Sonntag, 9. März 2025

Ende einer Ära: Trauer um den grünen Teamchef

Annalena Baerbock und Robert Habeck ziehen sich zurück
Das Traumpaar der deutschen Politik zieht sich vergnatzt zurück. Ein herber Verlust für unsere Demokratie. Abb: Kümram, Öl auf Schraffierpapier

Ein ganzes Land war wie im Schock verliebt, als Robert Habeck sich endlich seinem eigenen Wunsch beugte und „Ja“ zur Kanzlerkandidatur sagte – eine Rolle, nach der er sich monatelang gesehnt hatte. Die großen Medienhäuser zeigten sich hochzufrieden, und die Grüne Partei war bereit, vom kollektivistischen Geist früherer Jahre Abschied zu nehmen und sich mit dem Mann zu verbünden, der nichts besser erklären konnte als irgendjemand sonst.  

Robert Habeck – der Traumschwiegersohn unserer Demokratie – wurde zum Aushängeschild, mit dem man in den Wahlkampf zog. Später stellten Meinungsforscher jedoch fest, dass Wählerinnen und Wähler, die Wert auf Seriosität statt auf Kumpelei legten, sich zurückgesetzt fühlten. 

Die vielen Verwandlungen

So verwandelte sich das "Team Robert" in das "Team Habeck". Der Spitzenkandidat schlüpfte in eine altmodische Joschka-Fischer-Weste, um deutlich zu machen: "Von buchhalterischen Sachen verstehe ich auch etwas." Kein grüner Kandidat hatte jemals so große Chancen – und das in einer so schweren Zeit. Noch vier Jahre zuvor hatten die Grünen trotz einer stolpernden Kanzlerkandidatin mehr als 14 Prozent geholt. Die Zielmarke jetzt lag bei 25, wenigstens aber bei 20. Sein Team insistierte, als Habeck bei den Kanzlerduellen nicht eingeladen wurde. Er sei doch der Favorit!

Die Zahlen bestätigten es nicht. Also räumte Habeck eilig alle noch übriggebliebenen Prinzipien und Inhalte beiseite, für die seine Partei einst bekannt gewesen war. Für seinen Traum von der Macht war er bereit, über jede thematische Leiche zu steigen. Klima? Nicht mehr so wichtig. Der Heizungsumbau im Land? Die energetische Sanierung von Millionen Häusern erwähnte er im Wahlkampf nicht einmal. Ebenso wenig die 30 oder 40 Erdgaskraftwerke, später einmal, wenn es Wasserstoff gäbe, selbstverständlich auch wasserstofftüchtig. Die ersten hätten schon dampfen sollen, um die Gelegenheitsenergien aus Wind und Sonne an dunklen, windstillen Tagen zu ersetzen. Aber die waren jetzt auch nicht mehr entscheidend.

Details später

Stattdessen versuchte der geborene Wirtschaftsexperte Robert Habeck, sich als Finanzpolitiker einen Namen zu machen – ähnlich wie einst Friedrich Merz, der auf einem Bierdeckel Steuergesetze umriss. Mit KI-gestütztem Eifer fasste er zusammen, was er vom Sozialsystem verstand: "Mehr nehmen bei denen, denen es fehlt, und denen geben, die es dann brauchen – das wird schon hinhauen. Details besprechen wir später", sagte er großzügig. 

Habeck hatte ein Erfolgsrezept. Und Jahre zuvor wäre es vielleicht sogar eins gewesen. Immerhin hatte er sein Wahlkampfbuch, Pflicht für jeden grünen Kanzlerkandidaten, selbst geschrieben. "Den Bach rauf" war ein Bestseller, noch zwei Monate nach Erscheinen steht das Bändchen auf Platz 1.000 bei Amazon. Der Popularität des Kandidaten half es nicht.

Ein Kanzlerwahlverein

Zu viel hatte Robert Habeck sich zugemutet als Alleinkämpfer im grünen Wahlkampf: Erstmals war die ehemalige Alternative Liste für Deutschland ganz Kanzlerwahlverein geworden - der vielstimmige grüne Chor war verstummt, die zahllosen Häuptlinge vergangener Jahre schwiegen. Keiner aus der alten Garde – weder Claudia Roth noch Renate Künast oder Jürgen Trittin warfen sich für ihren Spitzenmann in die Schlacht.

