Dieser Auftritt war ein Triumph. Im Handstreich wischten Friedrich Merz und Lars Klingbeil alle Zweifel daran weg, dass Demokraten aus der Mitte heraus daran scheitern könnten, einen gemeinsamen Plan vorzulegen, um alles besser und gerechter zu machen. Schwarz-Rot hat vorgelegt, umfassend und überzeugend.
Ein starkes Signal für Deutschland und ebenso für die Welt. Kaum waren die vier Spitzen der künftigen Koalition von der Bühne gegangen, feierten die Börsen der Welt Wiederauferstehung: Zehn Prozent hoch in Amerika, immerhin noch acht in Deutschland.
Noch nie zuvor hatte eine Bundesregierung, die noch nicht einmal im Amt ist, mit einer derartig starken Spieleröffnung glänzen können.
Die üblichen Verdächtigen
Doch nicht alle teilen die Euphorie. Wie immer meldeten sich unmittelbar nach dem Auftritt der Koalitionsspitzen Merz, Klingbeil, Söder und Esken die üblichen Verdächtigen. Der ausgehandelte Koalitionsvertrag, 146 Seiten, die bis zum Absetzen der ersten Protestnoten noch niemand gelesen haben konnten, traf bei der zukünftigen Opposition auf scharfe Kritik.
Grünen-Chef Felix Banaszak spricht von "Klamauk". Alice Weidel von einer "Kapitulationsurkunde" und die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner nannte das über Wochen so aufwendig erstellte Papier sogar "Dokument der Ignoranz". Die Delegitimierung der Staatsorgane, die noch nicht einmal welche sind, feierte fröhliche Urständ.
Und besser wurde es auch in der zweiten Runde nicht. Jetzt pickten sich die Hinterbänkler ihre Rosinen heraus. Zu wenig Klimaschutz und zu viel Rücksicht auf Reiche. Zu späte Preiserhöhungen für die hart arbeitende Mitte, die sich weigert, auf Wärmepumpe umzusteigen.
Hohn über das neue deutsche Raumfahrtprogramm. Abscheu angesichts der nach dem polnischen Vorbild geplanten Zurückweisungen an den Grenzen, die auf jeden Fall kommen sollen, wenn Polen zustimmt.
Meckern, mäkeln und quertreiben
![]() |
Herrnfreid Hegenzecht fürhrt die BBAA seit 15 Jahren. |
Die Vorwürfe waren durchaus bunt und vielfältig. Die Linke beklagte das Versagen bei den "großen Herausforderungen unserer Zeit" und das mangelnde Vermögen, die Lage "in ihrer Größe"zu begreifen.
Alice Weidel konnte die "Handschrift des Wahlverlierers SPD" herauslesen und einen Geruch von Wahlbetrug wahrnehmen. Grünen-Chefs Felix Banaszak fand den Auftritt der vier Parteivorsitzenden "ziemlich schräg und peinlich" gewesen und war sich sofort sicher, dass die kommende SchuKo "Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh" habe.
Mutlos und enttäuscht
Als sich dann auch noch Christian Dürr, offenbar ehemaliger Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, meldete, um Union und SPD "Mutlosigkeit und Enttäuschung" vorzuwerfen, fehlte nur noch Sahra Wagenknecht. Als sie auftauchte, war sie sicher, dass der Koalitionsvertrag keine Antwort auf Wirtschaftskrise und Handelsstreit gebe.
Am Satz: "So droht ein drittes und viertes Rezessionsjahr unter Schwarz-Rot: die Merzession" hatte die bei der Wahl gescheiterte frühe Linken-Politikerin lange getüftelt und geübt.
Und tatsächlich: Niemand aus den vielen Oppositionsparteien formulierte seine Vorwürfe an CDU, CSU und SPD wörtlich so wie ein anderer der vielen Kritiker. Doch ganz gelang es nicht: Die grüne Vorsitzende aus Bayern kollidierte mit ihrem " Aufschieben, aussitzen und Augen verschließen hörbar mit der Klage der AfD-Vorsitzenden, dieser Koalitionsvertrag sei ein "Weiter-so" der Ära Merkel.
