Freitag, 21. Februar 2025

Netze für Hetze: Die Sätze denen, die sie gehören

Der Beschluss steht, jetzt muss er nur noch umgesetzt werden: Europa baut sich ein weiteres Mal ein eigenes Google.

Er durfte noch nicht alles verraten, war aber wie immer schon ganz klar in seinen Andeutungen. Klappt es am Sonntag mit dem erneuten Einzug in eine Bundesregierung, wird Robert Habeck Nägel mit Köpfen machen und Schluss mit der amerikanischen Vormachtstellung im digitalen Raum, der kein rechtsfreier ist. 

Spätestens mit der Kriegserklärung von US-Vizepräsident J.D. Vance an Europa, Deutschland und die bisherigen Werte steht die EU allein da, ohne KI, ohne große Internetfirmen, ohne Handyhersteller und ohne soziale Netzwerke. Ein Zustand, den Habeck duldete, bis Vance auf seine Bitte, sich doch um seinen eigenen Kram zu kümmern, mit neuen Vorwürfen reagierte.

Brüskiert von Vance

Jetzt reicht es. Länger schon hatte der Klimawirtschaftsminister beschlossen, dass Europa und die Europäer das nächste Google bauen müssen, wozu wurde nicht ganz klar, denn Google gibt es bereits und alles, was es gibt, kann es unter den Bedingungen der Klumpenökonomie im Netz nicht zweimal geben. 

Brüskiert von Vance und dessen technokratischen Hintermännern, denen es zuletzt gefallen hatte, die Reichweite wertvoller Habeck-Posts in den sozialen Netzwerken auszubremsen, hat der grüne Spitzenkandidat von #TeamHabeck seine Strategie über Nacht erweitert: Jetzt soll zum nächsten Google auch das nächste X kommen, Made in Germany und behördlich geprüft hetzfrei. 

Vergebene Chance

Der Plan steht, niemand in der Bundesregierung oder der EU-Kommission trauert mehr der vergebenen Chance nach, beim zum Verkauf stehenden chinesischen Portals TikTok nicht einmal nach dem Preis gefragt zu haben. Europas X wird besser, es wird Facebook ersetzen, TikTok, wahrscheinlich aus Spotify, später Amazon und was Amerikaner und Chinesen in den letzten Jahren noch so erfunden haben, während Deutschland fassungslos seiner so teuer herbeisubventionierten und dann stante pede zusammengebrochenen Solarwirtschaft nachtrauerte.

Schluss damit. Die Depression muss weg, Zuversicht herbei. Und welcher Kontinent sonst hat schon so viel Erfahrung mit dem Nachbau fremder Ideen? Zweimal schon steckte Europa viel, viel Geld in  den Versuch, der Übermacht der US-Konzerne eigene Suchmaschinen entgegenzuentwickeln, strikt am Markt vorbei, ohne Zusatznutzen, aber mit Enthusiasmus, so lange die Fördergeldkassen sprudelten. 

Antwort auf die US-Übermacht

Ixquick war einst der erste Versuch, auf die US-Übermacht eine europäische Antwort zu geben. 17 Jahre lang versuchte die niederländische Surfboard Holding B.V., Nutzern ihren Wegkatalog schmackhaft zu machen. Ixquick war heute längst vergessenen mit dem ersten Europäischen Datenschutzgütesiegel "EuroPriSe" (European Privacy Seal) prämiert worden, das vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein vergeben wurde. 

Doch die Bürgerinnen und Bürger zeigten dem ehrgeizigen Projekt die kalten Schultern. Obwohl fast zeitgleich mit Google gestartet, schaffte die in "Startpage" muss die Seite nur sechs Millionen Suchanfragen pro Tag beantworten - 0,17 Prozent der Anfragen, die Google täglich erreichen. 2019 gab  Europa auf. Das US-amerikanische Unternehmen System1 übernahm die Mehrheit an Startpage.

Die Suchmaschine aus der Staatsbank

Ganz ähnlich ging es Qwant,  einem Suchmaschinenversuch der französischen Staatsbank Caisse des dépôts, die seit zehn Jahren auch deutsche Ergebnisse liefert und eine 13-monatige freiwillige Vorratsdatenspeicherung betreibt.  Qwant schaffte wenigen Jahren 80 Mies, zur Standardsuchmaschine in der französischen Verwaltung ernannt zu werden. Trotz dieses Erfolges schaffte es die Firma, durch "offensichtlich unanständig hohe" (La Lettre A) Gehälter, im lukrativen Suchmaschinengeschäft binnen von nur vier Jahren 80 Millionen Euro zu verbrennen und einen Schuldenberg von 47 Millionen Euro anzuhäufen.

