Sonntag, 16. März 2025

Linkspartei und AfD: Zwei allein gegen alle

Merz hält an der schuldenbremse fest.
Einen Politikwechsel hatte Friedrich Merz früh versprochen, einen Politikwechsel hat er eingeleitet: Statt in 100-Milliarden-Schuldenpaketen zu rechnen, steigt seine Bundesregierung sofort mit 500er Paketen ein.

Es bleiben immer noch satte 48 Stunden, um das Ruder noch einmal herumzureißen. Eine letzte Galgenfrist für die Demokratie, eingeräumt vom Grundgesetz und erst kurz vor dem Wochenende noch einmal von der 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt. Angerufen von Linkspartei und AfD, der Brandmauer wegen selbstverständlich nicht gemeinsam, sondern streng getrennt, hatten die Karlsruher Richter auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Grundgesetzänderung durch ein bereits abgewähltes und formal sogar schon aufgelösten Parlament grünes Licht gegeben.

Die Verfassung macht es leicht

"Die Wahlperiode des alten Bundestages wird gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) erst durch den Zusammentritt des neuen Bundestages beendet", heißt es da. Solange das nicht geschehen sei, werde "der alte Bundestag in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht beschränkt". Die Abgewählten können entscheiden, was sie wollen. Sie könnten Gesetze beschließen oder sie aufheben, sie sind sogar befugt, das Grundgesetz zu ändern, selbst wenn sie beschlössen, darin festzuhalten, dass eben jener Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG), der ihre Amtszeit begrenzt, umgehend zu streichen sei.

Abwenden lässt sich diese von den Müttern und Vätern des erst vor 35 Jahren zur deutschen Verfassung erklärten Provisoriums von 1949 Grundgesetzes nur, wenn der neue Bundestag beschließt, sich vor dem erneuten Zusammentreten des alten zu konstituieren. Der Weg dorthin ist denkbar einfach: "Beantragt ein Drittel der Mitglieder des Bundestages dessen Einberufung, ist die Bundestagspräsidentin hierzu nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG verpflichtet", unterstrichen die Verfassungsrichter im Bemühen, den mit dem kleinen Staatsstreich durch CDU, CSU, SPD und Grüne hadernden Oppositionsparteien bei der Hand zu nehmen. 

Die tragende Wand der Schuldenkoalition

Nach allem, was die Verfassungsrichter signalisiert haben, ist der Weg zur Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen einfach, leicht und schnell zu gehen. Die Brandmauer, die die neue ganz große Koalition der Billionenbeschwörer als tragende Wand ihres Schuldengebäudes eingeplant haben, spielt für die Verhinderung der Umsetzung eigentlich keine Rolle. Sie kann stehenbleiben, hoch wie immer. Nicht einmal geheime Kassiber müssen durch die Ritzen geschmuggelt werden, um aus dem Hufeisen der rechtesten und der linkesten Partei im künftigen Parlament eine gemeinsame Front zu schmieden.

Denn die Rechnung der Parteien der demokratischen Mitte, dass AfD und Linkspartei zusammen zwar haben zwar die nötige Anzahl an Sitzen haben, diese Mehrheit aber nicht gemeinsam gegen die demokratische Mitte und deren explodierende Milliardenträume einsetzen können, geht nur auf, wenn die beiden Oppositionsparteien nach den Regieanweisungen der ehemaligen und künftigen Regierungsparteien mitspielen. Die Linke ist danach verpflichtet, niemals zusammen mit den Faschisten und Rechtsextremisten der AfD abzustimmen, weil sie ansonsten alle ihre heiligen Eide brechen würde. 

Kein anderer Zauber gilt im politischen Berlin als verlässlicher bei der Abwehr unerwünschter Aufwallungen an Demokratie. Die Brandmauer spaltet nicht nur nachhaltig, sie ist auch Grundlage der Fortsetzung der bislang bewährten Politik: Statt wagemutige Reformen anzugehen, die kurzfristig schmerzhaft sein würden und die eigene Machtbasis bedrohen, setzt seit 20 Jahren jede neue Regierung auf das alte Rezept, ein weiteres Stück Zukunft zu verpfänden, um den Status Quo wenigstens noch eine Weile weiterfinanzieren zu können.

Nach uns die Sintflut

Nach uns die Sintflut, nach uns die Staatsschuldenkatastrophe. Im Unterschied zu Volkswirtschaften können Schuldenlasten bis Unendliche wachsen und in der Politik gilt schon jemand wie Robert Habeck, der mit einer Ausweitung des Staatsdefizits auf mehr als drei Prozent ein Minus des Bruttoinlandsproduktes von 0,2 Prozent herbeiverschuldet hat, als ökonomisches Genie. Merz zielt nun auf eine Verdopplung plus X, erzeilt werden soll damit ein Wachstum von einem Prozent. Quergerechnet kommt der bei Blackrock geschulte Christdemokrat die Steuerzahler damit günstigstensfalls doppelt so teuer zu wie der Ökosozialist im Kabinett des verbotsverliebten Sozialdemokraten.