Auch das "Valium für Europa", das die grüne Bundesvorsitzende Franziska Brantner im Ringen um ein medientaugliches Bild bemühte, war nicht weit weg von Weidels "alten Versagern", die sich die Posten im neuen Kabinett aufteilten.
"Große Schicksalsfragen"
Gefährdeter Wohlstand und gefährdete Sicherheit hin, die "großen Schicksalsfragen" wie Energie und Migration und Klima, je nach Blickwinkel, her. Offenkundig kann es so nicht weitergehen.
Die "kleine Koalition" oder auch "KleiKo" die über ihren Machtverlust noch immer spürbar konsternierten Grünen seit Wochen als Namen für Schwarz-Rot zu etablieren versuchen, ist ganz rechts außen angekommen: Der Vorsitzende Tino Chrupalla benutzte die Formulierung ebenso wie Felix Banaszak, um die vor so großen Aufgaben stehende neue Koalition vor aller Augen herabzuwürdigen.
Beim Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin wird die Entwicklung mit großer Sorge gesehen. "Unsere Beobachtungen zeigen eine Auflösung der Brandmauer an einer Stelle, an der wir das nicht erwartet hatten."
Galt bislang unter Extremismusforschern als ausgemacht, dass Friedrich Merz die Union aus der demokratischen Mitte in eine Partnerschaft mit der in Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei führen werde, sehe es nun so aus, als "brächen zuallererst die Dämme zwischen ganz rechts außen und den linken Parteien."
Zusammenwachsende Ränder
Wenn eine Frau wie Alice Weidel von einer "Lügen- und Brandmauer-Koalition" spreche, dann sei das eine Sache. "Niemand erwartet etwas anderes von ihr." Wenn aber bislang durchaus als demokratisch verlässliche Kräfte auf der äußersten linken Seite des Parlaments gleichlautend mit der Rechten behaupte, das Wort "verantwortungslos" passe besser zum schwarz-roten Koalitionsvertrag als "Verantwortung", dann, sagt Behördenchef Herrnfried Hegenzecht, "stehen wir als Meinungsaufsichtsamt vor der Frage, wie wir ein Zusammenwachsen der Ränder verhindern können."
Die Demokratie sei die einzige Regierungsform, die ihren Feinden die Mittel zu ihrer Abschaffung selbst in die Hand gebe, aber sie sei nicht wehrlos bei der Abwehr von Versuchen, das auszunutzen."Wir als BBAA werden nicht tatenlos zuschauen, wie sich Extreme von links und rechts gegenseitig dabei befeuern, die Mitte unter Beschuss zu nehmen - ob nun mit Begriffen wie Klamauk oder der Behauptung, es werde ein Armutszeugnis im wahrsten Sinne des Wortes geliefert.
Gefahr für den Gleichklang
Hegenzecht sieht die große Gefahr, dass der harmonische Gleichklang der Vorwürfe bei den Bürgerinnen und Bürgern für wachsende Verunsicherung sorgt. "Wenn niemand mehr unterscheiden kann, wer behauptet, dass der Koalitionsvertrag 'hinten und vorne nicht durchgerechnet' sei und wer darüber wettere, dass 'Schwarz-Rot die gesellschaftliche Spaltung' vertiefen werden, laufen wir in eine Situation, in der die Brandmauer zwischen den Oppositionsvertretern ihr Geld nicht mehr wert ist."
Das Bundesblogampelamt (BBAA) sieht durchaus die moralischen und ideologischen Hürden, die bisher verhindern, dass sich die derzeit drei großen und zwei kleinen Oppositionsparteien untereinander absprechen, um nicht gleichlautend über die Anstrengungen der Regierungskoalition zu höhnen. "Wir müssen ja sagen, dass wir außerordentliches Glück gehabt haben, dass es bisher noch nicht zu wörtlichen Doppelungen gekommen ist."