Eigentlich wäre die Staatsbank als Betreiber idealtypisch für Europa gewesen, doch der Großverlag Burda unternahm mit "Cliqz" trotzdem einen eigenen Versuch, Google anzugreifen. Enttäuscht davon, "dass wir keine Unterstützung von der bayerischen, deutschen und europäischen Regierung für die weitere Entwicklung von Cliqz erhalten", gab Cliqz nach nur fünf Jahren auf. Burda verkaufte die Suchtechnologie namens "Tailcat" an das US-Unternehmen Brave Software Inc., das mit seinem Trick bekannt wurde, ohne Nutzer-Erlaubnis bei Seiteneingaben für Kryptowährungsbörsen automatisch einen Link anzufügen, um über Affiliate-Partner Einnahmen zu erzielen.

Versagen im Kampf gegen Hass

Auch bei seinen Versuchen, den Markt der sozialen Netzwerke hassfrei und gerecht nach europäischen Werten aufzurollen, war weder den Mitgliedsstaaten noch der EU-Kommission Glück beschieden.Das in Deutschland entwickelte Netzwerk Mastodon  profitierte kurzfristig von einer Empfehlungskampagne des damaligen EU-Digitalkommissar Thierry Breton und der EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, kommt aber bis heute nur auf neun Millionen User, von denen die meisten niemals etwas posten. 

Fürchterlich fällt die Abschlussbilanz des Projekt EU-Voice aus. Der von der Kommission selbst betreuten und finanzierten Alternative ging bereits nach zwei Jahren der "ersten Testphase" (EU) das Geld aus. Ohne großes Aufheben zog sich die Kommission aus dem sogenannten "Fediverse" zurück. Das "datenschutzorientierte Angebot" sei "gut gelaufen", hieß es zum Abschied traurig beim  Europäischen Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski- Mit "EU Voice" und dem parallel beerdigten Videoportal  "EU Video" verliert die EU damit mächtig an Reichweite und Einfluss im Netz: Binnen von nur 48 Stunden hatten sich bei "EU Voice" zuweilen bis zu zehn Nutzer eine Nachricht der Brüsseler Obrigkeit angeschaut. 

Grenzen der Macht

Naheliegend, dass Robert Habeck seine Pläne für die europäische Netzwerkfreiheit noch nicht ganz und offen auf den Küchentisch des Kontinents legen will. Sein bisschen piratiger Aufstand gegen das Imperium, das nicht nur Jeans, Beat, Heavy Metal und NGOs nach Deutschland brachte, soll seinen Einfluss verlieren, die EU digital unabhängig werden, auf dass "unsere Demokratie" nicht weiter an Elon Musk und den anderen "Tech-Oligarchen " (Habeck) hänge. In der ARD-Wahlarena nannte der grüne Kanzlerkandidat Musk und Zuckerbergs Einfluss "eine direkte Bedrohung für europäische Werte". Musk und Trump hätten sich zusammengetan, "um die Grenzen der Macht zu beseitigen." Daskönne nicht in "unserem Interesse" sein.

"Unser Interesse" ist der Bruder von "unsere Demokratie", eine Habecksche Aneignung der Allgemeinheit, nach der eine Vorstellung von "freier Meinungsäußerung", die von jener abweicht, die Menschen für Bezeichnung eines Politikers als "Schwachkopf" von der Justiz verfolgen lässt, als  "scheinheilig" abkanzelt. Einerseits müssten solche dunklen Mächte reguliert werden, etwa durch die helle Macht der neuen Kommissare

Europäische  Alternative

Zudem schlug Habeck erneut seine "eigene deutsche oder europäische Kommunikationsplattform" vor, programmiert mit Algorithmen nach EU-Richtlinien und mit Sicherheitsmaßnahmen nach DSGVO, DSA und KI Act versehen, die verhindern, dass "die Kommunikation unseres Staates und unserer Unternehmen ein amerikanischer, chinesischer oder russischer Dienst mitlesen kann", wie der CSU-Internetexperte Hans-Peter Uhl bereits 2019 gefordert hatte.

Damals war sich das politische Berlin einigt: Die SPD-Politikerin Malu Dreyer plädierte dafür, das Netz nicht nur besser auf illegale oder regierungsfeindliche Inhalte zu kontrollieren, sondern Suchmaschinen auch vorzuschreiben, was sie als Fundstellen zeigen dürfen. den Konzernen dürfe es "nicht mehr völlig selbst überlassen bleiben, welche Inhalte sie ihren Nutzern präsentieren", forderte Dreyer. Der Staat müsse Anbieter zwingen, "Public Value"-Inhalte bevorzugt zu zeigen - also Inhalte, die dem öffentlichen Wohl dienen.

