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Friedrich Merz feiert noch vor dem Einzug ins Kanzleramt erste Erfolge: In den fünf Wochen nach der Wahl hat der CDU-Chef die AfD zur stärksten Partei gemacht. |
Es würden keine einfachen und vielleicht nicht einmal die vier vorgesehenen Jahre werden, das war klar. Als die Union beschloss, mit den Sozialdemokraten als einzigem möglichen Koalitionspartner Verhandlungen über eine gemeinsame Regierung aufzunehmen, ahnten Beobachter das kommende Verhängnis. Einerseits war da Friedrich Merz, der vor der Bundestagswahl mit dem Versprechen einer "Politikwende" hausieren gegangen war. Andererseits die politische Wirklichkeit, die den künftigen Kanzler veranlasste, noch vor Amtsantritt ein abgewähltes Parlament zu nutzen, um sich Beifreiheit in Gestalt von etwa 1.500 zusätzlichen Haushaltsmilliarden zu verschaffen.
Hinter die Fichte geführt
Würde das gutgehen? Und wie lange? Würden die Bürgerinnen und Bücher sich wieder begierig hinter die Fichte führen lassen wie von Scholz und Habeck und vorher von Merkel? Würden sie in den neuen Führungskräften wieder Gaukler und Propheten sehen, denen sie aus einer gewissen Grundsympathie heraus gestatten würden, ihnen ein X für ein U vorzumachen, sie nach Strich und Faden auszunehmen und ihnen zu zeigen, wo hier der Hammer hängt und wer ihn schwingt?
Friedrich Merz, das weiß er selbst am besten, wird nicht so geliebt, bewundert, ihm folgt kein Mensch freiwillig. Und Lars Klingbeil, das sozialdemokratische Gegenstück? Der 47-Jährige, der den Babyspeck einfach nicht loswerden kann? Ein Schwergewicht zwar, aber ausschließlich körperlich. Nicht groß, sondern lang wie Merz. Wo er auftritt, lachen die Menschen hinter vorgehaltener Hand.
Viel schlimmer als immer
Es kam dann auch noch viel schneller viel schlimmer als in den Herbsttagen des Coronajahres, als die Fortschrittskoalition aus Rot, Grün und Geld sich anschickte, Deutschland nach 16 Jahren Merkellähmung in ein sozialdemokratisches Jahrzehnt (Olaf Scholz) zu führen. Die drei frischen Partner heirateten nicht aus Liebe, doch die ersten gemeinsamen Bilder zeigten Honeymoon.
Offene Kragen. Hochgekrempelte Ärmel. Das eigentliche Projekt ging jetzt erst los und es dauerte mehrere Monate, ehe die Umfragewerte zu bröckeln begannen. Erst nach einem halben Jahr hatte die SPD fünf Prozent ihrer Wähler verloren. Die FDP-Werte hatten sich halbiert. Die Koalition aber stand, denn was diese beiden Partner abgaben, zahlte auf das grüne Konto ein.
Scholz auf Kurs ins Abseits
Gleich stark und zugleich schwach hielt Scholz unbeirrt Kurs. Der Sozialdemokrat glaubte fest daran, dass sich gutes Regieren eines Tages als gute Umfragewerte verzinsen werde. Eine Auffassung, von der der Niedersache nicht einmal in den letzten Stunden des vorgezogenen Wahlkampfes abrückte, als jedermann wusste, dass Scholz für eine übergroße Mehrheit im Land der unbeliebteste Kanzler aller Zeiten ist, der die fürchterlichste Regierung jemals anführt, mit der sich nur noch die eine Sehnsucht verband: Sie mögen verschwinden, auf Nimmerwiedersehen und für alle Zeiten.
So wählten die Bürger dann auch. Die gerade noch grüne Mehrheit verdampfte in der Empörung über Heizungsgesetz, Verbotskultur, hohe Preise und Kriegsgeschrei von Fronttheaterdarstellern, die bei einer Flinte nicht wüssten, wo vorn ist. Deutlich nach rechts gerutscht, verkörpert der neue Bundestag den Wunsch der Menschen, zurückzukehren zu ökonomischer und ökologischer Vernunft, zu rationalem Denken bei der Migration und zu einer Ostpolitik, die den Zusammenhalt der Nation wahrt, die Tür zur Einheit Deutschlands offen hält und den dritten Weltkrieg verhindert.
