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Amtliche Gewissheiten sind dazu da, verteidigt zu werden, bis es Zeit ist, klarzustellen, dass sie nie verteidigt worden sind. |
Pünktlich zum Jahrestag war alles anders. Mit einem Schlag stehen eherne Gewissheiten auf dem Spiel, Verantwortliche, die nur versucht hatten, Informationen vor der Bevölkerung zu schützen, sitzen auf einer virtuellen Anklagebank, vorgeführt ausgerechnet von denen, auf die sie sich drei Jahre lang hatten blind verlassen können. Von einem Augenblick zum anderen werden staatliche Behörden als Waffe gegen staatliche Institutionen verwendet. Sensationsgier besiegt die Pflicht zu verantwortungsvoller Berichterstattung über ehemals notwendige und unumgängliche Schritte aus der Pandemie.
Plötzlich soll alles ganz anders gewesen sein. Plötzlich stehen Leugner als Wahrsager da und Warner müssen sich frech fragen lassen, warum sie nicht nur verschwiegen haben, was sie wussten, sondern die, die darüber sprechen wollten, in eine Ecke schoben, wo niemand mehr mit ihnen Kontakt aufnehmen sollte.
Der Medienpsychologe Hans Achtelbuscher forscht seit Jahren an Phänomenen der medialen Demenz, an Großkurskorrekturen bei Gemeinsinnsendern und dem immer wieder auftretenden Effekt des Herdentriebs. Im Gespräch mit PPQ beschreibt der Experte für Sprachregelungsmechanismen, wie sich subkutane Wünsche auf die berichterstattete Realität auswirken - und weshalb der Begriff "Verschwörungserzählung" wichtiger Teil einer Wirklichkeitsbegradigung wurde.
PPQ: Herr Achtelbuscher, lassen Sie uns nicht bei der akut auftretenden Laborthese anfangen, sondern bei Elon Musk.
Achtelbuscher: Das ist immer ein Thema, immer gut. Also bitte. Ich dachte zwar, wir sprechen über Corona und die auf einmal so virulente Laborvermutung, aber mir soll es recht sein.
PPQ: Wir kommen dahin, versprochen. Zuerst aber Musk. Als der Tesla-Chef begann, sich für Donald Trump stark zu machen, war man sich in Deutschland ja weitgehend einig. Als reichster Mann der Welt tat er das, um seinen Reichtum und seinen Einfluss zu mehren, das lag auf der Hand. Auch die Aufgabe bei seinem DOGE-Department sollte diesen Erklärungen nach einzig der Ausweitung der eigenen Macht dienen. Schauen wir im Augenblick aber...
Achtelbuscher: Ha, ich weiß, was Sie meinen. Seit November hat Musk nahezu die Hälfte seines Vermögens verloren. Die Verkaufszahlen bei Tesla sind eingebrochen, die Gegner des erratischen Firmeneigners machen Jagd auf Tesla-Fahrer, es gibt Boykottaufrufe. Sie möchten wissen, wie Musk auf diese Weise seine Macht und seine Vermögen mehrt.
PPQ: Das ist die Frage.
Achtelbuscher: Natürlich gar nicht. Er hat an allem verloren, an Geld, an Ruf, an Bewunderung, die es ja durchaus gab. Und lassen Sie es mich so sagen: Wer sich sehenden Auges als Feldherr in einen solchen kalten Kulturkrieg begibt, der weiß vorher, dass er dafür einen Preis wird zahlen müssen. Denn die Kräfte, mit denen sich Musk da angelegt haben, sind ja nicht weg gewesen, nachdem Trump ins Weiße Haus eingezogen ist. Sie stehen immer noch für fast die Hälfte der Amerikaner, nach dieser epischen Niederlage von Frau Harris konsterniert, aber da kommt eine Figur wie Musk natürlich gerade recht.
PPQ: Als Feindbild?
Achtelbuscher: Als Feindbild, genau. Mit ihm lässt sich mobilisieren, also gegen ihn. Er gibt eine Zielscheibe ab, auf die es sich zu schießen lohnt.
PPQ: Das einzige störende Detail daran ist, dass die Behauptungen, Musk tue das alles, weil er noch mehr Geld und Macht wollte, sich als Fake News herausgestellt haben. Waren denn die, die das behauptet haben, wirklich der Ansicht, das sei das Ziel?