Selbstverständlich sehe die obere Meinungsfreiheitsschutzbehörde auch die Zwänge, unter denen die Beteiligten arbeiten. "Weder die Linke noch die Grünen noch das BSW oder die FDP können ihre Pressemeldungen zur Abstimmung an die AfD faxen, um vorab zu klären, wer vielleicht noch von Merzession und Valium sprechen wird."
Brückenbauer über die Kontaktschuldangst
Die Rechtspartei ihrerseits sei durch Satzung und Grundgesetz prinzipiell nicht daran gehindert, "die warten aber natürlich nur händereibend auf den Augenblick, an dem eine der anderen Parteien gleichlautend wie sie argumentieren wird." Das sei eine Bedrohung für unsere Demokratie, die das BBAA mit der Gründung eines neuen Lagezentrums für Beobachtungs- und Abstimmungsbedarf (LZBA) vorsorgend begegnen will.
"Im Rahmen der Fortgründung der Cybernation Deutschland soll das LZBA ein weiterer starker Baustein gegen die mögliche Doppelverwendung von kritischen Begriffen in der Debatte." Er sehe die neue Organisationseinheit im BBAA als Clearingstelle für Kritik. "Wir werden wirksam zu verhindern wissen, dass sich die Ränder auf der Jagd nach dem schnellen viralen Hit verwechselbar machen."
Fälle wie der, dass sowohl Grüne als auch Rechte darüber wettern, dass die Koalition die junge Generation im Stich lasse, oder behaupteten, die Versprechen der neuen Regierung seien "nicht durchgerechnet", "langweilig geschrieben und mit wenig Inhalten bestückt", dürften sich nicht wiederholen, dafür stehe das LZBA. "Als obere Abstimmungsbehörde wird das LZBA dafür sorgen, dass es bei einer deutlichen und klaren Unterscheidbarkeit der einzelnen Kritikangebote bleibt."
Ein ehrlicher Makler
Da man wisse, welche Kontaktschuldangst bei den demokratischen und schon länger nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachteten Parteien herrsche, wolle man sich als ehrlicher Makler einspringen und diplomatisch zwischen den Akteuren vermitteln.
"Wer Kritik an der Bundesregierung oder einzelnen Ministern üben will, darf das gern weiter tun, auch mit den üblichen Massenaussendungen an die Presseagenturen", ordnet der erfahrene Meinungsfreiheitsschützer Herrnfried Hegenzecht ein.
Ehe aber jemand wie Sahra Wagenknecht künftig an "vernünftige Abgeordnete" appelliere könne, um die Basis von Union und SPD aufzuforden, den Koalitionsvertrag zu stoppen, sei es zwingend vorgeschrieben, die Forderung mit der LZBA abzustimmen. "Was wir vermeiden müssen, ist doch, dass diese Forderung vielleicht gleichzeitig auch noch aus der AfD kommt."
Missverständnisse strik vermeiden
Das schade der demokratischen Debatte und beschädigeden kritischen Diskurs, der durchaus weiter gewollt sein werde. "Aber bitte so, dass unsere Experten die Wortmeldungen sammeln, sichten, Dubletten im Reinstraum sterilisieren und die Wählerinnen und Wähler anschließend mit Material versorgen, bei dem jeder gleich weiß, wer Ross und Reiter ist."
Gesunde Schärfe in der Auseinandersetzung bleibe gewollt, Verwechslungen aber, die missverständliche Eindrücke über den Abstand zwischen den Parteien "fast schon heraufbeschören" (Hegenzecht), gelte es strikt zu vermeiden.
2 Kommentare:
>> "Weiter-so" der Ära Merkel
Also Long-Merkel, an dem die deutsche Politik krankt.
"Meckeln", ich bin verwirrt. Heißt es nun Merkeln oder Meckern?
Kommentar veröffentlichen