![]() |
Als digitale Weltmacht verfügt die EU über Internetgiganten wie Zalando, Delivery Hero und Spotify. |
Warum denn auch nicht? Dass höhere Zölle auf Motorräder, Sojabohnen und Jeans Donald Trump nicht abhalten werden, mit seinen Zollattacken auf Europa fortzufahren, wissen sie in Brüssel schon lange. Die langen Vergeltungslisten, die EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen ihren Apparat hat anlegen lassen, waren vor allem für das Schaufenster gedacht.
Sie sollten der Öffentlichkeit in Europa zeigen, dass die Frau an der Spitze der Gemeinschaft Manns genug ist, sich mit dem Mann in Washington zu messen, der es bisher nicht einmal für nötig gehalten hat, die Vorsitzende der größten Staatengemeinschaft der Weltgeschichte zu einem Antrittsbesuch zu empfangen.
Friedenskontinent im Handelskrieg
Für 440 Millionen EU-Bürger, für eine Bürgerin aber insbesondere, gleicht das ohne einem Affront, wie ihn der einzige jemals mit dem Friedensnobelpreis geehrte Kontinent, auf dem seit nunmehr drei Jahren wieder dauerhaft Krieg herrscht, nicht mehr erlebt hat. Zumindest nicht, seit Chinas Großer Vorsitzender Xi von der Leyen von seinem Haushofmeister empfangen ließ und Recep Erdogan die aktuell mächtigste Frau der Welt am Katzentisch platzierte.
Allein diese Demütigung schrie bereits nach Rache. Ursula von der Leyen aber gilt als besonnene Strippenzieherin, die Vergeltung gern kalt genießt. Stoisch ließ sie die Zurücksetzung an sich abperlen. Sie war es, die Washington, Ankara und Peking anschließend die kalte Schulter zeigte und ganz darauf verzichtete, weiterhin um Besuchstermine zu betteln.
Der größte Binnenmarkt
Europa, zumindest eigenen Berechnungen nach der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt, der zwar kleiner ist als der der USA allein, doch die hat eben keinen "gemeinsamen Binnenmarkt", unterwarf sich zwar demonstrativ den maskulinistischen Forderungen der US-Administration. Zugleich verzichtete sie auch auf eine Wiederholung ihrer Vorladungen an den Trump-Freund Elon Musk, der sic h eigentlich bereits vor zwei Jahren hätte in Brüssel für seine kruden Vorstellungen von Meinungsfreiheit hätte rechtfertigen sollen.
Im Hintergrund aber schmiedete die Kommission an einer echten Bombe für den Zollkrieg. Mit einer neuen "Digitalabgabe", die jeder europäische Nutzer der Dienste von Apple, Google, Amazon, X oder Facebook, aber auch von Microsoft-Programmen, Netflix-Abonnenten und Android-Smartphones zahlen müssten, will die Gemeinschaft zweierlei erreichen.
Druck auf den Riesen
Einerseits soll die neue Steuer die USA zwingen, ihre Angriffe gegen die europäischen Handelshemmnisse für US-Produkte abzubrechen. Andererseits sieht die Europäische Kommission nach Trumps "Zollhammer" (Spiegel) eine hervorragende Gelegenheit, dauerhaft am wirtschaftlichen Erfolg der US-Großkonzerne zu partizipieren.
Diese großen US-Konzerne machen bisher "viel Geld in der EU", wie die Wochenschrift "Die Zeit" herausgefunden hat, die auf ihrer Webseite selbst ein halbes Dutzend US-Dienste nutzt. Deshalb gilt die Erklärung des Handelskrieges durch Donald Trump als hervorragende Gelegenheit, mit einer neuen Digitalsteuer einerseits "wuchtig" auf die US-Zölle zu antworten. Und sich so andererseits gut gedeckt dauerhafte Einnahmen durch eine neue Steuer auf Umsätze verschaffen, die große Techkonzerne in Europa generieren.
Bisher zu viel Aufwand
Alle bisherigen Versuche waren aufwendig und langwierig gewesen, ohne das mögliche Potenzial auszuschöpfen. Firmen wie Meta, Google oder Microsoft verkauft in der EU Lizenzen für ihre Software, Abos oder Werbeplätze in ihren Netzwerken und Suchmaschinen. Die Einnahmen aber versteuerten sie nur zu einem geringen Teil im kleinen Irland, das eigens zu diesem Zweck Niedrigsteuern eingeführt hatte. Zum großen Teil aber genau wie deutsche Autokonzerne erst an ihrem Stammsitz. Die von Olaf Scholz weltweit so erfolgreich eingeführte globale Mindeststeuer änderte daran gar nichts. Nicht einmal der EU-Mitgliedsstaat Irland erklärte sich bereit, entsprechend der Vorgaben aus Berlin umzusteuern.