Die Hoffnungen im Lager der Mitte, mit diesem vielleicht schon letzten Versuch eines gigantischen Strohfeuers aus neuen Schulden durchzukommen, ist allein wegen der Begeisterung der Medien groß, sondern vor allem wegen der Brandmauer. Linke und AfD könnten den alten Bundestag zusammen aufhalten, theoretisch. Aber praktisch können sie gar nichts nicht zusammen. Und allein können sie noch viel weniger. 

Der leichte Weg

Dabei steht von "gemeinsam" oder "zusammen2"nichts in Artikel 39 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes, der bestimmt, dass der Präsident des Bundestages verpflichtet ist, den Bundestag einzuberufen, "wenn ein Drittel der Mitglieder es verlangen". Mit keiner Silbe ist von einem gemeinsamen Antrag die Rede, nicht einmal von einem durch die betreffenden Mitglieder kollektiv einzureichendem Verlangen oder auch nur einer Pflicht, sich vor dem Antrag zur Einberufung des Bundestages abzustimmen.

Um zu verhindern, was sie erklärtermaßen verhindern wollen, müssten Linkspartei und AfD weder zusammenarbeiten noch gemeinsam auftreten. Die beiden antagonistischen Parteien, die ihre Popularität zu einem Gutteil der rituellen Verteufelung der jeweils anderen verdanken, könnten beruhigt jede auf ihrer Seite der Brandmauer bleiben. Nicht einmal telefonieren müssten Jan van Aken und Ines Schwerdnter mit Alice Weidel und Tino Chrupalla, weil für eine Einberufung des Bundestages durch ein Drittel seiner Mitglieder keine Form vorgegeben ist. 

2016 einzelne Faxe

Die 216 Bundestagsabgeordneten, auf die es die früher teilweise vom Verfassungsschutz beobachtete Linke und die heute vom Verfassungsschutz beobachtete Rechte gemeinsam bringen, könnten jeder für sich ein Fax schicken, eine E-Mail oder einen Brief. Sie könnten ihren Willen, den 21. Bundestag sofort zusammenzurufen, in zwei großen Parteipools gesammelt oder auch in beliebig zusammengestellten Gruppen sammeln und "Verlangen" so an den Bundestagspräsidenten Bärbel Bas richten, den neuen 21. Bundestag umgehend einzuberufen. 

Nach den Buchstaben der Verfassung wäre die Sozialdemokratin, die sich selbst in einer selbstgemachten fantasiereichen Interpretation der Bezeichnung im Grundgesetz gern "Bundestagspräsidentin" nennt, daraufhin "verpflichtet", das neue Parlament zusammenzurufen. Dessen Konstituierung wiederum würde es der Vorgängervolkskammer unmöglich machen, weiter zu amtieren. Der Traum von den Billionenschulden, die in nur zwei Wochen so hoch ausfielen wie in den 20 Jahren zuvor, wäre ausgeträumt. Der anstelle des von Friedrich Merz versprochenen "Politikwechsels" geplante Staatsstreich zur Enteignung kommender Generationen durch einen gehenden Bundestag abgesagt.

Doch die Angst gewinnt

Warum es nicht so kommen wird, liegt auf der Hand. Die Linkspartei, von Friedrich Merz und der antifaschistischen Ampel-Koalition gerade erst vom Totenbett gezerrt, hat letztlich kein Interesse daran, die Schulden nicht möglichst exorbitant zu erhöhen. Gegen die halbe Rüstungsbillion wären die halbbellizistische Pazifistenpartei schon, aber die 500 Infrastrukturmilliarden nähme doch gern. Wie die AfD einfach nur dagegen zu stimmen, weil vermutlich alles besser ist als mit unfassbaren Summen Samen zu kaufen, der anschließend sorgfältig auf einer Stahlplatte ausgesät wird, kann die Linke vermeiden, weil sie die Brandmauer hat, die am Ende doch wichtiger ist als der Versuch, ein Verhängnis zu verhindern, dessen verheerende Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind.

Die Linke weiß, je schlechter es dem Land geht, desto größer sind ihre Chancen, die schlimmen Zustände erfolgreich zu beklagen. Auch die AfD sieht genau an diesem Punkt die Quelle künftiger Stärke. Es muss erst noch viel schlimmer werden, damit es den beiden Randparteien noch besser gehen kann. Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Katharina Dröge, die CDU, die CSU, die SPD und die Grünen, sie legen am kommenden Dienstag den Grundstein dafür. Und die Opposition kann frohlocken: Offizielle waren ihr die Hände gebunden. Inoffiziell haben sie einfach stillgehalten.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jetzt ist die SED an der Reihe.

Anonym hat gesagt…

Mal abgesehen vom Thema "Freundschaft zur Sowjetunion" werden doch grad alle Beschlüsse des XI. Parteitags des SED umgesetzt. Warum soll sich die Linkspartei dagegen sperren?