Dienstag, 18. März 2025

Berliner Gendarmenmarkt: Ein Paradies für Paraden

Paradeplatz Bundeswehr Gendarmenmarkt
Der umgestaltete Gendarmenmarkt ist ein Paradies für Militärparaden.

Kaum war er fertig, in seiner vollen, kühlen Pracht aus Steinplatten, einem trockenen Brunnen und preußischer Strenge, kamen die üblichen Klagen. Der Gendarmenmarkt sei fürchterlich, eine schreckliche Steinwüste, lebensfeindlich und ein Affront gegen Deutschlands Klimaanstrengungen. Wie der Platz vor dem Humboldt-Forum, der der Öffentlichkeit bereits 2023 in ähnlich disziplinierter Eiseskälte zurückgegeben worden war, sei der neugestaltete Ort in der Stadt der Vielfalt Ausweis einer Ideologie, die Steine liebe und Bäume hassen, hieß es. Und Fotos aus Barcelona wurden dagegengeschnitten: Grüne Klimaoasen, wild bewachsen und einladend naturnah.

Weitsichtiger Umbau

Für den Zweck, zu dem der Platz in der Hauptstadt längerfristig dienen soll, aber leider eben vollkommen ungeeignet. Denn die 14.000 Quadratmeter kompletterneuerter Platzbelag sollen die historische Mitte Berlins zukünftig nicht nur vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen und eine klimaresiliente Stadtgestaltung vorlegen. Sondern über dem gemeinsam mit den Berliner Wasserbetrieben erarbeiteten innovativen Regenwassermanagement steht jetzt auch eine große, ebene Fläche zur Verfügung, die nach Wiederertüchtigung der Bundeswehr Austragungsstätte wunderschöner Paraden sein wird.

Wer heute an der großen, kahlen Fläche vorbeiflaniert, kann sie schon erahnen, all die Füchse und Luchse und Geparden und Marder und Leoparden, die majestätisch vorüberrumpeln. Dazu die Panzerhaubitze 2000, im Grunde ein technisch hochgerüsteter Nachbau der Panzerfaust. Dahinter die mächtigen Taurus-Trägersysteme und dann lange Marschkolonnen junger Landser, ausgestattet mit "Panzerfäusten, Flugabwehrraketen, Bunkerfäusten, Maschinengewehren, Handgranaten, Sprengwaffen", wie Außenministerin Annalena Baerbock vor Jahren geschwärmt hatte. 

Geschichte hemmt

Damals war Deutschland durch seine Geschichte nachhaltig gehemmt, seine militärische Stärke auch offen auszustellen. Vereidigungen junger Rekruten führte die Bundeswehr am liebsten nichtöffentlich durch. Selbst das Friedensmusikcorps des Heeres feierte historische Auftritte aus Angst vor Protesten gern ohne Publikum.

Deutschland schaute in jenen Jahren neidisch um sich. Die Amerikaner paradierten, als hätten sie den Krieg gewonnen. Die Franzosen feierten zuletzt mit 300 Fahrzeugen, darunter auch Panzer und 80 Flugzeuge. Russland hält sogar im nicht erklärten Krieg mit der Ukraine an der Tradition fest, mit einem Truppenaufmarsch auf dem Roten Platz so zu tun, als gäbe es etwas zu feiern. 16.000 Soldaten stampften über den Roten Platz, 7.000 lassen die französischen Präsidenten für gewöhnlich über den Champs-Élysées bis zum Place Charles-de-Gaulle marschieren, das Motto lautet dabei "Größenwahn und modernste Militärtechnik" (Spiegel). Ein klares Zeichen an alle, die darüber nachdenken, ob sie die Grande Nation angreifen sollen oder doch lieber nicht.

