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Niemand hat sie gewählt, keiner hat sie um eine Sparunion gebeten. Ursula von der Leyen tut all das nur, weil sie Gutes tun will. |
Das wird kein Wunschkonzert. Noch in diesem Monat will die EU-Kommissionspräsidentin Pläne vorstellen, wie sie private Ersparnisse in dringend benötigte Investitionen umwandeln kann.
Eine Wahl, so hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits mit ihrer Wortwahl klargemacht, wird niemand haben: "Wir werden", hat sie beim Kurznachrichtendienst X geschrieben, eine Formulierung, die keinen Verhandlungsspielraum und keine Widerspruchsmöglichkeit mehr offenlässt. Die neue Idee der als Verteidigungsministerin in Deutschland gescheiterten CDU-Politikerin zeigt, wie nachhaltig Ursula von der Leyen für einen ganzen Kontinent wirkt. Wie macht sie das? Wie schafft sie das bloß?
Kopfschüttelnd haben viele Europäer vor einem Jahr zur Kenntnis genommen, dass sich Ursula von der Leyen entschlossen hatte, Chefin der EU-Kommission zu bleiben. Längst ist die Tochter eines alten deutschen Politikadelsgeschlechts im Rentenalter. Längst müsste sie müde und erschöpft sein vom ständigen Hinterherhecheln hinter Ereignissen, die ohne Zutun oder trotz des Widerstandes ihrer Kommission geschehen. Die Zahl der schmählichen Niederlagen, die Ursula von der Leyen in ihrer ersten Amtszeit einstecken musste, war noch größer als die, die sie als deutsche Bundesministerin zu schlucken hatte.
Die Königin Europas
Und dennoch. Von der Leyen beschloss, dass es noch nicht genug ist. Sie hatte das Weltklima noch nicht gerettet, ihre Gesundheitsunion war eine kleine, kurze Ankündigung geblieben. Auch das einheitliche Auftreten der EU in außenpolitischen Fragen war ein Traum geblieben, ebenso die EU-Armee, der Wiederaufbau Europas nach Corona und die richtig große eigene EU-Steuer.
Viel zu tun noch für eine, die immer hatte Bundeskanzlerin werden wollen, dann aber wegen einer klitzekleinen Affäre um Beraterverträge schnell außer Landes geschafft werden musste. Die Kommissionspräsidentschaft als Abfindung schien von der Leyen anfangs wie ein Trotzpreis, aber die Christdemokratin, die bis heute den deutschen Rekord für Ministerämter in den meisten Fachressorts hält, fuchste sich gewohnt schnell ein.
Beliebte Spitzenkandidatin
Die Führung eines ganzen Kontinents, daraus lässt sich etwas machen, zu diesem Schluss kam sie vor der EU-Wahl. Ursula von der Leyen teilte ihren Gewährsmännern und -Frauen in der Partei mit, dass sie weitermachen werde, jetzt, wo das Büro im herrschaftlichen Berlaymont-Palast ihren Wünschen gemäß umgebaut ist. Ein Beschluss, der eine Kandidatur zur größten halbdemokratischen Wahl der Welt überflüssig machte. Von der Leyen wollte und von der Leyen wurde.
So viel Macht und Zugriff auf den begehrten Posten hatte vor ihr noch nicht einmal Manfred Weber, der Wahlsieger von 2019, der nach seinem Triumph als Spitzenkandidat ausmanövriert und in eine Abstellkammer abgeschoben worden war.
Was Europa an Ursula von der Leyen hat und wie schwer die siebenfache Mutter des Erdteils zu ersetzen wäre, haben die 440 Millionen Europäerinnen und Europäer seit der erneuten Proklamation der im Familienkreis "Röschen" genannten Archäologin und Ärztin immer wieder erfahren.
Sie hat das Näschen
Von der Leyen hat ein Näschen dafür, wo der Wind her weht. Sie weiß, was zu tun ist, um die EU-Verwaltung weiter auszudehnen, aufzublähen, ihr neue Zuständigkeiten zu besorgen, die mit neuen Verwaltungseinheiten bearbeitet werden können. Sie ist immer ganz vorn dabei, wenn er sich dreht und das von ihr nach dem Vorbild der deutschen Bundesworthülsenfabrik (BWHF) gegründete Europäische Amt für einheitliche Ansagen (AEA) beliefert sie inzwischen zuverlässig mit einem nie abreißenden Strom an Kampfbegriffen, Überschriften und Parolen.
Von der Leyen segelt vor dem Sturm, sie reagiert, als würde sie agieren. Ihr zu danken haben die Menschen in Europa den großen Wiederaufbauplan unter dem Fantasienamen NextGenerationEU und die Transformation unter der Überschrift Green Deal, ihr zu verdanken sind Horizont Europa und InvestEU, Chips Act und AI Act, die Fazilität "Connecting Europe", das Programm React-EU, EU4Health und etwa 3.298 weitere weltweit einmalige Versuche, die Union als treibenden Keil zu etablieren.
Hitler jeder Worthülse
Hinter jeder sinnfreien Worthülse und jeder modisch auf Englisch überschriebenen Schnapsidee steht von der Leyens untrüglicher Instinkt für große Themen, an die man sich hängen muss, will man nicht mit seiner gesamten gewaltigen supranationalen Verwaltung als zusätzliches Hemmnis beim Umgang mit der Weltgeschichte wahrgenommen und beiseitegefegt werden.
Auch beim heraufziehenden Krieg zögerte die frühere deutsche Verteidigungsministerin keine Sekunde. Ursula von der Leyen, der in ihren sechs Jahren als Chefin der deutschen Streitkräfte gelungen war, die Bundeswehr nahezu vollkommen abzurüsten, zauberte noch vor Friedrich Merz und seiner Schuldenunion Milliarden aus dem Blazerärmel, wie es sie zuvor noch nie gegeben hatte. 800 Milliarden wolle sie "mobilisieren", kündigte die Kommissionspräsidentin den Beginn einer "Ära der Wiederaufrüstung" an.
