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Sie war die Seherin, die mehr wusste als andere, aber nichts vertuscht hat. |
Dass sie nicht viele Worte machte, war einer der großen Vorzüge der früheren Kanzlerin. Angela Merkel führte, ohne zu sehen zu sein. Bei ihr gab es keine großen Diskussionen, sondern die Verkündung von Entscheidungen, die getroffen wurden, wenn es nicht mehr anders ging. In aller Regel gab es dann auch keine Wahl mehr, dies zu tun oder jenes. Was Merkel anwies, war alternativlos.
Das ersparte allen viele Diskussionen und Millionen Bürgern die Mühe, immer überall mitreden zu müssen, eine Meinung zu haben und sich auch noch die Mühe machen zu müssen, zu überlegen, welche Argumente dafür und welche dagegen sprechen. Das Gefühl, gut regiert zu werden, wurde durch eine umsichtige Verwaltung erreicht. Politische Ziele gab es nicht. Die Wirtschaft lief so lala. Und wenn es dem Esel zu gut ging, kam eine Großkrise aus Europa oder aus Asien, und das disziplinierte alle, die schon auf dem Weg zur Eisbahn waren, zumindest für geraume Zeit.
Mechanikerin der Macht
Merkel als Mechanikerin der Macht zu bezeichnen, ist genauso falsch wie ihr die Hymne zu singen, sie, als Physikerin, habe "die Dinge vom Ende her betrachtet". So viel Mühe musste die Kanzlerin sich nie machen. Alle verließen sich darauf, dass sie schon wisse, was sie tue. Es war doch noch immer jot jejange, ob Euro-Rettung oder Atomausstieg.
Angela Merkel gelang es, das berühmte Konzept der "asymmetrischen Mobilisierung" aus ihren einschläfernden Wahlkämpfen auf den politischen Alltag zu übertragen. Zuerst kippten die Medien betäubt weg. Später, als von draußen garstiges Grummeln kam, ob das wohl alles wirklich das Gelbe vom Ei sei, formierten sie sich als Schutzwall um die am liebsten als "Ostdeutsche" auf Schild gehobene Frau aus Hamburg.
Beschwörerin des Volksglaubens
Dass Corona schlimm war, "die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", wie Merkel selbst dekretiert hatte, konnte jeder nachvollziehen. Dass Deutschland dank der klugen Führung der Kanzlerin sehr gut durch die Seuche kam, war an Zahlen nicht abzulesen, aber dank unermüdlicher Werbung der Bundesregierung und aller angeschlossenen Abspielstationen bald allgemeiner Volksglaube. Was nicht optimal lief, tat es, weil es niemand wissen konnte. Was Merkel wusste, das hat sie jetzt auf Merkel-Art bestätigt, wurde nicht geheimgehalten, im Panzerschrank vergraben oder absichtlich vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten. Sondern nur nicht öffentlich gesagt.
Den Vorwurf, frühe Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes nicht weitergegeben zu haben, hat die Altbundeskanzlerin am Tag nach der Enthüllung der Wuhan-Verschwörung von einer Mitarbeiterin abmoderieren lassen. Sie weise "den Vorwurf einer Vertuschung von Erkenntnissen über den Ursprung des Coronavirus gegenüber der deutschen Öffentlichkeit zurück", ließ die 70-Jährige bestellen. Der ihr vom "Tagesspiegel" als "Frage formulierte Vorwurf" sei nicht zutreffend. Merkel sehe sich "zudem außerstande, sich zu der Sache selbst zu äußern".
Ein echtes Merkel-Manöver
Ein echtes Merkel-Manöver, das politische Kommunikation wie ein Versteckspiel betreibt. Auf den Vorwurf, sie habe vertuscht, bestreitet sie nur das Wort, nicht den Vorgang. Geheime Informationen geheimzuhalten, ist natürlich kein Vertuschen. Auf die Frage, ob sie etwas "sagen könne zum Vorwurf, das Kanzleramt habe unter ihrer Führung relevante Informationen vor der Öffentlichkeit" verborgen gehalten, antwortet die frühere CDU-Vorsitzende, sie sehe sich "außerstande, sich zur Sache selbst zu äußern".
Das ist kein Dementi, sondern eine Bestätigung, zudem eine, die ohne jede inhaltliche Begründung auskommt: Ist Merkel krank? Erkältet vielleicht? Kann sie nicht sprechen? Oder bedroht sie jemand mit einem empfindlichen Übel, um sie an einer Aussage zu hindern? In Kenntnis der Spitzfindigkeiten, auf die Merkel immer vertraut hat, lässt sich aus den kargen Sätzen ihrer Reaktion einiges herauslesen. Merkel manövert im Merkelischen: Sie lässt ihr Büro "darauf hinweisen", "dass Sie sich zur Beantwortung Ihrer Sachfragen an das Bundeskanzleramt wenden mögen, da amtliche Unterlagen aus der Amtszeit der Bundeskanzlerin a. D. im Bundeskanzleramt veraktet sind, nicht im Büro der Bundeskanzlerin a. D.".
Eine Bürokratiepapierrakete, die ungefragt aufsteigt und erkennen lässt, dass der Vorwurf des FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki zutreffen ist, die Bundesregierung habe "die deutsche Öffentlichkeit im Ungewissen gelassen".
Außerstande zu Äußerungen
Im Ungewissen lassen ist nicht verboten. Nicht allen alles sagen kein Verbrechen. Bürgerinnen und Bürger haben kein Recht, nicht hinter die Fichte geführt zu werden. wer nicht glauben wollte, was gesagt wurde, musste ja meint nicht unbedingt.
Wie Merkel immer darauf beharrt hat, sie habe die Grenzen 2015 nicht geöffnet, sondern nur eben nicht geschlossen, bestreitet sie jetzt weder den Geheimdienstbericht zum Ursprung von Corona noch ihre frühe Kenntnis darüber, dass der BND es schon 2020 für wahrscheinlich hielt, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die Ursache der weltweiten Corona-Pandemie mit sieben Millionen Toten gewesen ist. Nur etwa dazu zu sagen, sieht sie sich "außerstande".
1 Kommentar:
So lange Merkel keinen klaren Trend in den Leitartikeln sieht, kann sie gar nichts sagen. Das war immer ihr Prinzip.
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