Mittwoch, 19. März 2025

Schweinsgalopp in den Schuldenstaat: Er hat gar nicht gebohrt!

16.06 war alles vorbei. Deutschland hat bewiesen, dass auch eine Demokratie schnell und autokratisch arbeiten kann.

Auf den letzten Metern war es kurzer, gar nicht epischer Prozess. Das lange Palaver war endlich vorbei, die Akklamationen, die Schuldzuweisungen, lange Listen von vergeblichen Anrufungen der Vernunft. Der alte Bundestag kam in der letzten halben Stunde seiner Existenz zur Sache. Nicht einmal eine halbe Stunde dauerte es, dann hatten 513 Parlamentarier dem Ansinnen von CDU, CSU, SPD und Grünen zugestimmt. Das Grundgesetz wird nach Tagesbedarf geändert, wieder einmal. Genauso wichtig und unabdingbar, wie es 14 Jahre zuvor gewesen war, die Schuldenbremse zum Schutz künftiger Generationen in die Grundlage allen politischen Handelns aufzunehmen, so wichtig und unabdingbar erscheint es nun, sie wieder zu streichen.

Der Klimakanzler

Zugleich bekommt die Klimaneutralität bis 2045 Verfassungsrang, eine Geste des neuen Kanzlers Friedrich Merz an die Grünen wie die 500 Milliarden Infrastrukturschulden eine an die SPD sind. Mögen auch Konservative, Liberale und Rechtsstaatsfanatiker toben. Merz weiß genau, dass zwischen Schuldenbremse ins Grundgesetz und Schuldenbremse wieder raus nur anderthalb Jahrzehnte lagen. Warum also sollte, wenn es so weit ist, nicht eine andere Koalition aus anderen Gründen zum Schluss kommen, dass Klimaneutralität dem Land schadet, den Fortschritt behindert und umgehend reformiert gehört.

Bis dahin warten goldene Zeiten zumindest auf die, die den inzwischen einhellig und zuverlässig als "Sondervermögen" bezeichneten neuen Schuldenberg nicht werden mit abtragen müssen. Wer heute älter ist als 50 dürfte allenfalls noch den Bademantelgürtel im Pflegeheim enger ziehen müssen, wenn die Tage der Abrechnungen kommen. Er muss sich keine Sorgen machen. 

Wer jünger ist als 30, macht sich keine, weil sie bei Tiktok kaum etwas über den neuentdeckten Billionenschatz erzählen. Das "Klimaschutz" jetzt im Grundgesetz steht, wie die Grünen behaupten, doer doch nicht, wie Merz versichert, ist das geringste Problem. Im schlimmsten Fall werden Planungsverfahren noch komplizierter, auf die vielen bürokratischen schichten kommt noch eine drauf und auf die Bürger weitere Abgaben und Verbote zu. Für die Wirtschaft wird es nicht leichter. Aber die ist ohnehin auf dem Rückzug.

Über die Angst ins Amt

Friedrich Merz hat ganz offensichtlich alles richtig gemacht. Die Wahl gewonnen, weil er versprochen hat, keinesfalls zu tun, was er jetzt getan hat. Den erstbesten Anlass beim Schopf gepackt, eine Welle an Aufregung und Angst zu erzeugen, die den seit drei Jahren laufenden Stellungskrieg in der Ukraine in eine plötzlich sehr akute Bedrohung der deutschen Grenzen zu Wasser, zu Lande, in der Luft und im Cyberraum verwandelte. Sich mit der SPD eilig auf ein quid pro quo zu beiderseitigem Nutzen einige: Ihr die Milliarden für Helikoptergeld, ich die Milliarden, die den Amerikanern zeigen, dass wehrwillig sind. Und uns beiden die finanzielle Grundlage für vier Regierungsjahre voller hochfliegender Pläne, die nicht wieder an der monetären Wirklichkeit zerschellen.

Was ist dieser Mann zuvor angegangen worden. Die Sozialdemokraten haben verlacht, die Rechtsextremen haben ihn verhöhnt, die Grünen haben ihn angegriffen und die Liberalen haben öffentlich behauptet, er rede nur so, werde aber nach der Wahl das genaue Gegenteil dessen tun, was er versprochen habe. Friedrich Merz hat keine einfachen Monate hinter sich. Aus dem Plan, die AfD zu halbieren, wurde ein Konjunkturprogramm für die AfD. 