Gut und teuer

Das wird der Weg sein, wenn Robert Habeck in der kommenden Woche in Koalitionsverhandlungen eintritt, um wieder Wirtschaftsminister zu werden. Aus dem kleinen Nukleus der europäischen Suchmaschinen, die allesamt gar nichts zeigen würden, könnten sie nicht auf den Index von Google und Bing zurückgreifen, wird etwas Großes wachsen, vor allem aber etwas sehr, sehr Kostspieliges. Schon in zehn, zwölf Jahren, jedenfalls kurz nach oder nicht lange vor dem Braunkohleausstieg wird kein Europäer mehr im Netz suchen, um etwas zu finden, und niemand wird mehr auf X oder bei Facebook und TikTok etwas schreiben, das andere lesen können. 

Bundesblogampelamt (BBAA) und Bundesworthülsenfabrik (BWHF) arbeiten derzeit mit Unterstützung der europäischen Institutionen und der Wissenschaft daran, X ein europäisches Y entgegenzusetzen - mit E-Ausweis-Identifikation, automatischer Anzeige einer ladungsfähigen Anschrift unter jedem Post und offenen Schnittstellen für Meldegänger und Trusted Flagger. Das unter dem Arbeitsnamen "Ha-net" vorangetriebene Vorhaben wird mit einer EU-Anschubfinanzierung von vier Milliarden Euro nicht ganz so teuer wie der geplante verspäteten Nostalgienachbau von Elon Musks Satellitennetzwerk Spacelink, aber zweifelsohne ähnlich wertvoll. 


12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als Trump bei Facebook & Twitter gesperrt wurde, hat er sein eigenes Social Media aufgemacht, einfach so.
Wenn man mehr ist als ein dummer Sack voll heiße Luft, kann das funktionieren.

Anonym hat gesagt…

Kann ich mir die Suchergebnisse dann zufaxen lassen oder geht das nur postalisch mit frankiertem Rückumschlag?

Carl Gustaf hat gesagt…

Da, wo es in den USA die entsprechenden materiellen und immateriellen Ressourcen hat, um digitale Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram und Co. bestmöglich zu realisieren, hat es in Europa entsprechende Regulierungen, um genau das bestmöglich zu verhindern. Ein "Gutes X Gesetz" wird es somit nicht richten.
Ansonsten denke ich, dass Europa und insbesondere Deutschland im Moment viel dringendere Probleme zu lösen haben, als einen weiteren Online-Spielplatz für saturierte Personen mit viel Tagesfreizeit zu schaffen. Facebook, Twitter, Instagram und Co. sind ohnehin nicht der Hort des Meinungsaustauschs oder der Meinungsfreiheit, für die man sie hält. Soziale Netzwerke dienen in erster Linie dazu, den Leuten den ganzen Tag sinnlose Werbung um die Ohren zu hauen. Der Rest ist beste Unterhaltung und Zerstreuung, was auch die diverse politische Propaganda von rechts und links einschließt.

Carl Gustaf hat gesagt…

Der Heavy Metal kam nachweislich aus dem UK und einer Garage in Hannover Nord. Man muss nicht alles, was gut und erhaltenswert ist, gleich als Erfindung der Amerikaner verkaufen.

Anonym hat gesagt…

Aus "Der falsche Nero" von (((Lion Feuchtwanger))): "Wer auf die Dummheit des Pöbels spekuliert, hat einen sicheren Augenblickserfolg im Sack."

ppq hat gesagt…

wo wurden eigentlich Gibson- und Fender-gitarren erfunden?

Anonym hat gesagt…

So ein Quatsch, Heavy Metal wurde bekanntlich vom Teufel erfunden.
Ist aber schwer zu definieren, The Kinks 'You really got me' oder 'Helter Skelter' (Beatles) waren schon recht heavy. The Seeds (USA) haben mit 'Gypsy plays his Drums' auch Metal und Punk vorweggenommen.

Anonym hat gesagt…

"Die größte Bedrohung der Freiheit ist die Freiheit selbst. Wie verteidigt man die Freiheit gegen sich selbst? Indem man allen Sicherheit garantiert. Sicherheit ist Freiheit. Sicherheit ist Schutz. Schutz ist Überwachung. Überwachung ist Freiheit." Jean-Christophe Rufin, Globalia

Die Anmerkung hat gesagt…

>> wo wurden eigentlich Gibson- und Fender-gitarren erfunden?

Und der Musikinstrumentenbauschmiede Margneukirgen?

Der lachende Mann hat gesagt…

Speaking frankly: Mit Ausnahme der Dampfmaschine, des Stirling-Motors, des Manchester-Kapitalismus und des Penicillins ist kaum etwas nicht in Deutschland erfunden worden.

ppq hat gesagt…

gibson stammte aus GB, fender weiß ich nicht.

Anonym hat gesagt…

Das kann nicht stimmen, wie verlässliche Quellen melden.