Damit bleibt die Machtkritik als  wesentlicher Aspekt des Schutzes der Meinungsfreiheit gewährleistet und niemand muss aus Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen davor zurückschrecken, Politikerinnen und Politiker für die Art und Weise ihrer Machtausübung in aller Sachlichkeit, mit Fakten und Argumenten untermauert, auf Fehler hinzuweisen. 

Unter den Strängen

Der Richterspruch aus Bamberg hat nichts zu tun mit einem "Urteil wie aus einer Diktatur", wie hier und da gequengelt wird. Sieben Monate Haft auf Bewährung sind ein deutlicher Hinweis, wo die Freiheit endet: Wer ein Bild mit einem Schild postet, dessen Inhalt für echt gehalten werden kann, weil jeder Betrachter dem, der das Schild hält, genau diesen Ausspruch zutraut, der steht bestimmt nicht mehr mit "beiden Beinen auf dem Grundgesetz", wie es die erfahrene Grüne Renate Künast unnachahmlich prägnant ausdrückt.  

Ein sorgsam aufgebautes Netz von Online-Wachen sorgt allerdings dafür, dass Meinungen nicht über die Stränge schlagen: Schimpfen ja, aber gepflegt. Meckern gern, aber nicht als digitales Meinungsverbrechen, dem als "Motiv der Hass für bestimmte Eigenschaften" zugrundeliegt (heise.de). Wer mehr will, deftigere Begriffe, böse Bemerkungen, der "soll das bei sich zu Hause in der Küche tun, aber auf keinen Fall öffentlich", empfiehlt Galina Arapowa, die Direktorin des Zentrums für den Schutz der Massenmedien. Es sei verständlich, dass wachsende Kritik öffentlich unterdrückt werden solle, die Gesellschaft aber biete weiterhin genügend Nischen für alle, die glauben, ihren Hass unbedingt ausleben zu müssen.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Vorteil am "Tatort Internet": Der Kläger kann sich aussuchen, wo er Klage einreicht. Damit ist die erste Instanz schon praktisch gewonnen.

Anonym hat gesagt…

Faeser war das Komplettpaket. Dürfte nicht leicht werden für den nächsten Kanzler, die zu toppen.