51,3 Prozent der Stimmen gingen an rechte, konservative, liberale und rechtspopulistische Parteien. Trotz des vom chinesischen Portal TikTok befeuerten Comebacks der Linkspartei blieb die vereinigte Linke aus SPD, Grünen, Ex-PDS und BSW mit 41 Prozent weit dahinter zurück. Die Deutschen wollten, das war nicht zu übersehen, nach drei Jahren Ampel eine andere Politik. Freiheitlicher. Demokratischer. Ohne die staatliche Fuchtel bis in Wohnzimmer zu spüren.
Absage an alle Erwartungen
Erst Tage nach der Wahl gewann die SPD sie doch noch. Und seitdem vollzieht sich vor aller Augen ein Wunder, wie es Deutschland noch nie gesehen hat: Starteten bisher noch sämtliche neuen Regierungen mit Vorschusslorbeeren und mehr oder weniger schwer beladen mit großen Erwartungen in ihre vier Jahre Bewährungszeit, gelingt es der als Schuldenkoalition angetretenen Kombination aus CDU, CSU und SPD offenbar, ihren Saal an Bewunderern und begeisterten schon vor dem ersten Ton leerzuspielen.
Rasanter hat es noch kein Regierungsbündnis geschafft, sein Renommee zu zerstören. Die Union, die die Wahl mit einem auf konservativ gefönten Programm gewann, ist seit dem 25. Februar 18 Uhr dabei, sich zurückzuverwandeln in die etatistische Merkel-Union, die mit Durchhalteappellen, Haltebefehlen und der Verschiebung von imaginären Armeen auf unsichtbaren Karten regiert. Die SPD, noch schwerer abgestraft als jemals zuvor, hat unter der alten Führung, die ihr das alles eingebrockt hat, beschlossen, sie müsse noch mehr von dem herbeidirigieren, was Millionen Wähler veranlasst hat, ihr die Gefolgschaft zu kündigen. Die CSU, von ihrem Chef Markus Söder als Kern konservativer Vernunft in der Union inszeniert, steht dabei und jeder sieht ihn an, wie groß die Freude auf einige Ministerposten ist.Selbstmord auf offener Bühne
Es ist wie ein Selbstmord auf offener Bühne, bei dem so viel Blut fließt, dass es eine ganze Wiese düngt. Seit dem Wahltag hat die Union schon 3,5 Prozent ihrer Wähler verloren. Die SPD brauchte dazu nach ihrem Amtsantritt doppelt so lange. CDU und CSU getrennt gezählt, wäre die AfD mit ihren 24 Prozent der Stimmen mittlerweile stärkste deutsche Partei. Noch schlimmer steht es um die Beliebtheit des kommenden Kanzlers: Nur noch 28 Prozent halten Friedrich Merz für vertrauenswürdig, 70 Prozent hingegen sehen in ihm für einen Blender, Hütchenspieler und Wahlbetrüger.
Ein trauriger Start
Selbst für einen Politiker, der den einen stets zu wirtschaftsnah und konservativ, den anderen zu machtversessen und halbseiden und dritten viel zu links und labberig war, sind das Werte, noch weit unter denen liegen, mit denen Olaf Scholz in sein Regierungsdebakel gestartet war.
Noch vor dem Amtseid haben die künftigen Koalitionäre ihre Mehrheit verloren. Noch vor dem Amtseid stärkt ihre Politik nur die Ränder, die sie zu bekämpfen vorgibt. Neben der AfD, die seit dem Wahltag so deutlich zugelegt hat wie zuletzt Anfang 2023, profitiert auch die populistische Linke vom wirtschaftsfeindlichen SchuKo-Kurs mit höheren Schulden, höheren Steuern, geplanten weiteren Einschränkungen der Meinungsfreiheit und einem trotz aller Bemühungen der USA um Friedensverhandlungen ungebrochen selbstbewussten Kurs zur Fortsetzung des Krieges in der Ukraine whatever it takes.
Will er die AfD hochpäppeln?
Wäre es Friedrich Merzens ausgegebenes Ziel gewesen, die vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem beobachtete AfD bis zur nächsten Bundestagswahl zur einzigen Volkspartei zu päppeln, er hätte es genauso anstellen müssen. Alles abräumen, was vor der Wahl versprochen wurde. Die im Kern in den Merkeljahren sozialdemokratisierte CDU vom dünnen Mäntelchen des Konservatismus befreien und sie auf dem Markt wieder zu platzieren als vormundschaftliche, etatistische Kraft der Staatsgläubigkeit, die Wohlstand durch Fördermittel und Zukunft durch Verbotsparagraphen schafft.
