Donnerstag, 17. April 2025

551 und eine Frage: Paradies der Parasiten

Kurt Hager antwortete damals noch auf Fragen. Die staatlichen Finanziers der Zivilgesellschaft haben das nicht mehr nötig. Wohin Steuermilliarden verschwinden, geht niemanden etwas an.

Kurt Hager zierte sich ein wenig, als sie Anfrage kam. Doch dann beantwortete der Ideologiechef des DDR-Politbüros die Fragen der Illustrierten "Stern". Nützt ja nichts. Niemand sieht schlau aus, wenn herumdruckst und sich in die Büsche schlägt.   Niemand? Doch, Friedrich Merz, scheidender Oppositionsführer und kommender Kanzler, so die SPD-Basis ihn dennoch will, kommt sehr gut ohne Antworten aus. 

Ein Mann mit konservativem Profil

Seit der CDU-Chef nur einen Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl sein konservatives Profil schärfte, indem er  der abgewählten Bundesregierung 551 handgefertigte Fragen zur staatlichen Finanzierung sogenannter "Nichtregierungsorganisationen" (NGO) stellen ließ, ist Schweigen im Walde. 

Erst kam der Entrüstungssturm, ein empörtes Kreischkonzert der Betroffenen, die in den angeschossenen Sendestationen bereitwillige Unterstützer fanden. Dann kamen ein paar halbgare Erwiderungen, nach denen über die aus Staatstöpfen unterhaltene Zivilgesellschaft nicht sehr viel Genaues bekannt ist. Weder wisse man genau, an wen das Geld gehe, noch wie viel und wozu.

Lars Klingbeil, als Verlierer der Bundestagswahl schon früh im sicheren Gefühl, als Rädchen am Merz-Wagen künftig unverzichtbar zu sein, nordete Merz ein und zeigte die Instrumente. Er könne nicht mit einer Partei am Verhandlungstisch zusammensitzen, "die solche Anfragen rausschickt". Nur weil eine Bundesregierung ihr genehme oder hilfreich erscheinende Organisationen finanziert, steht der "politische Neutralität" noch lange nicht infrage. Und sie dürfe es auch nicht.

Üble Anfragen

Die Fragen waren damit nicht beantwortet, aber erledigt. Ausdrücklich stimmte die Union  einem Passus im Koalitionsvertrag zu, wonach das große Förderprogramm "Demokratie leben" fortgesetzt und erweitert wird, aus dem ein großer Teil der Mittel sprudelt, von denen sich hunderte zivilgesellschaftliche Vereine nähren. 

SPD und Grüne, auf den letzten Metern der gescheiterten Fortschrittskoalition als Fußgängerampel unterwegs, hatten der Union versichert, dass der Hass gegen Friedrich Merz, der während der großen Tage der Brandmauerproteste ausgebrochen war, allenfalls zum Teil aus staatlichen Quellen finanziert worden sein könnte. Nichts Genaues aber wusste die Bundesregierung auch nicht. NGO bedeutet schließlich: Ist das Geld ausgereicht, verschwindet es ohne Verwendungsnachweis.

Milliarden für den guten Zweck

Es geht um hunderte Millionen, zusammengerechnet sogar um Milliarden. Aber verglichen mit dem Volumen des Bundeshaushaltes oder aber mit Tiefe und Umfang der neuen Sondervermögenlöcher handelt es sich um Brosamen. Und jetzt, wo die Union selbst zumindest in die Ministerien einzieht, die ihr die SPD überlassen hat, kann aus der "Schattenstruktur" (BR) des "tiefen Staates" (TAZ)  die Kaffeekasse der neuen Minister werden. 

Die 551 Fragen sind vergessen. Mit der Fragestellung war ihre Aufgabe erledigt. Die Erteilung von Antworten könnte Teile der Bevölkerung beunruhigen und andere Teile abspalten. Dass eine nahezu ausschließlich durch staatliche Zuflüsse finanzierte Organisation wie die "Neuen deutschen Medienmacher*innen", die sich im Gegenzug für 5,5 Millionen Euro jährlich für mehr Vielfalt im Journalismus und gegen Hass im Netz einsetzt, bis heute 60 Stellen für Erzieher zu "menschenrechtsbasierten Haltungen in Redaktionen" geschaffen hat, würde untergehen. 

