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Nicht die US-Truppen, sondern Ursula von der Leyen und ihre Kommissare waren es, die den Europäern mit dem DSA die Freiheit gebracht haben. |
Kaum ein anderes Problem beschäftigt die Politik so sehr wie die häufig überschwappende Meinungsfreiheit im Internet. Seit die US-amerikanischen Netzwerke die frühere Rolle der Leitmedien als debattenprägende Orte des Meinungsaustauschs übernommen haben, hadern rechte wie linke Parteien mit einem Übermaß an "Meinungsfreiheit", wie das aus Artikel 5 Grundgesetz abgeleitete Recht, "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten" selbst von seriösen Medienhäusern und Parteivertretern meist irrtümlich genannt wird.
Meinungen sind faktisch nicht nachweisbar
Gemeint ist die dabei eigentlich die Meinungsäußerungsfreiheit, die durch alle Umstände bedingt allein im Bereich möglicher staatlicher Regulierung liegt. Meinungen selbst sind innere Angelegenheiten jedes Individuums. Sie lassen sich faktisch nicht nachweisen und damit auch nicht staatlich kontrollieren.
Im alten Volkslied "Die Gedanken sind frei" findet dieser Umstand höhnischen Ausdruck: Textdichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, von der preußischen Regierung wegen seiner liberalen Ansichten gecancelt, mit Berufsverbot belegt und seiner Pension beraubt, kitzelte die damalige Staatsmacht mit seinen demonstrativen Zeilen "Ich denke was ich will und was mich beglücket, doch alles in der Still und wie es sich schicket". Staat, hieß das, dagegen kannst du gar nichts tun.
Der Gedanke innerer Allmacht
Von Fallersleben entzückte der Gedanke innerer Allmacht. "Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei: Die Gedanken sind frei", glaubte er, weil er sicher war, dass die Äußerung von Meinungen kann Gegenstand staatlicher Regelungen sein kann. Zu seiner Zeit mangelte es weitgehend an Äußerungsmöglichkeiten. Dank umfassender Medienregulierung blieben nur Kneipenrunden für Hetze, Hohn und Zweifel, wie der Dichter mit der Zeile "Ich sitz' nicht alleine bei einem Glas Weine" andeutet.
Das änderte sich grundlegend erst mit dem Aufkommen von Internet und sozialen Netzwerken, die deshalb in den zurückliegenden zehn Jahren zunehmend in den Fokus politischer Aufmerksamkeit rückten. Hier machten sich Widerspruch und Witze über die Mächtigen unkontrolliert breit. Hier maßten sich einfache Bürgerinnen und Bürger an, die Leistungen der Regierenden nach eigenem Gusto zu bewerten. Der Ruf, dass das Internet "kein rechtsfreier Raum" sei, erschallte je lauter, desto geringer die Glaubwürdigkeit von Kanzler, Ministern und Parteichefs ausfiel.
Ansichtenangriffe und Attacken
Eine Institution wie die EU-Kommission, die schon in ihren guten Jahren nicht mehr Vertrauen genoss als ihre selbstausgedachten Umfragen, litt besonders unter Ansichtenangriffen und aggressive Attacken von Meinungsgegnern. Sie war es deshalb aber auch, die mit dem Digital Service Act (DSA) das weltweite erste umfassende Regulierungspaket für eine Einhegung der verwilderten Sitten vorlegte. Die neue Norm für Freiheit macht die 27 Mitgliedsstaaten der Europäische Union als wertes Gebiet weltweit zu einem einheitlichen Meinungsraum.
Das Gesetz über digitale Dienste, wie es auf Deutsch heißt, hat den im Jahr 2000 beschlossenen rechtlichen Rahmen für Online-Plattformen an die Gegebenheiten des Plattformkapitalismus angepasst. Dabei wurden einerseits die Grundsätze eines gewissermaßen freien Internets berücksichtigt. Aber andererseits ist es gelungen, ein europaweites System von Meinungsaufsichtsstellen, freiwilligen Helfern der Gesinnungspolizei und Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Durchsetzung des geltenden Rechts aufzubauen.
