Mittwoch, 19. März 2025

Zum Glück kein Friedensschluss: Europas Kampf bis zum letzten Ukrainer

Karikatur aus einer guten alten Zeit: In seiner ersten Amtszeit als Präsident durfte sich Donald Trump noch über Kriegstreiber kritisieren lassen. Inzwischen gefährdet er die Zukunft der Menschheit durch seine Versuche, den Ukrainekrieg zu beenden.

Das hätte glatt danebengehen können. Am frühen Nachmittag im Bundestag die Kriegskredite gerade noch knapp durchgewunken, und abends dann die Nachricht aus Washington, dass Donald Trump und Wladimir Putin sich geeinigt haben, den Ukrainekrieg sofort und ohne weitere Bedingungen der einen Seite an die andere zu beenden? Ein weniger mehr als wenig peinlich hätte es gewirkt, dass deutsche Truppen nicht wie Blücher bei Waterloo als letzte auf dem Schlachtfeld erscheinen. Sondern erst, wenn das Gehaue zu Ende ist.

Zum Glück kein Friedensschluss

Ganz so schlimm ist es dann zum Glück auch nicht gekommen. Wie Elmar Theveßen, US-Korrespondent des ZDF, vor Monaten schon zuversichtlich vorhergesagt hatte, ist nach Donald Trumps Amtsantritt "nicht am ersten Tag schon der Frieden" ausgebrochen. Theveßen war optimistisch, dass Trump lange brauchen wird, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Ein Urteil, auf das die alte wie die neue Bundesregierung gebaut haben: Je mehr sich der Amerikaner in Deeskalation versuchte, desto schriller wurde in Berlin, aber auch in Brüssel nach totalem Krieg gerufen, einem Krieg bis zum letzten Ukrainer, der erst fallen dürfe, wenn die von Russland besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückerobert seien und Putin abgedankt habe.

Den Endkampf zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit finanzieren sollten die Vereinigten Staaten, sie sollten auch die Panzer, Raketen, Granaten, Geheimdienstinformationen und Aufklärungsdaten liefern, mit denen Europa nicht dienen kann oder - aus Furcht, direkt ins Schlachten verwickelt zu werden - nicht dienen will. Drei Jahre liefe es gut für die Kriegsbegeisterten. Keine Minute eher als bis der Kreml kapituliere, sollte die Sache enden. Mit klingendem Spiel könnten dann deutsche Friedenstruppen durch Moskau marschieren, während ein EU-Sonderbeauftragter den Russen in einer großen Aktentasche die Demokratie vorbeibringen werde. 

Aufmunitioniert mit Durchhalteparolen

Genaue Pläne, welche Truppen mit welchen Waffen in welchem Zeitraum vorgesehen waren, die viertgrößte Militärmacht der Welt niederzustrecken, gab es nicht. Nur jede Menge Durchhalteparolen von Salonsoldaten, deren Kampfeswille mit jedem Kilometer Abstand zwischen eigenen Bett und Frontbunker wuchs. 

Ein russischer "Siegfrieden"? Niemals! Dem Usurpator einen einzigen Quadratmeter heiliger ukrainischer Erde geben? Um keinen Preis! Das Leben von Tausenden und Abertausenden junger Männer, aber auch das von Frauen, Kindern und alten Leuten lieber zu erhalten als die Illusion, auf dem zerstörten, zerbombten und von den meisten ukrainischen Ukrainern seit Jahren verlassenen Donbass und der Krim wieder die gelb-blaue Fahne hissen zu können, war Verrat.

Mit seiner Ankündigung, dem Spuk eines ewigen Krieges um ein paar staubige Ebenen im Donezbecken und in der Schwarzmeersenke möglich rasch zu beenden, whatever it takes, drohte nun, all diese Fantasien vom gloriosen Endsieg zu zerstören. Eben erst hatte die deutsche Politik umfassend auf Kriegsparolen umgestellt. Nach drei Jahren Töten und Sterben und politischem Katastrophentourismus war die Kriegswirtschaft als Basis eines neuen Wirtschaftswunders entdeckt und die Chance, nun endlich endlos Schulden auf Kosten künftiger Generationen machen zu können, entschlossen beim Schopf gepackt worden.