Verstärker für antidemokratische Narrative

Jede Debatte über Details wäre einer jener "Verstärker für antidemokratische Narrative" (NdM) vor denen die "Journalist:innen mit und ohne Einwanderungs­geschichte" so eindringlich warnen. Alle Diskussionen würden sich nur noch darum drehen, warum Firmenchefin Elena Kountidou für die Grünen im Rundfunkrat sitzt und warum das einst unter dem Frauen strikt ausschließenden Namen "Neue deutsche Medienmacher" gegründete "Netzwerk" zwar inzwischen öffentlich als Neue deutsche Medienmacher*innen auftritt, aber bis heute im Internet die vielfaltablehnende Internetadresse neuemedienmacher.de benutzt.

Ab jetzt wird, so steht es im Koalitionsvertrag, Punkt 4, Kapitel "Starker Zusammenhalt, standhafte Demokratie", "verstärkt in die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie" investiert. Die ist bedroht wie nie, denn das Gift der der "antidemokratischen Narriative", es wird längst auch durch die Gemeinsinnsender in die Wohnzimmer geträufelt. Entsetzt haben die Neuen Deutschen Medienmacher, vom Finanzamt Berlin von der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer befreit, jetzt aufgedeckt, dass die neue ARD-Reportagereihe "Klar" sogar "migrationsfeindliche Narrative als Meinungsvielfalt verkauft"

Premiere für eine runde Million

Ein Glücksfall für das NdM-Team, denn es war das erste Mal seit einer Wortmeldung in eigener Sache während der großen Zuschussdiskussion vom Februar, dass sich das 60-köpfige Team öffentlich zu Wort meldete. Vom Jahresetat ist Ende März erfahrungsgemäß ein Viertel verbraten. Eine runde Million aus dem Staatssäckel haben die Medienmacher*innen, die sich ihren Finanziers der Transparenz wegen nur mit Fanatsienamen wie "Sham", "Jutta", "Melis" und "Mosjkan" vorstellen, schon unter die Leute gebracht.

Bekommen haben die vom den allgemeinem Rechtsruck bei den Medien beunruhigte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von den Medienmachern dafür bis zur Verurteilung der Fernsehsendung vier Pressemitteilungen. Jede einzelne trägt eine mitreißende und vielfältige Überschrift, jede einzelne verrät, mit wie viel Leibe und Herzblut sie für wie viel Geld zusammengebaut wurde.

Eine gerechtere Berichterstattung

Ob "10 Neujahrsvorsätze für eine gerechtere Berichterstattung", "Verantwortung der Medien", "Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie" und "Zur Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag" - rein rechnerisch hat jede einzelne Mitteilung an die Öffentlichkeit eine Viertelmillion Euro gekostet. Das Geld war es wert, denn nun ist klar, dass sich keine "gesamte Medienlandschaft" mit einem "Täter mit Fluchthintergrund" beschäftigen sollte.

So soll es, so muss es weitergehen. Während Friedrich Merz bei Steuersenkungen und Mindestlohn darauf verwiesen hat, dass er gemeinsam mit Klingbeil und Söder von Anfang an die Hintertür des Finanzierungsvorbehalts in die Vereinbarung eingebaut habe, bestehen entsprechende Abmachungen bei den Geldlieferungen an die  zivilgesellschaftlichen Vereine aus der Demokratieförderbranche nicht. Man "unterstreiche die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft", haben die Autoren ab Zeile 3296 unter "Demokratiebildung und demokratische Teilhabe" notiert.

Die Fragen sind vom Tisch

Die 551 Fragen sind damit vom Tisch. Die neue Regierungsmannschaft, die sie nun bald selbst beantworften könnte, kann alles brauchen, aber keine Debatte über Finanzierung und persönliche Verbindungen von Politikern in ausgewählte Organisationen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Gerade erst hat ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs bemängelt, dass auch auf europäischer Ebene "zu wenig Transparenz über Gelder" herrsche, mit denen EU-Kommission Lobbygruppen mit Milliarden füttert, um sich ihr genehme Stichworte zur Migrations-, Umwelt- und Verkehrspolitik liefern zu lassen. Fast wäre daraus ein Skandal geworden.