Die Sitten der Mitgliedsstaaten
Das ist plural und je nach den Sitten der einzelnen Mitgliedsstaaten vollkommen unabhängig. Die in Deutschland von staatliche finanzierten Freiwilligenorganisationen getragenen Trusted Flagger etwa, nach EU-Definition "zertifizierte Akteure im Kampf gegen illegale Inhalte im Netz", werden im benachbarten Frankreich von ganz anderen Ministerien mit Geld versorgt als in die Faktenchecker in Griechenland.
Erfolgreich aber arbeiten sie alle und aktuelle Zahlen aus der Koordinierungsstelle für digitale Dienste in der Bundesnetzagentur (BNetzA) zeigen, wie dringend nötig gerade Deutschland ein koordiniertes Vorgehen gegen mögliche Verstöße gegen den DSA hatte. Die Jahresbilanz über eingegangene Beschwerden, die BNetzA und Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin vorgelegt haben, hat es in sich: 747 Eingänge von Beschwerden verzeichneten die Behörden allein im Verlauf des Jahres 2024. Nach einer Bereinigung um Irrläufer und Spam blieben 703 konkrete Beschwerden übrig, denen nachgegangen werden musste.
Zwei Beschwerden pro Tag
"Das sind beinahe zwei Beschwerden pro Tag", umreißt BBAA-Chef Herrnfried Hegenzecht die Dimension der möglichen Verstöße gegen den Digital Services Act, die auch aus einer Antwort der Bundesregierung (20/14432) auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion (20/14037) hervorgeht.
Angesichts von rund 67 Millionen Internetnutzern in Deutschland, die teilweise gleich bei mehreren Hassnetzwerken angemeldet sind und häufig nebenher noch weitgehend unregulierte russisch-arabische Messengerdienste nutzen, ist das eine wahre Flut von eingehenden Hinweisen auf mutmaßliche Meinungsfreiheitsverstöße. "Sie zeigt", sagt Hegenzecht, "wie dringend notwendig der rasche Aufbau einer Infrastruktur zur Beobachtung und Prüfung bekannter Treffpunkte von Meinungsäußerern ist".
Der Aufbau kommt gut voran
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes über digitale Dienste kommen die Behörden eigenen Angaben nach gut voran. In der Koordinierungsstelle der Bundesnetzagentur für Verdachtsfälle konnten seit Geltungsbeginn des Durchsetzungsrahmens nach dem DSA 22,5 Planstellen besetzt werden.
Diese sogenannten Meinungsfreiheitsschützer schauen den bisher behördlich als Very Large Online Platforms (VLOPs) und Very Large Online Search Engines (VLOSEs) eingestuften 17 Online-Plattformen und zwei Online-Suchmaschinen ganz genau auf die Finger. Halten die VLOPs und VLOSEs sich an ihre Löschpflichten? Bekämpfen sie abweichende Meinungen oder nutzen sie ihre Algorithmen, um Wahlen illegal zu beeinflussen?
Behörde mit Außenstellen
Vom Hauptsitz in Bonn aus, aber auch aus den regionalen Nebenstellen an den Standorten Berlin und Mainz lenken und leiten die Meinungsbeamten der BNetzA gemeinsam mit den Mitarbeitenden der Meinungsfreiheitsschutzabteilungen und der Hassmeldestelle beim BBAA in Warin die Einleitung und Umsetzung von Prüfermittlungen zur Bestätigung eines Verstoßverdachtes. Haben VLOPs und VLOSEs schnell genug auf vertrauliche Hinweise von Trusted Flaggern reagiert und Hetze, Hohn und Hass beseitigt? Oder lassen sie herabwürdigende Memes, Witze und Falschbegriffe widerrechtliche stehen?
Nach Bewertung der aus zuverlässigen Quellen und später während der fortlaufenden Überwachung verdächtiger Portale erlangten Informationen können die Aufsichtsbeamten zum Schluss kommen, dass der Verdacht eines Verstoßes begründet ist. Dann übernimmt die europäische Verfolgungsstruktur mit ihren weitergehenden rmittlungsbefugnissen: Die verdächtigen Plattformen müssen sich außergerichtlich zu den Vorwürfen erklären.
