Donnerstag, 6. März 2025

Das zahlt der Staat: Mit dem Geld von Morgen

Das neue Billionen-Schuldenprogramm
Friedrich Merz hat ein sehr altes Haus gekauft. Jetzt beleiht er es bis zum Dachfirst.

Nach zwei Wochen im Amt ist klar: Donald Trump hat damit begonnen, die amerikanische Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln. Wann ist der Punkt ohne Wiederkehr erreicht?

Jakob Augstein, 2. Februar 2017, 12.38 Uhr

Schneller ging es noch nie. Sagenhafte 76 Jahre benötigten 24 deutsche Bundeskabinette, um 2,5 Billionen Schulden anzuhäufen. Keine zwei Wochen dagegen brauchte die noch nicht einmal ins Amt gewählte 25., um auf den Berg eine weitere Billion aufzuschütten. Nicht mitgezählt ist hier die halbe Billion aus Corona-Zeiten, ein Sondervermögen, das erst ab 2028 wieder in der Wahrnehmung auftauchen wird wie Nessi im Loch Ness. Bis dahin ist die Rückzahlung ausgesetzt.

Das Billionenspiel

Dann aber geht es los, und wie. Die 2,5 Billionen Verbindlichkeiten kosteten den Bund zuletzt etwas mehr als 34,2 Milliarden Euro im Jahr. Mit den 1,5 Billionen Euro an neuen und alten Sondervermögen  - inklusive des Scholzschen Zeitenwende-Fonds - erhöht sich der Betrag demnächst auf rund 60 Milliarden. Ein gutes halbes Bundeswehr-Sondervermögen, das nicht in dringend benötigte Wärmepumpen, Haubitzen, Elektroautos und Digitalisierung fließt. Sondern direkt in die Taschen internationaler Kuponschneider, Spekulanten und Finanzjongleure.

Es ist das Geld von Morgen, das sich besonders leicht ausgeben lässt. Jeder Kreditkartenbesitzer kennt das Phänomen: Was ich heute kann besorgen, geht immer besser mit borgen. Wie wir heute leben, das werden andere morgen bezahlen. Nimm zwei, zahl' drei, aber erst, wenn das Geld nur noch einen wert ist. Wer für die Kosten aufkommt. Der Steuerzahler jedenfalls nicht - der Bund hat gut gewirtschaftet!, hat die wichtige Merz-Beraterin Julia Klöckner schon vor Jahren klargestellt. Robert Habeck, bis heute Klimawirtschaftsminister, hat es erst kürzlich bestätigt: "Nicht die Bürger zahlen, sondern der Staat".

Trockenes Freibier

Das ist Freibier, aber knoechentrocken. Von den Jungen für die Alten. Im Moment stehen in Deutschland noch 15 Millionen Nettosteuerzahler bereit, die Last zu schultern. Perspektivisch werden es weniger werden, weil sowohl SPD als auch CDU und CSU die hart arbeitende Mitte kräftig entlasten wollen. Das muss sein, denn nur mehr Fleiß, Anpacken und Leistungswille können die Steuereinnahmen so steigern, dass die schlagartig um fast 50 Prozent gestiegenen Zinslasten zu schultern. 

Die liegen künftig nicht mehr bei 25 Milliarden Euro im Jahr, sondern eher bei 50 Milliarden. Ironischerweise passt das: Das neue Bundeswehrsondervermögen hat einen Umfang von 500 Milliarden, aufgeteilt auf zehn Jahre. Es ist also pro Jahr genau so hoch wie die Zinsen, die Deutschland zu zahlen hat.

Dass eine solche Reform gründlich vorbereitet sein muss, liegt auf der Hand. In ihren Sondierungsgesprächen vor den anstehenden Koalitionsverhandlungen ließen sich SPD, CDU und CSU denn auch Zeit. 2009 hatte der Bundestag zwei Jahre verschwendet, um schließlich mit Zwei-Drittel-Mehrheit zur Entscheidung zu kommen, dass Deutschland ohne eine Schuldenbremse nicht weiterexistieren könne. 

Die Handvoll Spitzenpolitiker der informellen Gesprächsrunde von Union und SPD brauche kaum drei Tage, um den Irrtum zu korrigieren: Afuera, Schuldenbremse! Afuera, Maastricht-Vertrag! Afuera, Verbot von Schattenhaushalten! 