Die EU-Kommission hatte deshalb immer wieder neue und immer strengere Regeln erlassen müssen, anschließend war sie gezwungen, jedem Konzern einzeln Verstöße nachzuweisen. Erst am Ende von Verfahren, die sich teilweise über zehn Jahre hinzogen, standen im besten Fall lukrative Strafzahlungen und begeisterte proeuropäische Schlagzeilen wie "EU verdonnert Apple zu Milliardenzahlung" (Tagesspiegel), "EU verdonnert Apple zu Steuerrückzahlung" (Weser-Kurier) oder "Schäuble begrüßt EU-Entscheid zu Apple".
Alles Geld der Welt
Der Aufwand aber blieb beträchtlich. Obwohl eine Institution wie die EU nicht nur jede Menge Zeit und dank der eigenen Hausbank EZB auch alles Geld der Erde hat, um Niederlagen vor Gericht immer wieder anzufechten, sondern auch Personal, das ohnehin beschäftigt werden muss, sind dauerhaft laufende 1.500 Rechtsstreitigkeiten zwischen Kommission und Internetkonzernen auch ein Kostenfaktor. Beschäftigt sich auch nur ein Anwalt in einer Kanzlei eine einzige Stunde am Tag mit einem der Fälle, summiert sich der Stundensatz für alle Verfahren für die Mandantin auf 100 Millionen Euro im Jahr.
Über die zehn Jahre, die manche Auseinandersetzung andauert, kommt eine runde Milliarde Euro an reinen Anwaltskosten zusammen. Selbst wenn hier und da deutlich mehr eingespielt wird, kostete es in anderen Fällen mehr als es einbringt.
Weg vom Einzelfall
Nachvollziehbar, dass die EU weg will vom Einzelfall, in dem den US-Internetkonzernen mühsam Verstöße gegen die diffizilen europäischen Regeln aus dem Digital Service Act , die Digitale-Dienste-Richtlinie, die Cookie-Verordnung, die europäische Meinungsfreiheitsinterpretation oder den KI Act nachgewiesen werden müssen, ehe es an Versenden von Bußgeldbescheiden geht. Günstiger für die Gemeinschaft, die selbst über kein Digital-Unternehmen, Internet-Konzern oder Software-Riesen von Bedeutung verfügt, wäre eine Regelung, nach der die amerikanische Techindustrie von Apple bis Microsoft pauschal zahlen muss.
Digitale Dienstleistungen zu besteuern, könnte unfassbar viel Geld einbringen. Eine solche neue Steuer hätte überdies den Vorteil, dass sie sich gegen die den Europäern ohnehin verhassten amerikanischen Großkonzerne richten würde. Selbst die kleinen Teile der Bevölkerung, die prinzipiell gegen Steuererhöhungen auftreten, gelten in diesem Fall als kompromissbereit: Trifft sie Reiche, Manager oder multinationale Konzerne, ist zumindest in Deutschland jede Steuer im Handumdrehen durchsetzbar.
Nur zehn Cent
Natürlich würden am Ende die Nutzer zahlen. Aber nur "zehn Cent für jedes Software-Update", so hatte die scheidende grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock das Konzept einprägsam beschrieben. "Das würde viel Geld für Europa bringen, anderen vielleicht nicht so gut gefallen", rechnete sie vor. Die Summe ist tatsächlich beeindruckend: Apple hat etwa 120 Millionen Nutzer in Europa, pro Monat bietet das Unternehmen etwa zehn Updates für seine verschiedenen Produkte an.
Die EU, die seit Jahren beharrlich nach eigenen Geldquellen sucht, dürfte sich auf etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich nur vom Konzern aus Cupertino freuen. Android-Nutzer würden 4,5 Milliarden beisteuern. Microsoft müsste für den Weiterbetrieb der 500 Millionen Windowsrechner in Europa fünf Milliarden im Jahr an Brüssel überweisen. Einnahmen etwa 37,5 Milliarden Euro, wie sie die überwiegend von der EU-Kommission finnazierte Gefälligkeitsgutachtenfabrik Center for European Policy Studies (CEPS) unter der Annahme einer fünfprozentigen Digitalsteuer ermittelt hat, könnten deutlich zu niedrig angesetzt sein. Würden den aufgeblähten EU-Haushalt aber schon zu fast einem Fünftel finanzieren.