Ankläger und Gericht
Gelingt es ihnen nicht, ihr Verhalten ausreichend zu begründen, leitet die EU-Kommission ein förmliches Verfahren ein, bei dem sie selbst als Ankläger und Gericht agiert. Dadurch ermöglicht sie es den Beschuldigten, sich vor Erlass einer Entscheidung über die Verhängung von Geldbußen oder einer Entscheidung über die Verhängung von Zwangsgeldern noch einmal zu äußern. Erst danach teilt die Kommission mit, mit welcher Begründung sie diese Einwände verworfen hat und welche Maßnahmen sie angesichts der festgestellten Verstöße zu ergreifen gedenkt.
Für die Gemeinschaft ist das nicht nur eine reine Formsache, die dazu dient, die mangels eigener großer VLOPs und VLOSEs nicht vorhandene digitale Souveränität symbolisch zu verteidigen, sondern auch eine verlässliche Quelle hoher Zusatzeinnahmen. Schon lange vor Inkrafttreten der neuen Regulierungsrichtlinien hatte die EU-Kommission Strafen wegen diverser Verstöße gegen europäische Vorgaben regelmäßig genutzt, um Milliardenstrafen zu verhängen.
Erste Erfolge bei der Verfolgung
Mit dem DSA, so hofft man in Brüssel, lässt sich dieses Geschäftsmodell weiter ausbauen. Erste Erfolge gibt es - gerade hat die Kommission gegen Facebook-Mutter Meta und Apple strenge Strafen ausgesprochen. Perspektivisch lasse sich daraus vielleicht sogar eine regelrechte Online-Steuer machen. Die würden EU-Bürger zahlen, nach einer Idee der scheidenden Bundesaußenministerin Annalena Baerbock aber mit so kleinen Beträgen, dass es dem Einzelnen angesichts der allgemeinen Preissteigerungen kaum auffallen würde.
Die Entwicklung aber steht insgesamt noch am Anfang. Die bisher von der Koordinierungsstelle bei der BNetzA angestoßenen förmlichen Verfahren gegen die Plattformen X (Verfahrenseröffnung am 18. Dezember 2023), TikTok (Verfahrenseröffnung am 19. Februar 2024) und AliExpress (Verfahrenseröffnung am 14. März 2024) sind vielversprechende erste Pflänzchen auf einem Beet, aus dem eines Tages ein sauberes Meinungsbiotop wachsen wird.
Erste zarte Pflänzchen europäischer Selbstbestimmung
Das will gehegt und gepflegt werden, etwa durch die Koordinierungsstelle der EU-Kommission, die im Rahmen einer Abfrage in der Working Group 4 "Online Market Places and Consumer Protection" des Europäischen Gremiums für digitale Dienste Informationen zu den sehr großen Online-Plattformen sammelt und übermittelt. Zugleich unterstützt die Koordinierungsstelle die Digital Services Coordinators (DSC) anderer EU-Mitgliedstaaten bei ihren Ermittlungen zu gemeldeten Verstößen.
Die US-Unternehmen, die sich zuletzt demonstrativ einer Neudefinition des Begriffs fälschlichen Meinungsfreiheit durch den US-Präsidenten Donald Trump unterworfen hatten, haben die Botschaft aus Brüssel unterdessen empfangen. Meta beklagt, die EU-Kommission versuche, erfolgreiche Geschäftsmodelle aus dem Ausland mit "milliardenschweren Zöllen" zu behindern. Auch die US-Regierung sieht sich schwer getroffen. Der Republikaner Andrew Ferguson mumaßt inzwischen, dass der Digital Markets Act (DMA) "eine Form der Besteuerung amerikanischer Unternehmen" sei.
3 Kommentare:
die Meinungsäußerung des Börgers sollte durch eine Euronormkontrolläpp gefiltert werden , diese gibt es bei seppindustries.com ( ISIN DE000008153X3 ) oder im Händystore
Wohin das mit der Meinungsfreiheit führt, kann man an Klaus Schwab sehen, dessen makelloser Ruf durch eine 'Schmutzkampagne' (Schwab) ruiniert werden soll.
Der Deutsche wünscht sich einen Betreuungsstaat ."Made in Germany is ovar" (sic) so der Herr Minister Haarbeck .es werden noch mehr Migranten kommen ; es wird mehr Überwachung geben , es wird die Herrschaft der Schwätzer werden warum ist das so ? warum ? warum sitzen in der Bundespressekonferenz akademisch geschulte Arschkriecher und Nullen ? warum definiert der NPC den Diskurs ?
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