Achtelbuscher: Davon gehe ich aus. Sehen Sie, es ist für einen echten Linken vollkommen außerhalb jeder Vorstellung, dass Menschen etwas tun, ohne daraus selbst einen Nutzen zu ziehen. Die letzten Linken, die ihre Sache um der Sache willen verfolgt haben, waren Marx und mit Abstrichen Friedrich Engels. Danach hat jeder Linke mit dem Ruf nach Freiheit, Sozialismus und Frieden immer die Vorstellung verbunden, dass er dann das Sagen haben werde. Daraus ergibt sich ein Blick auf Typen wie Elon Musk oder Donald Trump, der aus demselben Reflex erklärbar ist. Niemand, der entsprechend sozialisiert ist und sich als echter Linker fühlt, traut Menschen zu, dass sie das, was sie tun, aus innerer Überzeugung tun.
PPQ: Das ist eine böse Unterstellung. Lässt sich das denn belegen?
Achtelbuscher: Diese linke Lesart ist in der Literatur vielmals beschrieben worden. Sie lautet, dass politische Gegner immer hoffen, sich persönliche Vorteile verschaffen zu können, wie man das selbst erhofft. Der reichste Mann kann als nur noch reicher werden wollen und der mächtigste noch mächtiger. Einem Musk zuzutrauen, dass er den Staat verschlanken will, um ihn zukunftsfest zu machen, oder Donald Trump zuzugestehen, dass er den Ukrainekrieg beenden möchte, weil ihm Krieg an sich zuwider ist, ist aus diesem Winkel betrachtet unmöglich. Jede Vorstellung, dass diese beiden aufgrund bestimmter Überlegungen, die nichts mit ihrem privaten Reichtum oder Ihrem privaten Fortkommen zu tun haben , handeln, wie sie handeln, verbietet sich. So denkt ein Linker nicht, weil bei einem Linken stets der Eigennutz im Mittelpunkt steht, wenn er nach Gerechtigkeit und Solidarität ruft.
PPQ: Es handelt sich bei den vorab aufgemachten Vorwürfen also um eine dieser berüchtigten Verschwörungserzählungen?
Achtelbuscher: Sehen Sie, jetzt sind Sie selbst in die Falle gegangen.
PPQ: Falle? Wieso?
Achtelbuscher: Kennen Sie denn die Genese des Begriffes, den Sie eben verwendet haben? Verschwörungserzählung?
PPQ: Sagt man das nicht so?
Achtelbuscher: Heute schon, aber um zu verstehen, worum es sich dabei handelt, müssen wir ein wenig zurückschauen. Sehen Sie, den ,Verschwörungserzählung' gab es vor fünf Jahren ja noch gar nicht. Damals waren das ,Verschwörungstheorien', das war allgemein bekannt, jeder hatte schon einmal eine gehört oder einen großen Kino-Film über die Kennedy-Ermordung oder die Mondlandung gesehen. Das war für viele amüsant, mit dem Gedanken zu spielen, dass hinter der Realität noch eine verborgene zweite Realität stecken könnte, in der die Bilderberger das Schicksal bestimmen und, vielleicht kennen Sie die auch, Echsenmenschen irgendwelche absurden Rituale vollführen, um Chemtrails zu beschwören.
PPQ: Jetzt verharmlosen Sie aber kräftig.
Achtelbuscher: Keineswegs. Bis 2020 war es gesellschaftlicher Konsens, dass es Leute gab, die sich mit dem Gedanken beschäftigten, was denn wäre, wenn nicht Osama Bin Laden die Twin Towers angegriffen hätte, sondern irgendwelche US-Behörden. Spannend! Jeder durfte nahezu ungestört den Kopf schütteln oder sich in seiner Freizeit mit der Brennbarkeit von Stahlträgern beschäftigen. Und jetzt merke ich: Sie haben mich nun genau dorthin manövriert, wo Sie haben wollen.
PPQ: Corona.
Achtelbuscher: Corona. Das ist der Punkt. Mit dem Beginn der Pandemie startete nämlich auch der Versuch, diese harmlosen, nerdigen und verrückten Verschwörungstheorien neu zu deuten. Wer ab März 2020 die berühmten Zweifel äußerte, wie es der Nachrichtensprecher Claus Kleber damals so schön und unverhohlen auf den Punkt bracht, war ein unsicherer Kandidat. Gegen den musste etwas unternommen werden.
PPQ: Um die Verbreitung einzudämmen sicherlich?