Alles ging schief, bis zum Triumph

Aus der Absicht, mal richtig rechts zu blinken, um in Sachsen, Thüringen und beim rechten Rand im Westen zu punkten, eine Reanimationsübung für die Linkspartei. Alles schien schiefzugehen. Selbst die Strategie, die SPD mit der Drohung einer AfD-Mehrheit bei der nächsten Bundestagswahl zu zwingen, alles mitzumachen, verfing nicht, nachdem die deutsche Sozialdemokratie begriffen hatte, dass es ohne sie gar keinen Kanzler Friedrich Merz geben würde.

Es erscheint fast wie das Wunder, das aus der blassen grünen Fraktionschefin Katharina Dröge den neuen Star der früheren Öko-Partei machte, dass Merz drei Wochen nach dem Wahltag mit den ernüchternden 22,6 Prozent als strahlender Sieger auf der Bühne steht. Die Schlacht um die Billion hat er gewonnen, aber nicht nur sie - mit einem Schlag ist Friedrich Merz einer der stärksten Kanzler, die Deutschland je gehabt hat, denn neben den Abgeordneten der Union und denen der SPD darf er künftig  zuverlässig auch auf die der Grünen zählen.

Durchmarsch zur Macht

Kaum jemand hatte der so trocken und kantig wirkenden Münsterländer einen solchen Durchmarsch zur Macht zugetraut. Noch vor einigen Wochen hätten es die meisten Beobachter für vollkommen unmöglich gehalten, dass ein Kanzleramtsanwärter es wagt, sich eines bereits aufgelösten Bundestages zu bedienen, um seiner anvisierten Koalition mit der alten Mehrheit die unbegrenzten Mittel zu beschaffen, die er brauchen wird, um Chancen zu haben, die rechte Konkurrenz auch 2029 noch einmal zu schlagen. Merz weiß, dass es dann wohl noch knapper werden wird. Er weiß aber auch, dass ihm die Grünen dann zur Not an den Kabinettstisch folgen werden. 

Der Plan aber sieht anders aus und das nicht erst seit kurzem. Bereits während des langen und eine lange Zeit langweiligen Wahlkampfes konnte Friedrich Merz absehen, dass er in eine Situation hineinsteuerte, in der er einerseits keinen Ausweg finden würde aus dem, was er den Wählerinnen und Wählern versprochen hatte. Andererseits aber auch keinesfalls würde irgendetwas davon liefern können. Seine Vision eines Landes, das weiter emsig spart, aber zugleich auch mächtig investiert und den Bürgern mehr von ihrem Geld lässt, war mathematisch von Anfang gewagt. Bei zwei Prozent Zinsen und einem Wachstum von unter Null bleibt auch rechnerisch kein Spielraum zur Verteilung von irgendetwas.

In die Vollen

Aber Friedrich Merz hat das Beste daraus gemacht. Während ihn schon vorsorglich alle der Lüge bezichtigten, des Wählerbetruges und Wortbrüchigkeit, beschloss der 69-Jährige, nicht einfach nur zu tun, was ihm prophylaktisch vorgeworfen wurde. Sondern dabei in die Vollen zu gehen: Das Merz-Paket erlegt künftigen Generationen eine neue finanzielle Last auf, die bei einem Drittel der Gesamtverschuldung liegt, die alle 24 bisherigen Bundesregierungen in den 76 Jahren zuvor aufgehäuft hatten.

Wenn schon, denn schon, oder wie Merz*' künftiger Verteidigungsminister Boris Pistorius im Bundestag sagte: "Bedrohungslage fragt nicht nach Kassenlage" und wenn gestern noch 100 Milliarden reichten, eine Zeitenwende zu finanzieren, dann gibt es eben die nächste und in der müssen es 500 Milliarden sein, mit atmendem Deckel je nach Bedarf.

Raffinierter als Friedrich Merz hat seinen Start ins Amt noch kein Kanzler inszeniert. Angesichts der Umstände, die ihn ohnehin zum Wortbruch gezwungen hätten, weil die SPD als einzige möglicher Regierungspartner seit Jahren genauso intensiv und leidenschaftlich vom Ende der Schuldenbremse träumt wie in den Jahren zuvor vom Ende von Hartz-4, gab es zum Umfallen vor aller Augen keine Alternative für den Christdemokraten. Niemals, das hat die SPD bei Hartz-4 bewiesen, wird die frühere Arbeiterpartei eine als störend empfundene Regel nicht über Bord werfen, nur weil sie selbst es war, die sie erfunden hat. 