Trumps Verrat

Die im Augenblick noch im Grundgesetz enthaltene Schuldenbremse, in den 16 Jahren ihrer Existenz gerade zweimal eingehalten, steht einer neuen Zeit im Wege, von deren Kommen die Par­la­men­ta­rie­r des Jahres 2009 nichts ahnen konnten. Damals, mitten in der großen Finanzkrise, mussten nicht Russland und Amerika, sondern außer Rand und Band geratene Landesbanker eingehegt werden, es galt nicht, die Ukraine vor dem Verrat Donald Trumps zu schützen, sondern den deutschen Sparer vor Spekulanten und Hedge Fonds. Deutschland wollte, das Schicksal Griechenlands vor Augen, zudem Vorbild für die Welt sein und zeigen, dass jeder Staat nur so viel Geld ausgeben sollte, wie er zur Verfügung hat.

Heute ist das in Deutschland doppelt so viel wie damals und noch mehr viel zu wenig als seinerzeit. Mehr geht nicht. Aber einer geht immer noch rein, schließlich sind die Einzigen, die mit einer Schuldenbremse etwas zu gewinnen haben, heute zum großen Teil noch nicht einmal in der Lage, das Wort auszusprechen. 

Der Gewinner nimmt alles

Alle anderen verlieren nichts, denn die Finanzbremse versagte bereits im Jahr ihres Inkrafttretens 2011 zum ersten Mal. Es war Finanzkrise! Notfall! Danach kam Corona. Notfall! Schließlich das Klima und der Klimafonds! Notfall! Richtig durchregieren lässt sich erst, niemand weiß das besser als Friedrich Merz, der Olaf Scholz beim Scheitern aufmerksam zugeschaut, wenn Not kein Gebot mehr kennt und der Staat als weißer Ritter einreitet, um Geld auf die Wunden zu streuen.

Das größte Verschuldungsprogramm, das sich jemals eine Bundesregierung hat gestatten lassen, hat als Begründung eine Lage vorzubringen, die sich bereits wieder geändert hat. Schneller als Deutschland und Europa zu ihren eiligen Krisengipfeln marschieren können, zieht der böse Mann im Weißen Haus die Daumenschrauben an. 

Kommando zurück

Gerade noch am Überlegen, mit welchen Raketen, die Europa nicht hat, die neuen Satelliten, die Deutschland nicht hat, als Ersatz für des verhassten Elon Musk' Starlink ins All geschossen werden sollen, hat der eingeschworene Volodymyr Selenskyj seine letzten Freunde verraten: Auf einmal will er doch Karten spielen und dann auch noch mit dem Blatt, das Trump ihm geben will. EU-Europa gibt alle seine Werte auf. Deutschland ist bereit, seine finanzpolitischen Grundsätze aufzugeben. Das alles für Geschütze, Panzer, Schützenpanzerwagen und Gewehre, die noch vor der Herstellung vielleicht niemand mehr braucht.

Katastrophe zurück. Wo aber nun mit dem ganzen frischen Geld hin? Ein Problem, das sich lösen lassen wird. Schon steigen die von der EZB mühsam und unter Vernachlässigung der eigenen Grundsätze gesenkten Zinsen wieder an, weil das viele neue Geld das schon im Übermaß vorhandene weiter kräftig verdünnt. Schon muss die Bundesbank darüber nachdenken, die 20-Euro-Silbermünzen, die erst vor zehn Jahren die Zehn-Euro-Silbermünzen ersetzen mussten, wegen des bedrohlich steigenden Silberpreises durch 50-Euro-Münzen zu ersetzen. Nahe an dem Preis, den die älteren aus 925er-Silber heute schon kosten.

Im Fell des Bären

Für all das und noch viel mehr werden Mittel gebraucht, Mittel, die es noch gar nicht gibt, die aber von Leuten vorgestreckt werden werden müssen, die noch gar nichts von ihrem Glück wissen. Kommt das Ende des Krieges nicht unangenehm schnell, schafft es die kleinste große Koalition aller Zeiten, nach der Regierungsbildung "bis Ostern" (Friedrich Merz) mit vollen Taschen aus ihren Verhandlungen um das Fell des Bären zu kommen.

Am Zinsmarkt ist die absehbare neue Nachfrage sehr gut angekommen. Der Zins zehnjähriger deutscher Staatsanleihen stiegt im ersten Anlauf um zehn Prozent, zehnjährige Anleihen machten einen Hüpfer von von 2,5 auf 2,8 Prozent. Es war der höchste Tagesanstieg seit 30 Jahren.

Von der Einführung des Euro bis zum ersten Halving seiner Kaufkraft dauerte es fast ein Vierteljahrhundert. Das nächste aber dürfte bereits in zehn Jahren anstehen. Falls alles richtig gut geht.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dann brauchen wir eben ein Sondervermögen für die Zinsen.