Wohin mit den neuen Kriegskrediten?

War alles vergeblich? War das wieder die verkehrte Richtung? Wieder zu spät, statt zu wenig nun zu viel? Aus der Zeit gefallen wie immer? Gescheitert wie mit bisher allen großen Plänen von der "Lissabon-Strategie" über "Europa 2020" bis zum Green Deal und der Wiederaufbaupakt? 

Würden der US-Präsident und der russische Machthaber, der sich ebenfalls Präsident nennt, unter vier Augen zu einer Einigung kommen, wie immer sie aussieht, wäre das eine Zeitenwende, auf die Europa und Deutschland so wenig vorbereitet sind wie auf die Zeitenwende I und II. Gerade erst hat man unter Vernachlässigung jeder demokratischen Fassadenkultur auf Nachrüstung umgestellt, sich Kriegskredite bewilligt und eine Ära ausgerufen, in der Klima, Geschlechtergerechtigkeit, Soziales und der Wohlstand der hart arbeitenden Mitte zurückstehen müssen hinter dem Traum von einer EU als "stählernem Stachelschwein" (Ursula von der Leyen). Und auf einmal, weil zwei Männer, die aus europäischer Sicht beide keine Demokraten sind, soll das alles nicht mehr wahr sein?

Trauer über Waffenruhe

Die Trauer darüber, dass Donald Trump auch nach seinem zweiten Telefongespräch mit Wladimir Putin keinen allumfassenden Friedensschluss verkünden konnte, hält sich in Grenzen. Zufrieden konstatiert die "Tagesschau" ein "mageres Ergebnis" angesichts des Umstandes, dass Trump Putin dazu bewegen konnte, für den Anfang für 30 Tage auf Angriffe auf die Energie-Infrastruktur zu verzichten. "Von wegen Waffenruhe", freuen sich die Redaktionen hämisch, Putin habe Trump ausgetrickst und "über den Tisch gezogen", heißt es zufrieden. Der gewiefte Russe spiele natürlich "auf Zeit" und versuche, mit Hilfe seiner bekannten perfiden Tricks mehr Zeit für die Fortsetzung seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges bei den Amerikaner herauszuschlagen. 

Lange hatten die Europäer versucht, beim Handel der beiden Großmächte  über den Fortgang des Krieges mit am Tisch sitzen zu dürfen. So hätte es, spekulierten sie, mit Hilfe von endlosen Einwänden und Bedenken gelingen können, Trump und Putin von einer vorschnellen Einigung abzubringen. Wenn Europa etwas gut kann, dann langsam, gern auch ohne jedes abschließende Ergebnis. Zehn Jahre lang etwa verhandelte die Gemeinschaft ein neues Rahmenabkommen mit der Schweiz, die Friedensverhandlungen um das teilweise von türkischen Nato-Truppen besetzte EU- und Nato-Land Zypern feierten im vergangenen Jahr sogar schon ihr 50. Jubiläum.

Europa will bis zum letzten Ukrainer kämpfen

Das muss das Vorbild sein, so kann es weitergehen. Niemals dürfe die USA die Ukraine zwingen, sich vor dem Russen auf den Boden zu legen, heißt es in der ARD, die die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Kriegsgetümmels noch lange nicht aufgegeben hat. Trump irre, wenn er meine, mit einem Putin verhandeln zu können. Naiv sei er, wenn er glaube, auf diesem Wege etwas erreichen zu können, nur weil auf dem anderen bisher nichts erreicht wurde.

Dank der vielen umfassenden und hilfreichen deutschen Analysen wird das freilich nicht gelingen. So wie deutsche Politiker und deutsche Medien von Anfang an wussten, dass es sich niemals lohnen kann, überhaupt mit Putin zu sprechen, ehe der Kreml-Potentat nicht selbst auf Knien nach Brüssel gekrochen kommt, um um Gnade zu bitten, so war in Deutschland, dem vom Ukrainekrieg am schlimmsten betroffenen Gebiet weltweit, schon lange klar, dass auf jegliches Verhandlungsergebnis kein Verlass war.

