Ein Duell ohne anschauen. |
Olaf Scholz hat kein Höckerchen bekommen, wie es Gerhard Schröder immer dabei hatte. ARD und ZDF haben sich stattdessen entschieden, den Größenunterschied zwischen dem Kanzler und seinem Herausforderer bei den nebeneinandermontierten Nahaufnahmen durch einen kühnen Schnitt auszugleichen. Meist ist Scholz in diesen Bildern sogar größer als Merz, der den Sozialdemokraten im richtigen Leben um zwei Köpfe überragt.
In gefönter Realität
Gefönte Realität umgibt die beiden Männer, die den Anspruch haben, Deutschland durch den Rest des Jahrzehnts zu führen. Merz trägt dunkelblau, Scholz graphitschwarz. Merzens Bunder ist weiß gemustert, in Scholzens blauem Schlips ist das Weiß wie aus dem Salzstreuer verteilt.
Die beiden Langzeitfunktionäre beharken sich mit Seitenhieben. Merz verweist auf das Grundgesetz. Scholz zeigt mit dem Finger in die Kamera. Beide werden nie miteinander regieren, weil Olaf Scholz sein politisches Schicksal von einem Wahlsieg abhängig gemacht hat. Merz rechnet auch nicht mit Scholz. Der CDU-Mann rechnet mit der SPD, aber nicht mit deren Spitzenkandidaten.
"Warum soll man so doof sein", sagt Olaf Scholz, der immer wieder auf sein Führung, auf seine Leistungen und auf seine Erfolge verweist. Die Nerven liegen blank beim Sozialdemokraten, dessen letzte Chance dieses "Duell" unter altgedienten Schlachtrössern ist. Merz darf heute nicht verkieren. Scholz muss gewinnen.
Trumpfkarte Migration
Aber womit nur? Bei der Flüchtlingspolitik, dieser Trumpfkarte, die zu ziehen sich Merz im Verlauf eines anämischen Wahlkampfes entschossen hatte, kann er nicht punkten. Schmallippig verweist der 69-Jährige immer wieder darauf, dass er allerlei getan habe, noch mehr tun werde und viel mehr gar nicht möglich sei.
"Herr Scholz, bitte, Sie leben nicht in dieser Welt", knirscht ihn Friedrich Merz an, ehe die Sandra Maischberger den Kanzler erlöst. "Wir wollen heute nicht nur über Migration reden", sagt sie und gibt das Gefecht frei, um die verschiedenen Wahrnehmungen über die Wirtschaft abzufragen.
Scholz wüsste im Grunde gar nicht, warum das sein muss. Natürlich sei die Stimmung schlecht, aber die Lage doch nicht. Deindustrialisierung? Er hat einen Plan für mehr öffentliche Investitionen. Alles andere wird dann schon, mit Deutschland-Plan und "Made in Germany"-Prämie.
Scholz hat einen Plan
"Es ist richtig, erstmal festzuhalen, dass was los ist", erwidert der Kanzler. Die Ausgnagsbais sei gut, "wir haben Grundlage, auf Wachstum setzen zu können". Die Weltwirtschaft schwächele eben, er, der Kanzler, habe aber die Ukraine nicht überfallen und das russische Gas nicht abgestellt.
Wenn sich Scholz nach der Wahl, die er in diesem Duell noh einmal verliert, aufs Altenteil zurückgezogen haben wird, steht Lars Klingbeil bereit, der starke Mann einer dann noch schwächeren Partei, auch Kompromisse einzugehen, die Scholz bereits ausgeschlossen hat. Was der Amtsinhaber noch vorhat, ist ein Abschied in Würde, selbstbestimmt, mit einer Deutung der Ereignisse, die er selbst vornimmt.
Sonne, Mond und Sterne
Die Atomkraftwerke hätten doch keine Rolle gespielt. Sonne, Mond und Sterne liefern dauerhaft billiger. Es ist kein Geld da, man kann keine Steuern senken, die Bundeswehr braucht mehr, das ist kein Strohfeuer, denn der Steuerbonus kommt auch Startups zugute. Die sowieso keine Sterun zahlen.