Denn selbst nach deutschen und EU-Maßstäben ist Brüssel nicht knauserig: Der "Spiegel" berichtet von rund 4,8 Milliarden Euro, die innerhalb von nur drei Jahren an Organisationen gehen, die aus häufig unbekannten Gründen nach den Vorgaben dieses oder jenes Staates als "gemeinnützig" gelten. Dazu kommen weitere 2,6 Milliarden von den Mitgliedstaaten. Pro Jahr sind das zweieinhalb Milliarden Euro - das ist das Doppelte der Summe, die die gesamte EU der neuen islamistischen Regierung in Syrien als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellt.

17 Euro für die Schattenstruktur

Jeder einzelne Europäer vom Baby bis zum Greis ließ sich die schattenhafte "Zivilgesellschaft" aus tausenden von regierungsnahen Nichtregierungsorganisationen 17 Euro im Jahr kosten. Offiziell soll ihre Förderung ein Gegengewicht zur Lobbymacht von Konzernen und der Industrie bilden. Inoffiziell sind Think Tanks wie das Centre for European Policy Studies dafür da, Stellen im Umfeld der Macht zu schaffen und zu unterhalten, deren Inhaber den Geldgebern verpflichtet sind.

So wie die Regierung in Berlin auf viele der 551 Fragen nur mit einem "keine Angaben" antworten konnte, weil oft nicht bekannt ist, welche Summen an welche NGOs fließen, ermittelte der EU-Rechnungshof, dass auf europäischer Ebene häufig unklar, welche Summen wofür an welche Nichtregierungsorganisation fließen. Um Ärger zu vermeiden, vermeidet die EU Kontrollen der Verwendung der Mittel. 

Mangel an Transparenz

Laima Andrikienė, eine Litauerin, die auch schon zehn Jahre im Europäischen Parlament abgesessen hat, ist jetzt als vollkommen unabhängiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs eine Idealbesetzung. Erstmals konnte sie herausbekommen, dass die "EU-Finanzierung für NGOs zu undurchsichtig" ist und dass sie "unter einem Mangel an Transparenz" leidet. "Zu" undurchsichtig heißt aus dem Europäischen übersetzt: Nachtschwarze Schattenstruktur. "Mangel an Transparenz" meint nichts anderes als: Kein Milchglas, sondern Stahlbeton.

Sieben Milliarden Euro hat die EU allein in den drei Jahren von 2021 bis 2023 verteilt und über die Verwendung der "unklaren Summen" (Andrikienė) liegen bis heute nur "bruchstückhafte Informationen" vor. Man vermute, das ganze Geld sei für "Zusammenhalt, Forschung, Migration und Umwelt", ausgegeben worden, hat Laima Andrikienė gesagt. 

Wirklich wissen aber könne das niemand, weil zumindest "NGOs auch bis an die Grenze der Rechtsstaatsverletzung gegangen" seien, um sich Zuschüsse zu sichern. Die seien dann auch verwendet worden, um Protestaktionen zu unterstützen, "die sogar teilweise gewalttätig geworden sind", wie die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier erschüttert aus dem Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlament berichtet hat. 

An den Geldtrögen der Gemeinschaft

Hohlmeier sitzt erst seit 16 Jahren im EU-Parlament. Auch sie konnte nicht ahnen, dass sich rund um die Geldtröge der Gemeinschaft ein ganzes Heer an organisiserten Kostgängern einfindet, die aus ihrem "zivilgesellschaftlichen Engagement" das Recht ableiten, für ihren Einsatz bezahlt zu werden. 

Was einem freiwilligen Feierwehrmann nicht zusteht, auch keinem Schülerlotsen oder Fußballnachwuchstrainer, haben die Erfinder der "Zivilgesellschaft" zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt: Sie lassen sich für ihre Überzeugungen, ihre Hobbys und ihr Bedürfnis, andere zu ihrer Weltanschauung zu bekehren, von der Gemeinschaft aushalten. 

Die Institutionen sind ihre Beute, die Staatskassen liefern ihr Futter. Im Paradies der Parasiten kann ihnen nichts geschehen. Zumindest die 552. Frage, die die Union nicht gestellt hat, ist beantwortet: Wird sich an diesem System der staatlich finanzierten Nichtstaatlichkeit etwas ändern, wenn das ganze Ausmaß der korruptiven Geldströme öffentlich wird? Wird jemand die Kraft haben, die Verschwendung von Milliarden Euro für eigensüchtige Zwecke zu beenden?

Die Antwort lautet vorerst weiter nein.


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