Bei seinen Wahlkampfauftritten hatte Friedrich Merz immer wieder behauptet, angesichts der Gefahr, dass die AfD 2029 zur stärksten Partei werde, müsse die SPD in einem künftigen Regierungsbündnis auch Dingen zustimmen, die sie nicht wolle. Jetzt ist er es, der mit seiner Partei allem zustimmt, was die Wahlverlierer Klingbeil, Esken und Miersch auf ihre Wunschzettel schreiben.
Die SPD regiert allein
Olaf Scholz konnte in dieser Phase seiner Kanzlerkarriere noch halbwegs beruhigt wirtschaften. Seine Mehrheit schrumpfte beständig, aber er hatte eine. Er war unbeliebt, aber sobald die ersten Erfolge eintrudeln, so glaubte er womöglich wirklich, würde sich das schnell ändern. Für Friedrich Merz dagegen sieht die Lage anders aus: Jetzt schon sind Klingbeil und Söder beliebter als er, ebenso der gescheiterte Wirtschaftsminister Robert Habeck und der sozialdemokratische Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Friedrich Merz mag wie vor ihm Scholz an seinem Traum festhalten, er müsse nur lange genug aufrecht stehen, dann werde sich seine gute Politik auch in guten Umfragezahlen und Wahlergebnissen ausdrücken. Doch wo der Wunsch der Vater des Gedankens ist, rückt die Realität in den Hintergrund des Handelns. Merz könnte sich von Scholz alles darüber erzählen lassen, wie es ist, eine Merhheit zu verlieren, seinen guten Ruf und die Aussicht, als etwas anderes im Geschichtsbuch aufzutauchen als als der Kanzler, gegen den alle anderen wirken wie Lichtgestalten.
Merz ist Scholzens Hoffnung
Jetzt schon ist die politische Konkurrenz von rechts erfolgreicher und er, der Politikwechsel-Kanzler, mit seinem Latein am Ende. So sehr Merz bis zum 23. Februar versucht hatte, glaubhaft das Vorhandensein eines konsistenten Plans zum Wiederaufbau des Landes zu behaupten, so deutlich ist in den wenigen Wochen seitdem geworden, dass es diesen Plan nie gab und die Union deshalb recht froh darüber ist, dass wenigstens die Sozialdemokraten mit ihren irrwitzigen Flausen irgendetwas auf den Tisch zu legen haben.
Dass die Deutschen sich um die Wirtschaft sorgen, die nach besseren Standortbedingungen ruft, dass die Migration immer noch vielen wichtig erscheint und der Krieg Russlands gegen die Ukraine für viele am liebsten mit einem Friedensschluss whatever it takes beendet werden sollte, ficht den Mann nicht an, dem böse Stimmen von Anfang an nachsagten, dass er nicht nach dem Amt des Regierungsschefs strebe, um etwas zu erreichen, sondern allein, um es gehabt zu haben. Friedrich Merz, sein Gegner im wahlkampf, ist zur großen Hoffnung von Olaf Scholz geworden. Macht der CDU-Chef so weiter, wird er seinem sozialdemokratsichen Vorgänger zweifellos erfolgreich den Titel als schlechtester und unbeliebtester Kanzler aller Zeiten streitig machen.
Auf dem Weg ins Nichts
Nur noch 21 Prozent der Bürgerinnen und Bürger trauen der Merz-Union zu, die derzeitigen Probleme am besten lösen zu können, das ist deutlich weniger als unmittelbar nach der Bundestagswahl. Dahinter folgt schon die AfD, die aus einem Lösungskompetenzwert von nur zwölf Prozent einen doppelt so hohen Stimmenanteil macht. Abgeschlagen sind die übrigen Parteien der selbsternannten demokratischen Mitte: Der SPD, die im Augenblick die Leitlinien der Politik bestimmt, trauen nur noch marginale neun Prozent der Menschen zu, irgendeine Idee zu haben, wie es weitergehen soll. Bei den Grünen sind es nur desaströse sieben Prozent, bei der Linken fünf.