Deutschland kann zurückparadieren

Deutschland hätte natürlich immer schon genug Soldaten gehabt, zurückzuparadieren. Selbst eine Handvoll Panzer und Geschütze heranzuschaffen, wäre mit Hilfe privater Logistikkonzerne zweifellos gelungen. Doch für eine solche kriegstüchtige Streitmacht fehle es der alten und neuen Hauptstadt an einer ordentlichen Paradestrecke, die auch aus Klimagründen als Voraussetzung dafür gilt, den Dieselverbrauch eines "Tierpanzers" (Baerbock) vom Geländeverbrauch von 530 Litern pro 100 Kilometer auf 340 Liter Straßenverbrauch anzusenken.

Die 21 Millionen Euro, die der Umbau des alten Gendarmenmarktes zur Bundesparadestrecke gekostet hat, sind einerseits kaum Geld - gemessen zumindest an den Ausbaukosten für den Bundestag in Höhe von 600 bis 640 Millionen Euro und denen für die Erweiterung des Kanzleramtes zum größten Regierungssitz der Welt für 777 Millionen. Andererseits sind die schmalen Millionen gut angelegt: Der Gendarmenplatz sei immer noch, loben erste Besucher, "so grau wie vorher". Und damit idealtypisch geeignet für den Aufmarsch der mächtigen deutschen Militärmaschinerie, die aus dem 500-Milliarden-Rettungspaket erstehen wird. 

Barrierefrei für die Bundeswehr 

Dumpf werden die Motoren dröhnen, das Echo der schwarzen Dieselschwaden wird warnend für jeden Angreifer zwischen den Fassaden hängen. Zackig wird Kanzler Merz von einer Stahlrohrtribüne grüßen, die fesche Panzerdivisionäre vom schweren Pionierbataillon 901 aus dem sachsen-anhaltinischen Havelberg binnen weniger Wochen errichtet haben. 

Lästerer wie der gescheiterte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der gefragt hat "warum man zur Kaiserzeit im Jahr 1900 mehr Grün geplant als 2025?", werden dann  schweigen und erkennen, wer schon 2009 bei Start der Umgestaltung den richtigen Riecher hatte: Statt der Truppe Bäume in den Weg zu pflanzen und Bordsteine als Stolperfallen zu errichten, die den Vormarsch verlangsamen, setzte der Senat auf Barrierefreiheit und eine Bodengestaltung, die jedem Marschkordon die Orientierung beim Antreten erleichtert.


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Um 1900

Ich will damit nicht der Kaiserzeit das Wort reden. Aber schön war's.

Anonym hat gesagt…

Früher ging beides. Militär UND Grünzeug. Demokratie funktioniert einfach nicht .

P.S. ...die Panzerhaubitze 2000, im Grunde ein technisch hochgerüsteter Nachbau der Panzerfaust

Bis auf was Wort 'Panzer' sehe ich keine Gemeinsamkeiten. Man muss auch an die Verweigerer denken, die hier mitlesen.

ppq hat gesagt…

@anmerkung: damals gänzlich untauglich für paraden

Anonym hat gesagt…

Also dass da Aufmärsche stattfinden werden, glaube ich sofort. Allerdings weniger unter Beteiligung der Bundeswehr. Eher werden es die Marschkolonnen der Antifaschisten sein, angeführt von den Gliederungen der Omas gegen Rechts unter den Bannern "Wir sind mehr", "Nie wieder ist jetzt" und " Kein Fußbreit dem Faschismus". Falls die Opposition die nächste Wahl gewinnen sollte, braucht man Fläche, damit der Volkszorn sich angemessen inszenieren kann, ehe das Verfassungsgericht dann die Wahl wegen russischer Tiktok-Posts rückgängig macht.

Anonym hat gesagt…

OT MEHA Make Europe Healthy Again

Glycerin im Slushy (via Dr Danisch)
Wusste ich auch nicht, dass das schlecht für Kinder ist. Die EU wusste es auch nicht (E-Stoff E422).
U.a. Süßungsmittel als Zuckerersatz für bewusste Eltern, die ihren Kindern bewusster bunten Dreck einflößen.

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Schmeckt Scheiße, aber man hilft den chilenischen Bergbaumultis, ihren Abraum zu Geld zu machen den man weder als reines Speisesalz noch als Kalidünger vermarkten kann.

Ulli hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym hat gesagt…

hmmm