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Die innere Mobilmachung läuft an allen Fronten. |
Er trägt mittlerweile einen unmilitärischen Stoppelbart und die feinen dunkelblauen Anzüge der Demokratiemanager. Doch tief im Herzen ist Manfred Weber der geblieben, der er vor Jahrzehnten geworden war, als er Neuburg an der Donau seinen Wehrdienst ableistete. Auf dem Fliegerhorst Neuburg diente Weber beim Jagdgeschwader 74 der Luftwaffe, das den Luftraum über Deutschland nicht irgendwie und aus irgendeinem Grund, sondern "im Auftrag der NATO" schützt. An 365 Tagen im Jahr stellt die Einheit rund um die Uhr zwei Eurofighter als sogenannte Alarmrotte.
Im hochagilen Luftüberlegenheitsjäger
Das Anfang der 80er Jahre eigentlich als "hochagiler Luftüberlegenheitsjäger" (Luftwaffe) gegen die Bedrohung durch den Warschauer Pakt entwickelte Flugzeug wurde von der Weltgeschichte überholt. Als es vor 30 Jahren endlich fertig war, musste es an seine neue Aufgabe als Mehrzweckkampfflugzeug angepasst werden. Manfred Weber war dabei, Manfred Weber hat als einer von ganz, ganz wenigen führenden deutschen Politiker*innen selbst unter einer Dienstmütze hervorgeschaut und gesehen, wie die mächtigen Vögel abheben und mit Hilfe eines Kerosinverbrauchs von 3.500 Litern pro Stunde Kosten von 61.000 Euro je Einsatzstunde produzieren.
Eine runde Milliarde kostet der Alarmrottenbetrieb in Neuburg an der Donau, Nebenkosten nicht mitgerechnet. Geld, das einem guten Zweck dient, der künftig noch besser werden soll: Mit den Wehrwille-Beschlüssen des scheidenden Bundestages erfüllt sich ein Traum, den Manfred Weber schon lange träumt, bis vor kurzem aber geheimgehalten hat.
Konsequent gegen Kriegstreiberei
Der "Bayer für Europa" (Weber über Weber), vor Jahren erfolgreicher Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei bei der Wahl zum EU-Parlament, hatte lange auf die "die Bruderschaft und den Frieden zwischen den Nationen" (Weber) gesetzt. Für seinen konsequenten Einsatz gegen Kriegstreiberei, Gewalt und Nazismus hatte er im Wahlkampf 2019 sogar den Mutmacher-Orden erhalten, der nur auf dem Kontinent vergeben wird, der vom Nobelpreis-Komitee bereits als Friedens-Erdteil ausgezeichnet wurde.
Es war die russische Bedrohung, die Manfred Weber seit kurzem die Kraft gibt, die lauen Friedenspredigten und das Gerede von Völkerfreundschaft und "Digitalisierung, Demografie, Wirtschaftsentwicklung, Migration oder zum Klimawandel" hinter sich zu lassen. Drei Jahre nach dem Einmarsch der Russen ins Nachbarland Ukraine ist der kernige heute als Partei- und Fraktionsvorsitzender des in Brüssel eingetragenen Vereins EVP dienende Niederbayer zu neuen Schlüssen gekommen.
Es brauchte nur ein Signal aus Amerika. Und vorbei war es mit Friedensgebeten, Eiapopeia und Appeasement. Statt dieser seiner vielen früheren Schwerpunkte hat sich der 52-Jährige in den zurückliegenden Wochen und Tagen in höchster Eile als strammer Verteidigungspolitiker neu erfunden. Niemand will und niemand kann noch zurückstehen mit Maximalforderungen, der in Europa oder daheim in Deutschland noch etwas werden möchte.
Gnatz beiseite
Manfred Weber, der immer noch daran leidet, wie ihn seine Partei nach seinem Wahlsieg von 2019 aus dem bereits gewonnenen Rennen um den EU-Kommissionsvorsitz nahm, tritt neuerdings ausschließlich als Hardliner auf: Das "Denken in Europa" müsse auf "Kriegswirtschaft umgestellt" werden. Europa brauche zudem einen "europäischen Generalstabschef", von dem Weber hofft, er müsse dann vor einem Einsatzbefehl für deutschen Truppen nicht mehr im Bundestag um Genehmigung bitten. Der Inhaber des neuen Posten solle seiner Ansicht nach "die aufgerüsteten nationalen Armeen befehligen und klare Ansagen bei der Beschaffung machen können", verlangt der EVP-Fraktionschef, dem die Bestimmung der deutschen Verfassung, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, schwer im Magen liegt.
Weg mit der Parlamentsarmee
Afuego! Weg damit! Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wussten es nicht besser, als sie jeden Einsatz deutscher Streitkräfte für immer unter den Vorbehalt der Zustimmung einer Parlamentsmehrheit zu stellen versuchten. Weber schon! Wie vor ihm Juncker, Schulz und die - nach ihrer Rückkehr nach Brüssel vollkommen von der Bildfläche verstummte - "starke Stimmm" Katarina Barley sieht er Europas Heere unter einem Marschallsstab gen Moskau ziehen. Eine mächtige Streitmacht, gelenkt, je nach Datum des Kriegsausbruches, von einem Griechen, einem Dänen, einem Franzosen oder Malteser. Der Oberbefehl, das hat auch der Philosoph Herfried Münkler bestätigt, muss regelmäßig wechseln, "vielleicht jedes Jahr oder aller halben".
