Dienstag, 11. März 2025

Lizenz zum Töten: Umarmungen für den Schweinehund

Vorfreude, schönste Freude.

So richtig kein Terrorist ist Abu Mohammed al-Jawlani natürlich nicht. Zwar trägt der neue Führer des freien Syrien einen neuen Namen und einen schicken Anzug, aber wegen seiner der blutigen Unterwäsche wird er immer noch gesucht. Ahmed al-Scharaa, Gründer und Anführer der islamistischen Terrorarmee Jabhat al-Nusrah, hat nach gewaltsamen Übernahme der Macht in Syrien schnell bewiesen, dass er wendig und handhabbar ist.

Kein Handschlag reicht

Als ihm die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock die Aufwartung machte, gab es zwar keinen Handschlag im Sinne der feministischen Außenpolitik. Aber viel gegenseitigen Respekt und freundliches Lächeln zwischen dem Terroristen und der Feministin. Berührungslos reichte Baerbock dem Terror die Hand und der Terror schüttelte beherzt zurück. Die EU hatte einen mächtigen neuen Verbündeten gewonnen und eine völlig neue Perspektive: Seit die Feinde ihres Feindes Baschar Assad zu Freunden geworden sind, besteht die Aussicht, den seit fast 15 Jahren entsetzt und empört und doch hilflos begleiteten Krisenherd im Nahen Osten endlich loszuwerden.

Dass es besser wird in Syrien, ist nicht wahrscheinlich, dass es schrecklich bleibt, scheint garantiert. Doch der neue Massenmörder ist eben nicht der alte und er bietet damit eine Gelegenheit, sich neu zu orientieren. al-Scharaa ist auch nur ein Schweinehund sein, aber er ist unser Schweinehund und die erste Chance der europäischen Wertegemeinschaft, die Flüchtlingsströmen aus dem Nahen Osten an der Quelle abzudrehen. 

al-Scharaa, der Retter

Kein Ärger mehr mit denen, die fordern, die eigenen Grenzen schließen. Kein Bangen, ob nicht irgendwer in der EU es immer noch besser findet, wenn Deutschland seinen Fachkräftemangel durch Menschenimporte stillt, die sonst bei einem selber hängenbleiben würde. Keine Wahlen mehr, die immer schlimmer ausgehen, je länger der Wunsch unerfüllt bleibt. Nicht einmal einräumen wird man müssen, dass man sich über ein Jahrzehnt lang vollkommen verrannt hatte mit der Ankündigung, man könne zur Not alle Menschen aus aller Welt aufnehmen.

Alles, was es dazu braucht, sind nicht Frieden, Freiheit und Demokratie in Syrien, sondern eine neue Erzählung über die Weltkrise. Genauso wie der bisherige Machthaber Assad zum ultimativ Bösen erklärt worden war, ein Diktator, der aus reiner Mordlust tötete, folterte und sein Land zerstörte, weil er es konnte, ist al-Scharaa, der steckbrieflich gesuchte Islamist, danach nun ein Friedensengel, vernünftig, mit sauberen Fingernägeln und gestutztem Bart. Freundlich ruft er zur Abgabe der Waffen auf. Großmütig hat er Assads Opfer aus dessen Foltergefängnissen befreit.

Der Terrorist in neuer Rolle

Die Rolle, die dem 43-jährigen Gründer der Al-Nusra-Front zugedacht ist, ist klar. Womöglich wird  Syrien unter seinem neuen Kalifen zu einem weiteren islamistischen failed state abstürzen, einem Land, in dem ein Steinzeit-Regime für allgemeine Armut, umfassende Ungerechtigkeit und brutale Unterdrückung sorgt. Die Welt aber, so kalkulieren sie in Berlin, Brüssel, Paris und London, kommt schon seit einem Vierteljahrhundert Jahren ohne irgendwelche konstruktiven Beiträge aus dem ehemals fortschrittlichsten Land des Nahen Ostens aus. Syrien diente spätestens ab 2011 nur noch als abschreckendes Beispiel dafür, was geschieht, wenn es nicht gelingt, eine friedliche Revolution mit Waffengewalt zum Erfolg zu führen. 

Ahmed al-Scharaa hat mit seinen Islamisten, die sich noch während ihres Marsches auf Damaskus in "Rebellen" und "Freiheitskämpfer" verwandelten, bewiesen, wie eine Scheindemokratie weggefegt und ein Kalifat gegründet wird. In Europa hat der Massenmörder sich damit Freunde gemacht, die auch in der Stunde der Not zu ihm halten: Nach der Ermordung von mutmaßlich mindestens 1.000 Andersgläubigen und Andersdenkenden schafften es deutsche Medien, "Massaker" in Anführungsstriche zu setzen und die Bundesregierung reagierte mit einem Aufruf, doch bitte aufzuhören mit dem Schlachten, das vorsichtig mit den Begriffen als "Übergriffe" und "Vorfälle" umschrieben wird. 