Entscheiden könnten dieses Ringen nur die Waffen, die Europa nicht hat, und die Soldaten, die der Ukraine allmählich ausgehen. Umso schöner ist es, dass auch Trump keinen Frieden "in 24 Stunden" herbeizaubern kann. Europa bekommt so Gelegenheit, mit einer gewissen Häme zu betonen, dass man das doch gleich gesagt und nicht umsonst immer wiederholt habe.   

Bloß die erste Feuerpause

Eine "begrenzte Feuerpause", der größte Schritt zu einem Waffenstillstand seit drei Jahren. Wie enttäuschend ist das, schreiben die Kommentatoren. Das sei "kein Schritt näher zum Frieden", kommentiert die "Zeit" aus Hamburg, die die Ergebnisse des Telefonats zwischen Putin und Trump als Erfolg für Russland wertet. Putin habe es "geschafft, minimalste Zugeständnisse gegenüber Trump als Fortschritt im Friedensprozess zu verkaufen".  Auch der Bundesverteidigungsminister, ein gelernter Gefreiter, der an der Ostfront schon so viel erreicht hat, ist in seinem Urteil völlig klar: Eine "Nullnummer" sei das, was Trump und Putin erreicht hätten.

Das Spiel des Russen bestehe darin, die erst vor einigen Wochen begonnenen Verhandlungen "in Detailfragen und immer neuen Forderungen zu ertränken", während Russland den Krieg am Boden weiterführe. Die beiden Analysten und   enttarnen das als "zynische Taktik": Während Verhandlungen über das Ruhen der Waffen oder gar einen Friedensschluss historisch gesehen in sämtlichen bisherigen Konflikten der Weltgeschichte stets nur wenige Stunden dauerten, gelinge es Putin durch sein scheinbares Nachgeben, seinen Krieg weiterführen zu können. Deutlich schwingt da die Tatsache mit, dass ihm das ohne gewisse Zugeständnisse nicht möglich wäre. 

Europa weiß es besser

Europa weiß es schon besser, Trump wird es noch erfahren, das ist die Grundbotschaft aller Berichte über den ersten kleinen Fortschritt am Verhandlungstisch. Dieser Krieg muss ausgefochten werden, bis das letzte Sondervermögen verbraucht ist, weil der Russe sonst unweigerlich anmarschiert kommt. Deutschland rechnet damit in fünf bis zehn Jahren, dann, so sagen es alle Experten, wird die russische Bevölkerung im Durchschnitt 50 Jahre alt sein und, angetrieben vom 82-jährigen Wladimir Putin, hungrig wie nie auf Raumgewinne bis zum Atlantik. 

Auf die Friedensfalle, die der Kremlherrscher aufgestellt hat, werden Deutschland und Europa deshalb auch nicht hereinfallen, selbst wenn Donald Trump sich austricksen lässt und die Ukraine anweist, einem Frieden nach seinen Abmachungen mit Putin zuzustimmen. Die "Festung Europa" (Spiegel) wird trotzdem weitergebaut werden, nicht mehr nur gegen die Drohung aus dem Osten, sondern, Stichwort Atlantikwall, auch gegen eine mögliche neue Landung amerikanischer Truppen. Allein auf weiter Flur, richtet sich der alte Kontinent zum dritten Mal in nur etwas mehr als 100 Jahren auf lange und entbehrungsreiche Kriegszeiten ein.

Das wird ganz gut werden, so ist die allgemeine Erwartung. Jetzt ist das Geld da, jetzt kann die Wirtschaft boomen, indem sie statt Pkws und Windräder Panzer, Geschütze und Granaten herstellt. Zumindest, so lange sich die Russland nicht mit den Vereinigten Staaten auf ein Ende des Waffengangs in der Ukraine einigen.

 


2 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich las im us-amerikanischen Boulevard-Oiternet, die beiden sportverrückten Präsidenten hätten auch wesentlich darüber verhandelt, daß endlich wieder amerikanische und russische Mannschaften im Eishockey aufeinandertreffen und wie das einzudealen wäre.

Die NHL weiß von nichts und der Kreml schweigt.

Anonym hat gesagt…

Nicht mehr unser Lied:
Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land;
allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.


Laut Wikiblödia weilt die Schöpferin dieser Zeilen hochbetagt noch unter uns. Gottes Segen.