Es gab bei den Grünen keine Realos und keine Fundis mehr, nur noch "Habeckianer". Nach Jahren mit ihm oder ohne ihn war von der übrigen Partei nichts mehr übrig. Vorn auf der Bühne sang der Chef mit Annalena Baerbock ein Duett, begleitet vom instrumentalem Gebirge einer Nachwuchsband mit Franziska Brantner, Felix Banaszak und Andreas Audretsch. Musiker, die Habeck selbst handverlesen und persönlich zu seinem Schutz eingestellt hatte. 

Surfen auf einer Welle aus Fake News 

Diese Marschkapelle der grünen Armee – bestehend aus ungedienten, pazifistischen Generalen – spielte Narzissmus nach Noten. Robert war der Eine, der Herabgesandte, der Erlöser – er war es, weil es kein anderer hätte sein können. Er wusste, er wollte, und er würde können; man müsste ihn nur lassen. Aber wen denn sonst? Mit der größten Welle an Fake News seit der Corona-Pandemie befeuerte die grüne Wahlkampfmaschine die Vision, Robert Habeck habe eine reelle Chance, Bundeskanzler zu werden.

Kurz vor Schluss gab es schon Beerdigungsbilder.
Wie eine Tsunamiwelle rollten gefälschte Grafiken, die Robert Habeck als beliebtesten Kandidaten zeigten, übers Land. Es hagelte hanebüchene Berechnungen, die die Grünen zur zweitstärksten Partei machten. Mit allen Mitteln versuchten die Streiter des Herrn sogar, unabhängige Medien unter Druck zu setzen. So sollte das ZDF gezwungen werden, Habeck in eine Diskussionsrunde zwischen dem Kanzler und seinem aussichtsreichsten Herausforderer einzuladen. Das ersatzweise angebotene Duell mit einer in Teilen als rechtsextreme aktenkundigen Gegenkandidatin verweigerte er, vermeintlich ein mutiges Zeichen gegen rechts. Es verblasste schneller als ein Blitz. Und kaum war es wieder dunkel, stand Habeck mit derselben Kandidatin in einem anderen Studio.

Teuer, aber nutzlos

Es war der teuerste Wahlkampf, den die Grünen je führten. Und er endete noch enttäuschender als der Annalena Baerbocks dreieinhalb Jahre zuvor. Die Zahlen blieben schlecht. Mit jeder Bühne mehr, die er abklapperte, musste Habeck mehr kämpfen, um noch irgendwen zu erreichen. Sein Salbadern fing nicht mehr; das Themenhüpfen und Ausweichen auf die Metaebene – alte Tricks und Kniffe, die die Grünen einst groß gemacht hatten – verpufften. Die Themen, auf die die Werber von Jung von Matt ihn sorgsam vorbereitet hatten, spielten für die Wähler keine Rolle. Habeck sprach ins Leere. Er konnte nicht angreifen. Es gelang ihm meist nicht einmal mehr, sich zu verteidigen.

Unter schweren Augenlidern

Jeder Termin wurde zum schwersten Tag im Leben des Grünen. Robert Habeck ging sichtlich auseinander. Er schaute unter schweren Augenlidern hervor. Seine Schlagfertigkeit wirkte behäbig und einstudiert. Die Junge Garde, mit der er die Schwergewichte Ricarda Lang und Omid Nouripour ersetzt hatte, stellten sich Personal heraus, dass die Flügel nicht halten konnte. Wie er ganz allein gewonnen hätte, verlor Robert Habeck allein. Leger in Fliegerjacke nahm er drei Tage später Abschied. Annalena Baerbock folgte ihm wenig später. Beide lehnten demonstrativ alle Ämter ab, die ihnen bis dahin niemand angeboten hatte. 

Der Grund liegt auf der Hand: Nach sieben Jahren, in denen das Duo die Grünen zu einer reinen HB-Partei gemacht hatten, bleibt nicht viel zurück, das sie ersetzen könnte: Neben Brantner, Banaszak und Audretsch sind da noch die beiden Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann. Dahinter folgt mit Pegah Edalatian, Sven Giegold, und Manuela Rottmann schon eine zweite Reihe aus Akademikern, die vom Ostdeutschlandvertreter Heiko Knopf abgesehen alle Stufen der grünen Nomenklatura vorschriftsmäßig absolviert haben.

Enttäuscht von den Wählern

Habecks Abschied war zu erwarten gewesen. Schon in der Elefantenrunde wirkte der geborene Charismat bockig und unwillig, überhaupt noch über irgendetwas zu reden. Der Mann, der immer "ich" meint, wenn er "wir" sagt, war müde und enttäuscht von den Wählern. Wie Franz Beckenbauer 1990 drehte er eine einsame Abschiedsrunde über Platz. Alle sollten es sehen. Dann verstummten seine Social-Media-Accounts demonstrativ. Die Talkshows mussten ohne ihn auskommen. Selbst die brennenden aktuellen Themen lockten den 55-Jährigen nicht mehr heraus, sie endgültig einzuordnen und den den weg hinaus zu weisen.