Immerhin dreimal pro Jahrhundert wäre ein Deutscher Herr über den roten Knopf, ausreichend allemal, hat doch Münkler selbst etwa die Wehrpflicht zu einer "Institution für Nostalgiker" erklärt. Der stets umkultete "Staatsbürger in Uniform", so Münkler, werden mythisiert, sein Einsatz verschwende wertvolle Ressourcen. Es könne nicht sein, dass Männer in ihren produktivsten Jahren "ein Jahr herumgammeln", wo doch "der Soldat der Zukunft multifunktionaler sein wird, er muss mehr können, es werden höhere intellektuelle Kompetenzen abverlangt", wie der ungediente Professor für politische Theorie sicher war, ehe sein "Glaube an den Fortschritt zerfiele".
Offene Kasernentore
Bei Manfred Weber rennt er da offene Kasernentore ein. Deutschland, das eu steht für EU, braucht nicht nur Kanonenfutter und einem einheitlichen Befehl, sondern Frauen und Männer, die im backoffice Patronen stopfen, Panzer polieren und der neuen europäischen Befehlslage folgend Ersatzprogramme für Microsofts Windows, für Linix, Android und all den anderen kill-switch-verseuchten Amikram schreiben. Das nächste Google wird aus Guben kommen, das nächste Starlink aus Saarbrücken und der erste Fusionsreaktor wird am Frankfuter Hauptbahnhof stehen. So ist der Plan.
Für die Zehntausenden an neuen, hochausgebildeten Arbeitslosen hat Weber gute, aber auch schlechte Nachrichten. Sie werden bald neue Jobs in den Panzerfabriken, an den Fließbändern der Produktionsstätten für Artilleriegeschossen und überall dort, wo Kugellager, Schmiermittel und Uniformen für den Fronteinsatz hergestellt werden. Aber der hohe Bedarf an Rüstungsgütern, daraus hat Weber kein Hehl gemacht, "kann auch bedeuten, dass künftig am Wochenende im Schichtsystem gearbeitet" werde.
Geistige Kriegsbereitschaft
Die geistige Bereitschaft wird bereits hergestellt. Von ARD über ZDF bis hin zu den privatkapitalistischen Medienheuschrecken und den Parteiorganen überbieten sich die Redaktionen im Bemühen, mit farbigen, leidenschaftlichen und gefühlvollen Reportagen, Berichten und packenden Porträts ein Klima zu schaffen, das eine gewisse Kriegslust erzeugt. Es gibt Filme darüber, wie frühere Kriegsdienstverweigerer sich angesichts der neuen Lage als Reservisten bei der Bundeswehr verpflichten. Es gibt Straßenumfragen, bei denen die Teilnehmer es für unumgänglich halten, alle verfügbaren Jungen und Mädchen im kriegstüchtigen Alter zum Ehrendienst an der Waffe einzuziehen.
Die Beschwörung der Zeitenwende, die dieser Erzählung nach auf einen Märztag in Washington datiert, an dem der große Bruder all seinen kleinen verriet, hat ein Europa, das sich durch drei Kriegsjahre selbst erzählte, dass die Ukraine sehr weit weg ist, in eins verwandelt, vor dessen Tür "der Russe steht", wie der erfahrene Gesundheitspolitiker Jens Spahn festgestellt hat.
Angriffslustige Opis
Jener Russe ist im Durchschnitt 40 Jahre alt, seine Anzahl wird in den kommenden 50 Jahren von 140 auf nurmehr knapp über 100 Millionen Köpfe sinken, während das durchschnittliche Lebensalter seiner Männer auf mehr als 50 Jahre steigt. Der Russe ist damit auf Augenhöhe mit der Bundeswehr: Deren Soldaten sind heute im Durchschnitt so alt wie der russische Mann an sich, näher am Ruhestand als am Hurra. Doch das ist kein Grund zur Beruhigung, sondern eine Warnung. Adolf Hitler war 50, als er seinen Weltkrieg startete.
Ehe Amerikaner und Russen gemeinsam einen Frieden schließen, dem kein Europäer trauen kann, heißt es, "kriegstüchtig" zu werden, bevor Russland angreift, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius gefordert hat. Die Front müsse stehen, bevor russische Truppen in "Polen und dann in Brandenburg" einmarschieren, warnte Annalena Baerbock im Wahlkampf vor einer Rückkehr der Sibirier, Tschetschenen und Tataren in ihren Wahlkreis.
Mediale Aufrüstung
Die mentale mediale Aufrüstung mit Nachrichten aus einer Hand und in einem Ton, eingeübt in den Jahren der Pandemie, klappt hervorragend: Obwohl sich nicht einmal 700 Verweigerer jetzt entschlossen haben, Volk und Vaterland doch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, liefern sie die Schlagzeilen.
Nicht ehemalige Bundeswehrsoldaten, die nachträglich verweigern und aus der Bundeswehr ausscheiden. Deren Zahl ist bedeutend größer, sie steigt seit Beginn des Ukrainekrieges auch stabil an. Aus 142 spätverweigernden Soldaten im Jahr 2020 wurden im vergangenen Jahr 2.998. Ein Vervierzehnfachung, die von wachsender Wehrunlust erzählt und erklärt, weshalb die Personalstärke der Bundeswehr weiter schrumpfte, obwohl die Politik Staat, Gesellschaft und Medien schon länger konsequent darauf orientiert, mehr Soldaten und Offiziere für die anstehenden Fronteinsätze zu gewinnen.
3 Kommentare:
Das ist schön wie schnell und unkompliziert man die öffentliche Meinung (wieder) in kurzer Zeit umdrehen konnte. Plötzlich werden die Rüstungsmultis der Seite des Lichts zugerechnet. Wie sich das mit dem Ziel der Deindustrialisierung verträgt, ist mit aber schleierhaft.
hauptsache, irgendwas ist immer
Manfred Weber - sieht ein büschen so aus, als ob er in Wirklichkeit Moses Wajnschtajn hieße ...
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