Nach dem Qualitätsverfall beim Klassiker "Tatort" ist dieses Aufeinandertreffen zweier älterer Männer ohne Drehbuch noch einmal ein tiefer Fall. Der Täter mag für viele Zuschauer feststehen, der von ebenso vielen für unsympathisch gehaltene Kommissar aber schafft es einfach nicht, ihn zu überführen.
"Schnelle Runde" ruft Maischberger, neben der Maybrit Illner sitzt, die weiß trägt. Kurz was über Windräder und wie gut sie aussehen. Zwei Geschlechter? Merz kann das nachvollziehen. Scholz findet es unangemessen.
Kettensägen-Kommando
Kettensäge wollen sie beide, mal was ordentlich gegen die Demokratie Bürokratie zu tun. Noch was Mindestlohn. "Ich gin dafür, dass die Leute, die wenig Geld verdienen, mehr Geld verdienen." Scholz macht seinen ersten Treffer. Zu seinem Glück macht keiner Anstalten, nachzufragen.
Auch der Scholz-Satz, er habe die harte Politik der EZB gegen die Inflation unterstützt, trifft nicht auf Unverständnis, obwohl die EZB so dermaßen unabhägig ist, dass es vollkommen gleichgütig sein müsste, was Olaf Scholz unterstützt oder nicht.
Es wird teurer
Dass es teurer wird, dafür stehen beide. Merz zahlt künftig 200 Euro Klimageld im Monat. Die höheren CO2-Preise müssen niemandem Sorgen machen. Das wird alles sehr gerecht, sagt der künftige Kanzler. Das Duell geht konsequnet über Bande. Die beiden Kontrahenten streiten nicht miteinander, sie reden aneinander vorbei.
Merz hätte zum Beispiel die Idee, die Pflege künftig durch einer verpflichtende private Vollversicherung zu finanzieren. Man müsse die Arbeitskosten runterkriegen. Und wäre die Pflege privat zu versichern, zählten die Beiträge nicht mehr mit.
Scholz will de Single mit 5.000 Euro im Monat einfach für die Alleinerziehende mit 2.000 Euro mitzahlen lassen. "Dann wird es für uns alle billiger.
Parallel in Parallelwelten
Selten ist an einem Abend im Ersten parallel zum Zweiten so viel Halbwahrheit gesagt und so viel Zukunft versprochen worden. Alle haben alles richtig gemacht, alles wird bald noch richtiger. Alle reden aneinander vorbei. "Ich bin der Politiker, der in Deutschland am hästesten für Sanktionen steht." Wer Hat's gesagt?
"Wenn Sie ihre Sprechblase jetzt losgeworden sind", giftet Scholz. Wer drei Millionen verdient, kann ein bisschen mehr Steuern bezahlen! Mit "all den Gesprächen, die ich mit Trump geführt habe", verweist Olaf Scholz auf seine Erfahrung als Weltpolitiker. Friedrich Merz ist "immer sehr klar gewesen, was die Taurus-Lieferung betrifft".
Unsichtbare Zeitenwende
Blablabla und Blubberblub. Nicht was in diesen anderthalb Stunden geschwatzt wird, ist wichtig. Sondern das, was nicht vorkommt. Die Zeitenwende in der deutschen Politik, sie wetterleuchtet unsichtbar. Das Klima ist beiden Kandidaten inzwischen so "zentral" (Scholz) und wichtig wie den beiden austragenden Sendern.
Der Begriff fällt über den gesamten Abend nicht.
3 Kommentare:
Jetzt weiß ich, woran mich das Bild erinnert. Der Leuchtturm und der Beiwagen.
Pat & Patachon (original Fy og Bi) war ein dänisches Komikerduo der Stummfilmzeit. Es wurde verkörpert von Carl Schenstrøm (1881–1942) als Pat (original Fyrtårnet: Leuchtturm) und Harald Madsen (1890–1949) als Patachon (Bivognen: Anhänger oder Beiwagen). Zwischen 1921 und 1940 drehten beide etwa 55 Filme.
Vnimanie! Govorit Moskva! Govorit Moskva! https://x.com/roberthabeck/status/1888898877345931446
<< Dass sich der Zentralrat der Juden unter die Antisemitenimportspediteure reiht, erinnert nicht nur mich an gewisse Vorgängerräte ... >>
Klonovsky wird es wohl nie kapieren, bei aller Genialität sonst. Ebenso uns' Hadmut.
Kommentar veröffentlichen