Der Baerbock-Plan
Und nach dem Baerbock-Plan wäre deutlich mehr drin. Das großmütige Abschiedsgeschenk der grünen Außenministerin, die ihre Karriere demnächst in den USA fortsetzen wird, überlässt es der EU-Kommission, den Begriff "Update" auf eine ihr angemessen erscheinende Weise zu interpretieren. Damit könnte jedes Update jedes einzelnen Programmes mit einem Vergeltungsaufschlag von zehn Cent belegt werden. Als "Update" könnte sogar jede einzelne Google-Suchanfrage gewertet werden. Schnell kämen auf diese Weise hunderte Milliarden an Euro, ja, sogar Billionen zusammen.
Dass die EU keine Angst mehr vor den Großkonzernen hat, ist längst bewiesen. Im Streit um den Einheitsstecker hat die EU-Kommission ihren weltweiten Anspruch auf Technologieführerschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch beim Streit um die Öffnung von Zahlungssystemen für gefährliche side attacks konnte sich Brüssel gegen die Digitalgiganten durchsetzen.
Zuletzt war es im dynamischsten und fortschrittlichsten Wirtschaftsraum der Welt sogar gelungen, die Einführung von Künstlicher Intelligenz in Europa hinauszuzögern und teilweise ganz zu verhindern - aus Furcht vor den harten Strafen der Kommission verzichteten Meta und Apple darauf, ihre artifiziellen Assistenten in der EU auszurollen.
Es geht auch ohne
Es geht hier auch so. Und wie. Die Gemeinschaft der 27 Mitgliedsstaaten gilt heute als einzige Staatenfamilie weltweit, die weder über eine nennenswerte Digitalindustrie noch über bedeutsame Cloudfarmen, KI-Systeme, Rechenzentren oder Softwareschmieden verfügt. Dafür aber über weitreichende Pläne. Eben erst hat Henna Virkkunen, eine studierte Philosophin, der in der neuen EU-Kommission der Posten der Digitalkommissarin zugelost wurde, Europas "Jetzt-oder-nie-Moment" für die KI-Unabhängigkeit ausgerufen.
Sechs Jahre nach der Ankündigung Europas, die Gängelbänder aus Amerika abzuschütteln und mit der federated data infrastructure eine sovereign cloud stack mit dem schönen Namen Gaia-X aufzubauen, ist dieses gigantische Gemeinschaftsprojekt zwar mausetot. EU-Europa will dafür aber nun in der Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz weniger abhängig von den USA und von China werden. "Die Aufholjagd ist groß", hat die "Tagesschau" zutreffend beschrieben. Es fehlt an Geschwindigkeit, an Energie, an Geld und, nicht aber an einer "ehrgeizigen Strategie".
Gigafabriken für Großdigitalien
Sprudeln erst die Einnahmen aus den Taschen von Millionen Google-, Facebook-, X- und Netflix-Nutzern, so hat Henna Virkkunen errechnen lassen, werden sogenannte "Gigafabriken" gebaut, in denen die EU-Planer aus "Tausenden von Startups" und der "stärkste Forschungsgemeinschaft der Welt" die besten Trainingslager für KI-Systeme schmieden werden.
5 Kommentare:
Mag ja sein, dass das Yandex Headquarter in Europa liegt. Aber Moskau gehört zurzeit nicht zum Friedensnobelpreiseuropa.
Who is an economist?
An economist is an expert who will know tomorrow why the things he predicted yesterday didn't happen today.
https://www.youtube.com/watch?v=RpiIyZamjeU
Man verhängt Zölle, um einheimische Produzenten vor ausländischen Anbietern zu schützen. Wenn man keine einheimische Produzenten hat, ist es bloß eine neue Steuer.
@volker umgekehrt. das hauptquartier ist in moskau, der firmensitz in den niederlanden
Eitel, eitel, es ist alles eitel ... Es wurde deutlich gesagt: Ihr werdet n i c h t s besitzen ... (nicht wenige Trottel
werden damit sogar "glücklich" sein - aber nicht allzu lange ...)
Kommentar veröffentlichen