Doch so betont endgültig er ging, so fest entschlossen ist er doch, zu bleiben. Es führt kein Weg zurück nach Heikendorf, an den Kamin sitzen und den Schreibtisch mit den Exposés für die nächsten Bücher. Robert Habeck ist keiner, der auf ein Angebot von Amazon wartet – vielleicht für eine Serie über sein unvergleichliches Leben. Er ist noch nicht fertig, er hat noch viel vor in der Politik und mit den Wählern. Seine Ankündigung, auf alle Ämter zu verzichten, die er nicht hat und vermutlich auch nicht bekommen hätte, kündigte die Karrierefortsetzung an: So ein Rückzug drückt immer die Hoffnung aus, doch noch gerufen zu werden. 

Ein klassischer Martin Schulz

In der beobachtenden Politikwirtschaft kennen Forscher das Manöver als "klassischen Martin Schulz": Wenn er sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlt, ist der Egoman ist sich nicht zu schade, sich selbst zu verletzten, um auf sich aufmerksam zu machen. Robert Habeck konnte einen Erfolg verbuchen: Eine Petition der Fans des scheidenden Klimawirtschaftsministers, die ihn zum Bleiben bewegen will, kam bei den Medien hervorragend an.   

"In einer Zeit voller Krisen braucht es Menschen - und noch wichtiger Führungspersönlichkeiten - wie dich", heißt es in dem inständigen Appell, den der "Geschäftsentwicklungsmanager" eines "Energie-Start-ups" mit Spezialgebiet kostenloser Strom gestartet hat. Nach drei Tagen hatten schon 300.000 Fans unterschieben, nach einer Woche 400.000, obwohl der so unter Druck geratene Teamchef bereits eingewilligt hatte, sein Bundestagsmandat anzunehmen.

Was seitdem geschehen ist, zeigt das ganze üble Ausmaß an Ablehnung, die Robert Habeck trotz seiner längst großzügig eingestandenen Niederlage immer noch aus der Mehrheitsgesellschaft erfährt. Immer noch liegt die Zahl der Unterzeichner weit unter 450.000, der Appell, das Land jetzt nicht allein zu lassen, droht zu verhallen, weil nicht einmal zehn Prozent der grünen Wähler von 23. Februar sich noch gewillt zeigen, den Mann zu unterstützen, an dem letztlich alles hängt.

Die Klimakrise, so rechnet Robert Habeck, wird sich bis dahin verschärft haben. Auch Friedrich Merz wird scheitern. Der grüne Führungsanspruch wird erneut werden, gestärkt und die Sehnsucht vieler Wählerinnen und Wähler nach einer Alterntive zur Alternative wird wachsen.

In spätestens vier Jahren ist wieder Bundestagswahl.

Und ein anderer Kandidat ist weit und breit nicht in Sicht.


7 Kommentare:

Trumpeltier hat gesagt…

Diese beiden verhinderten Weltretter werden sich nach ihren ebenfalls gescheiterten Ehen sicher gegenseitig Seelentrost und Körperwärme spenden.

Diese beiden laut Einkommensklasse wirklich goldwerten Fachkräfte gelten ja schon länger als Traumpaar des Greenroots-Movements.

ppq hat gesagt…

wir werden sicher noch von ihnen hören

Anonym hat gesagt…

Wieso Trauer. Die lachen sich, mit ihren Ruheeinkommen, schlapp über die Bematschten, welche sie gewählt haben. Außerdem, danke an die Alemannen und mehr noch die Hamburger, hocken sie reichlich vertreten im Bimbesrat und können so, mit links, jede schwache Anwandlung von Vernunft abwürgen.

Anonym hat gesagt…

Beim Blick auf Kümrams neuestes Meisterwerk fragt man sich schon, wie eine KI Dürers betende Hände hinbekommen hätte.

Anonym hat gesagt…

Haarbek wird sicherlich Halbgott im zdf

Anonym hat gesagt…

Rainer K. Kämpf auf Pipi:
< Welcher Fluch liegt auf unserem Volk, durch solche apokalyptischen Geißeln geplagt zu werden? >

Ich wüsste schon einiges dazu, nur will das hier kaum jemand hören.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Anonym hat gesagt…

"die Schwergewichte Ricarda Lang ". Das ist richtig gut. Onlinepetitionen zu unterschreiben ist eine Verschwendung von Lebenszeit und Energie.