Achtelbuscher: Deshalb die Umbenennung von Verschwörungstheorien in Verschwörungserzählungen. Sehen Sie, das war ein aus Sicht der beobachtenden Medienwissenschaft ein zentraler wichtiger Schritt. Denn das Wort Verschwörungstheorie kommentiert sich zu sehr selbst. Es besagt ja, dass es ja nicht, dass es sich um etwas handelt, das die Wahrheit ist. Sondern ausdrücklich, dass wir von einer Theorie sprechen, die so lange richtig sein kann, bis das Gegenteil erwiesen wird oder sie bleibt eine Theorie, die sich nicht beweisen lässt. Oder sie bleibt eine Theorie, die widerlegt werden konnte. Wenn ich jetzt medial gegen eine Verbreitung antreten will, ist eine Theorie ein elender Gegner. Sie entzieht sich, sie glitscht mir weg. Deshalb kam damals von den Experten der Amadeu-Stiftung der Vorschlag, künftig nur noch den Begriff Verschwörungserzählung zu verwenden. Ein sehr kluger und gewitzter Schachzug.
PPQ: Aber ändert das denn etwas daran, dass sich immer wieder Verschwörungserzählungen bestätigen?
Achtelbuscher: Das ist für den dort mit Vehemenz geführten Kampf bedeutungslos. Gelingt es, in der konkreten Situation die Deutungshoheit zu erringen, ist es in der Regel egal, ob sich später herausstellt, dass die eigenen Argumente noch schlechter waren als die der Gegenseite mit ihren Verschwörungstheorien oder Verschwörungsmythen, das war der Begriff, den meiner Kenntnis nach die Bundesworthülsenfabrik in Berlin zur Verwendung freigegeben hatte. Wichtig ist nur, dass das neue Leben für alle Arten von Verschwörungsbehauptungen eine Ausweitung der Kampfzone bis in die misstrauische Mitte ermöglicht, also bis zu denen, die eigentlich ganz treue und folgsame Staatsbürger und Wähler sind, auch Steuerzahler natürlich. Die aber leider auch immer selbst denken, ohne etwas wirklich zu wissen, und dabei manchmal zu Überzeugungen gelangen, die es schwer machen, sie zu regieren.
PPQ: Mit dem neuen Label erweiterte sich also die Zielfläche, so nenne ich es jetzt einmal. Und es ließen sich Menschen beliebig vor den Karren spannen, um eine akut erhöhte Bedrohlichkeit zu attestieren, der aus Behauptungen wie der Laborthese, der angeblich geplanten Impfpflicht oder der Fremdschutzwirkung der Spritzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entsprang?
Achtelbuscher: So ist es. Ich sage ja, eine sehr kluge Strategie aus wissenschaftlicher Sicht.
PPQ: Aber wenn sich nun vieles als unzutreffend herausstellt, sich sogar erweist, dass die Regierung Informationen geheimgehalten hat und wieder besseren Wissens Dinge behauptete, von dene sie wusste, dass sie nicht stimmen, richtet das nicht viel mehr schaden an?
Achtelbuscher: Das würde jeder glauben, der klein denkt. Oh, diese Aufregung jetzt, oh, diese geplötzen Lügen. Wir lesen es ja im Institut immer wieder in den sozialen netzwerken. Aber wenn wir mal kurz zurückschauen auf Elon Musk, der sich da diese unbezahlte Aufgabe des Bürokratieabbaus übergeholfen hat und dafür bezichtet wurde, nur seinen reichtum mehren und Staatsauträge kassieren zu wollen, haben Sie das Ergebnis. Es war falsch, das zu behaupten. Aber das ist selbstverständlich für niemanden, der es behautet hat, ein Grund, zu sagen, genug okay, wir haben uns geirrt, vielleicht tut der das wirklich aus Idealismus, aus einer aus unserer Sicht verqueren Art von Idealismus. Nein, so funktioniert ein linksgepoltes Gehirn nicht. es weiß instinktiv, dass die Verschwörungstheorien, die man sich im eigenen Lager ausdenkt, gut sind, so lange sie nicht widerlegt werden. Danach wird dan einfach nicht mehr darüber gesprochen.
3 Kommentare:
Was direklt ins Auge springt: Wenn man in dem Artikel "links" gegen "rechts" tauscht stimmt der Inhaltlich auch.
Vom Musk gibt es die Anekdote von den Haien und den Walen, die nur einer von vielen Gründen ist, warum er Trump unterstützt beim Lichten des Behördenschungels. Sicher ist es auch Eigennutz, aber auch Gemeinnutzen.
Er erzählt sie selbst. Die Untertitel sind AI-generiert, immer wenn da shock steht, ist shark gemeint.
https://www.youtube.com/watch?v=dkG-UbOBX6M
Gleiche Kaliber sitzen auch in deutschen Behörden zuhauf.
immer wenn da shock steht, ist shark gemeint
Eines von -zig Beispielen dafür, was das Zeug eigentlich taugt.
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