Weg mit den Verträgen
Das vom Amt für einheitliche Ansagen auf "ReARM Europe" getaufte Programm soll der EU neue Zuständigkeiten verschaffen - bisher hat die Kommission keinen Zugriff auf den Verteidigungsbereich. Es soll aber vor allem zeigen, dass sich die Regierung Europas von den demokratisch gewählten Repräsentanten der Mitgliedsländer nicht beiseiteschieben lässt.
Großzügig und ohne dabei Rücksicht auf die völkerrechtlich verbindlichen europäischen Verträge zu nehmen, kündigte Ursula von der Leyen an, dass sie EU die gemeinsam vereinbarten Schuldenregeln "aufweichen" werde und kein Staat mehr fürchten müsse, von ihrer Kommission in ein sogenanntes Defizitverfahren verwickelt zu werden.
Dabei handelt es sich in der Regel um einen sich über zehn bis 15 Jahre hinziehenden Streit zwischen EU-Anwälten und Rechtsvertretern der Staaten, der bisher immer schiedlich beigelegt werden konnte. Noch nie musste ein Mitgliedsstaat wegen missachteter Verschuldungsregeln Strafe bezahlen. Das soll nun so bleiben, aber offiziell, Ursula von der Leyen verzichtet darauf, Strafen zu verhängen, wenn Staaten ihr Geld in die Rüstung stecken.
Das Geld der anderen
Eigenes Geld für Rüstung hat die EU nicht, aber sie hat es ihre Experten ausrechnen lassen: Wenn die Mitgliedsstaaten zusätzlich anderthalb Prozent ihrer Wirtschaftsleistung investierten, "könnten innerhalb von vier Jahren bis zu 650 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben locker gemacht werden" (Tagesschau).
Auf die 800 Milliarden kommt von der Leyen mit Hilfe eines Tricks, den sie in jeder Krise zuverlässig ausspielt: Fonds im Umfang von 150 Milliarden Euro, "abgesichert" durch den notorisch klammen EU-Haushalt, könnten eine Art Booster für mehr Bomben, Raketen und Infanterieregimenter werden.
Leere Kassen aber marschieren nicht gern und deshalb sehen die "detaillierten Legislativvorschläge" der Kommissionspräsidentin seit einigen Tagen einen ganz besonderen Schritt vor: Um „private Ersparnisse in dringend benötigte Investitionen umwandeln" ist die Kommission gewillt, eine "Europäische Spar- und Investitionsunion" voranzutreiben, die über eine zentral von der EU vorgenommene "einheitliche Aufsicht auf den Kapitalmärkten" den Zugriff auf private Sparvermögen erlaubt, um sie zur Finanzierung der Rüstungsanstrengungen zu nutzen.
Gier nach Geld
Das zentrale Argument der Kommission sind die zehn Billionen Euro an privaten Ersparnissen, die EU-weit derzeit noch auf Sparkonten geparkt sind, statt in neue Panzerfabriken, Drohnenlabore und das zuletzt still und unauffällig gescheiterte Munitionsproduktionsproramm der EU investiert zu werden.
Ursula von der Leyen wird am 19. März ein "Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung" vorlegen, eine Überraschung auch für den Europäischen Rat der Staatschefs, die an den Tagen darauf tagen und kaum anders werden reagieren können, als den Plänen ihre Zustimmung zu geben.
Um zu einem gültigen Beschluss zu kommen, sieht Ursula von der Leyen ein sogenanntes "Omnibus-Vereinfachungspaket" vor. Dabei handelt es sich um ein aufgebohrtes herkömmliches Omnibus-Verfahren, mit dem normalerweise umstrittene Gesetze und Neuregeln unauffällig durch Beschlussgremien geschleust werden.
Leben in einer eigenen Welt
Dieses neue und experimentelle "Omnisbus-Vereinfachungspaket" ist bisher noch nie und nirgendwo von niemandem angewendet worden. Aber Ursula von der Leyen hat eines klargestellt, ungeachtet des Ersten und des Zweiten Weltkrieges: "Wir leben in der bedeutsamsten und gefährlichsten Zeit". Und die erfordert zwingend "ein neues Gleichgewicht zwischen der Aufsichtsverantwortung auf EU- und nationaler Ebene", um mit Kapitalunion und digitalem Euro an das Geld der Europäer zu gelangen.
3 Kommentare:
Leyen: Wir leben in der bedeutsamsten und gefährlichsten Zeit.
Mit so einem Opener fühlt man sich automatisch auch am bedeutsamsten. Gut für das Megalomanenego.
Die gleiche, die zusammen mit Angela der Unsäglichen alle Verteidigungsfähigkeit zertrampelt und Gegenstimmen lächerlich gemacht und denunziert hat, wie immer an der Spitze der tagesaktuellen Bewegung.
Fo*zen Fritz hatte diese fiese Idee als Erster! Rangeleien innerhalb der CDU, das geht ja garnich. Und Fritze will ja nur 10% der Rücklagen des deutschen Steuermichels/michelinen(vorläufig). Wer also darf sich am Ersparten des Prekariats sanieren? Die richtig reichen schaffen ihren Mammon immer rechtzeitig in den Park unter die Bank. Und damit meine ich nicht die popeligen Millionäre.
OT bekannter IT-Blogger und Politpundit verherrlicht Donald Trump:
Trump scheißt auf die Gerichte und schiebt einfach trotzdem ab.
Jawohl, meine Herren, so haben wir es gern!
(Busch/Sommer,1931)
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