Schach ohne Figuren

Und so musste Merz. Und so machte Merz. Politik ist wie Schach spielen ohne Figuren, andere sagen wie Halma ohne Brett. Hier ist es wie Kurs halten ohne Karte, ein Schweinsgalopp in den Schuldenstaat, aber nicht verdruckst und kleinlaut, wie es die Vorgänger mit ihrem sorgsam versteckten Altvermögen aus Merkelzeiten versucht hatten. Friedrich Merz spielt mit offenen Karten, ein Grand ouvert mit einem Uno-Blatt. Andere Varianten, wie zur großen Kriegskrise, zur Wirtschaftskrise, zur Klimakrise und zur Krise des westlichen Bündnisses nicht auch noch eine Staatskrise hätten kommen sollen, gab es nicht. Das war Merzens einziger Trumpf. Und er stach.

Wieder einmal zahlte sich aus, dass  Deutschland Politik aus einer Hand anbieten kann. Das gewagte Manöver, die scheidenden Bundestagsabgeordneten um einen letzten Dienst am Vaterland anzugehen, mag moralisch verwerflich und für die Glaubwürdigkeit der deutschen Politik langfristig verheerend sein. Für den Moment aber stand das Bundesverfassungsgericht genau dort, wo die Parteien der demokratischen Mitte es über ihr traditionelles Besetzungskarussell hingestellt haben.

Klagen ergebnislos

Die ersten Klagen gegen den Aufstand der alten parlamentarische Macht gegen die neue wischten die Karlsruher Richter noch mit Formalien vom Tisch. Weitere Einwendungen wegen der Verletzung von Abgeordnetenrechten durch die angesichts der Tragweite der Entscheidung viel zu kurze Beratungszeit fielen durch, weil "eine einstweilige Anordnung, die eine Beschlussfassung zum vorgesehenen Zeitpunkt untersagt, nicht eine Entschleunigung, sondern voraussichtlich die endgültige Verhinderung der Beschlussfassung zur Folge" gehabt hätte. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann der alte Bundestag ab dem 31. Tag nach der Wahl nicht mehr tagen. Zwar hat der Wähler inzwischen einen neuen bestimmt, der aber so falsch, dass er für den geforderten Zweck nicht taugen würde. 

In diesem Zwiespalt hat das Bundesverfassungsgericht die Tür aufgemacht und die Rechte der Abgeordnetengeneration gesichert, auf die sich Friedrich Merz verlassen kann. Zurückstehen mussten dagegen die der neuen Abgeordneten, die nicht so abgestimmt hätten, wie es das Land jetzt braucht. 

Hoffen auf ein Strohfeuer

200 der Parlamentarier kann niemand mehr haftbar machen, sie sind abgewählt und mit dem letzten Abschiedsgruß von Parlamentspräsidentin Bärbel Bas um 16.06 Uhr Privatleute. Alle übrigen, die geholfen haben, die Grundgesetzänderung auf den letzten Pfiff durchzudrücken, hoffen jetzt, dass Frierich Merz recht behält und  nach einigen Monaten oder eher Jahren Planungsvorlauf ein Wachstumsgewitter losbricht, das alle Zweifel wegspült, ob es richtig und demokratisch war, eine so weitreichende Veränderung ohne Debatte, ohne tiefgründigen Meinungsstreit und sogar ohne jede Erwähnung im Wahlkampf oder einem der Wahlduelle handstreichartig durchzudrücken.


1 Kommentar:

Trumpeltier hat gesagt…

Keine Panik.

80% der Buntesbürgen, die sicherlich nicht alle nur von sozialstaatlichen Segnungen leben, haben doch kürzlich erneut an den Urnen verlangt, dass die lustig kostümierten Schnatteräffchen im Halbrund der Berliner Zirkusarena weiter rumturnen können! Dieses alberne Theaterprogramm durch seine Steuern auf Arbeit zu bezahlen, ist für einen grenzenlos weltoffenen Michel nämlich das höchste Sklavenvergnügen.

Nach erfolgreicher Kriegsertüchtigung durch den Blankoscheck für die Rüstung wird sich das Schuldenproblem nach einem eneuten Endsiegversuch aber wohl von ganz allein erledigen. Heutige Atombomben haben nämlich einen kaum vorstellbaren Radius der totalen Zerstörung von bis zu 50 Km, und auch der Rest des erneut militant säbelrasselnden Piefkereiches wird unbewohnbar werden, weil es ohne sauberes Trinkwasser nach wenigenTagen für alle Westwerte-Helden auch ohne Ramboselfies vorbei sein dürfte.

Der sogenannte Furor Teutonicus wird an seinem bekloppten Größenwahn erneut elend verrecken. Und die neue Alman-Wüste in Kombination mit Klimaerhitzung wird zukünftigen Migranten aus dem Gkutofen-Orient in 1000 Jahren sicher gut gefallen, weil die gegen Heimweh helfen wird.

Nachhaltig also recht erfreuliche Zukunftsaussichten.