Der "Gewaltausbruch", so heißt es später offiziell, sei "zutiefst schockierend". Auf der nach unten offenen Entsetzensskala der internationalen Diplomatie kommt das noch vor "höchst schockierend", aber nach "beunruhigend" und "entsetzlich".

Aufrufe statt Vorwürfe

Die neue Erzählung vom guten Weg, auf dem Syrien sei, seit die Islamisten das Ruder übernommen haben, sie soll nicht gefährdet werden. Die EU-Kommission beklagte denn auch die "die jüngsten Angriffe auf die Truppen der Übergangsregierung in den Küstengebieten Syriens", begangen von "pro-Assad-Elementen", und sie ersparte dem neuen Freund in Damaskus jeden Vorwurf, er und seine inzwischen als "Sicherheitskräfte" bezeichneten Terrorkommandos könnten etwas mit den Massenmorden zu tun haben. 

Während US-Außenminister Marco Rubio die von radikalen Islamisten begangenen Massenmorde an Angehörigen von religiösen und ethnischen Minderheiten als "Massaker" bezeichnete, spricht die EU-Kommission von "Versuchen, die Stabilität und die Aussichten auf einen dauerhaften friedlichen Übergang zu untergraben, der alle Syrer in ihrer Vielfalt einschließt und respektiert". Wichtig sei jetzt die "volle Einhaltung des humanitären Völkerrechts" mahnt die EU, und sie ruft "alle externen Akteure dazu auf, die Souveränität, Einheit und territoriale Integrität Syriens uneingeschränkt zu achten". 

Romantische Rebellen

Gemeint sind nicht die Mordkommandos, die al-Scharaa gegen Alawiten, Kurden, Christen und Drusen in Marsch gesetzt hat. Sondern die angeblich weiterhin Assad-treuen Anhänger des nach Moskau getürmten Diktators. Dessen zurückgebliebene Soldaten hatten die Sicherheitskräfte der neuen Regierung überfallen, illegal, obwohl die völkerrechtliche Legitimität von Assads Armee bis heute zumindest nicht weniger fraglich ist als die von al-Scharaas Terrortruppe.

Deren "Kämpfer" (DPA) machen sich einen Spaß daraus, Hunderte vermeintlicher und echter Gegner ihrer Gewaltherrschaft  zu zwingen, sich kriechend und auf dem Boden windend zur neuen Macht zu bekennen. Deutschland sieht nicht Massaker, sondern "Berichte über Massaker".

Bewährtes System flexibler Moral

Das neue Kalifat entpuppt sich nach nur drei Monaten als ebenso mörderisch und für Alawiten und Christen als noch mörderischer als Assads Schreckensregime. Zum Glück aber verfügt die europäische Wertegemeinschaft auf ein bereits in vielen Krisen bewährtes System flexibler Moral: Wichtig ist nie, was getan wurde, sondern nur von wem. So konnte die Gemeinschaft stets entschieden für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten eintreten, aber genauso entschieden gegen die der Katalanen. 

Es gelang, sich tief und laut in die inneren Angelegenheiten Georgiens und Venezuelas einzumischen, aber empört auf amerikanische Meinungsäußerungen zu deutschen Wahlen zu regieren. Wenn ein Franzose ankündigt, dass die EU die Wahlen in Rumänien rückgängig habe machen müssen, dann ist das gar wunderbar, denn es schützt die Demokratie. Kritisiert ein amerikanischer Vizepräsident diese Art undurchschaubarer Einmischung in demokratische Prozesse, ist das Einmischung in innere Angelegenheiten wie damals in der DDR.

Je nach Nützlichkeit

Selbst Gewalterfahrungen lassen sich dank dieses Mechanismus der mortalitären Moral je nach empfundener Nützlichkeit zur Kenntnis nehmen und mit großer Empörung verurteilen. Oder aber stillschweigend akzeptieren und mit ein paar Sätzen aus dem Baukastensystem der politischen Betroffenheit abmoderieren. Deutschland ist auch hier Vorbild: Über Jahre akzeptierte die Bundesregierung, dass die USA in sogenannten Black sites mit deutscher Unterstützung folterten und dabei nicht einmal davor zurückschreckten, auch deutsche Staatsbürger hochnotpeinlich zu befragen. 

Peinlich war den Verantwortlichen das alles nur, weil es entdeckt wurde. Falsch hingegen war es nicht, denn der einzige in Deutschland wegen Mithilfe verurteilte Politiker durfte später Bundespräsident werden. Warum auch nicht? US-Präsidenten, die die völkerrechtswidrigen Menschenrechtsverletzungen angewiesen hatten, wurden in Deutschland als Staatsgäste empfangen und von hunderttausenden Fans begeistert als Lichtgestalten für die Zukunft der Menschheit gefeiert. 

Folterknechte, die in ihren Namen gehandelt hatten, mussten weder fürchten, vom Internationalen Gerichtshof noch von einem deutschen Gericht angeklagt zu werden. Die Betreffenden hatten das Äquivalent zum Kaperlizenz in der Tasche, mit denen die frühere britische Königin Elisabeth I. ihrem Seeräuber Francis Drake einen Freibrief ausstellte, der ihm erlaubte, ihre Feinde auszunehmen.

Mit dem Weltrechtsprinzip

Assads Handlanger hatten nicht so viel Glück. Sobald sie deutschen Behörden in die Hände fielen, galten weder Tatort-, noch Herkunftsprinzip, sondern das "Weltrechtsprinzip", das Deutschland und Frankreich bei den passenden Gelegenheiten nutzen, um der Welt zu zeigen, dass kein Verbrechen ungesühnt bliebt, außer ein Schweinehund unserer Demokratie hat es begangen. Wer wäre denn Europa und was wären seine Hoffnungen noch wert, würde es jetzt schon weich werden und mit lautem Protest eine harte Linie gegen den Mann fahren, der auserkoren ist, in Damaskus eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise zu organisieren.


9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Habe gehört, dass Assad und Putin Kumpels sind. Länder mit Putinfreunden müssen verwüstet werden, das ist feministisch.

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Solange es dort keinen Luther und kein neues Buch der Bücher gibt, ist ein Neuanfang undenkbar. Die brauchen da einen Heilland als Richt- und Zündschnur. Und Mickey Mouse wird nicht akzeptiert. Jeder Cent ist vergeudet und westliche Hilfe vor Ort verlängert das unsägliche Leid.

Die Anmerkung hat gesagt…

OT, aber auch nicht so ganz.

Michael Klein in seiner gruseligsten Version.

"The Times They Are A-Changin"

Der alte Bob Dylon Song in einer veränderten und besseren Variante [zumindest singt der Leadsänger nicht so grauselig wie Bob Dylan].
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Da schüttelts mir ein Pfund Läuse vom baren Haupte.

Anonym hat gesagt…

" den seit fast 15 Jahren entsetzt und empört und doch hilflos begleiteten Krisenherd im Nahen Osten". Nicht nur begleitet, sondern auch schön geschürt und angeheizt. Und das von Anfang an, genau so wie in Libyen.
Zu Baerbock, wer ukrainischen Nazis in den Hintern kriecht, kann auch mal mit einem Islamisten freundlich Tee trinken.

Anonym hat gesagt…

Michael Klein ist ein gebildeter Mann: Er schreibt "Neanderthaler". Meine automatische Sprachkorrektur will das aber nicht. Ob er auch "Author" schreibt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Die Rechtschreibung seiner Lecker ist aber auch nicht ohne. Wiederum eingeräumt - die der Lecker von Röper ist noch weniger erlabend.

ppq hat gesagt…

@hase aber 9 der 10 ärmsten länder liegen nicht dort

Anonym hat gesagt…

Und Nicolae Ceausescu found his successor ...
War schon ein Depperl. Glaubte, mit seinem büschen Erdöl auch gegen die Amis anstinken zu können. Tel Aviv, so ist das Leben. Der sonst so hochgeschätzte helmut-1 kriegt es fertig, ihm auch noch Geschmack abzugewinnen. Schuldenfrei und so Zeugs ...

Anonym hat gesagt…

Es gibt verschiedene criteria, einen Troll zu erkennen. Eines davon ist, in herrischem Tonfall zu heischen, dass man gefälligst eine ideale Lösung für die in der Tat dampfende Kacke vorlegen möge.
(Dummdreist war der Distelfink, solange, bis er eine fing.)

Anonym hat gesagt…

Der Sänger, der nicht wie Pop Dillon klingt, versucht, wie Dylan zu phrasieren und wie ein junger Shane MacGowan zu klingen, wie auch die Band weitläufig Erben der Pogues zu sein scheinen. Vielleicht klingen dort alle so, ist nicht ganz mein Feld. Warum sie den Kanal von Amnesty International verlinken, können sie aber gerne für sich behalten.