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Im Internet kursieren erste Bilder aus der Talkshow, in der Robert Habeck sich selbst zum Gespräch empfängt. |
Letztlich ist es ein Akt der Gegenwehr, ein Aufstand gegen den Rechtsruck und ein Versuch der Selbstbehauptung gegen eine Medienlandschaft, die offenbar im Begriff ist, alle gemeinsamen Werte, alle gemeinsamen Ziele und alle gemeinsamen Verabredungen zu verraten. Deutschlands Medien rücken schon seit Wochen spürbar ab von den führendsten Politikern. Selbst für Robert Habeck, den beliebteste Kanzlerkandidaten seit Jahren, sind Gastauftritte bei Freunden, die aus ihrer Liebe und unumschränkten Zuneigung kein Geheimnis machen, seltener geworden.
Angst in den Redaktionen
Die Fankurve wendet sich ab. Seit Donald Trump in den USA durchregiert, wächst die Angst in den Redaktionsstuben, man könne beim Kurswechsel nicht schnell genug sein und am dicken Ende verantwortlich gemacht werden für ein ganzes Jahrzehnt bigotter Anbetung von Staat, Regierung und "unsere Demokratie". Die Gewalt, mit der die neue Administration auf der anderen Seite des Atlantik durch die festgefügten Institutionen fegt, befeuert akute Ängste. Was soll werden?
Bis in die Mitte des Elfenbeinturms waren die Absetzbewegungen unverkennbar. Und als Dunja Hayali die neue grüne Parteivorsitzenden Franziska Brandtner in ein Fernsehverhör nahm, das an Waterboarding-Methoden erinnerte, war es klar: Nicht nur die SPD, die CDU, die CSU, BSW und FDP sind bereit, mit Faschisten zusammenzuarbeiten. Nein, auch die ARD und das ZDF haben den Boden unserer Demokratie verlassen.
So sollen wir zusammenleben
Denn Hayali ist nicht irgendwer. Die Vielgesendete hat sich über viele Jahre hinweg den Ruf erarbeitet, den jeweiligen Zeitgeist in Echtzeit spüren und verstärkt übertragen zu können. Wie ihre ARD-Kollegin Anja Reschke mit "Haltung - Reschkes Rückenschule" hat Hayali mit "Haymatland: Wie wollen wir zusammenleben?" zur rechten Zeit eine Gesellschaftsschulung in Buchform veröffentlicht, die keine Wünsche übrig ließ. Der Nachfolger des gesellschaftskritischen Debüts "Is’ was, Dog? Mein Leben mit Hund und Haaren" hinterfragte bereits 2018 mutig, ob Deutschland wirklich "so ein tolles" (Hayali) Land sei, wie die Bundesregierung immer behauptet.
Merkel ging immer zu Will, das merkte man. Doch Dunja Hayali bewahrte sich ihren kritischen Geist. Klug versteckt hinter einem plakativ sanften Umgang mit amtierenden Regierungsmitgliedern, stellte sie gegenüber sogenannten "ÖRR-Kritikern" klar: "Jeder kann eine eigene Meinung haben, nicht aber eigene Fakten".
Unbestechliches Ethos
Ein Berufsethos, das jetzt auch die zu spüren bekommen, die bisher glaubten, sie könnten Hayali alles erzählen. Grünen-Chefin Franziska Brandtner bekam es bitter zu spüren, als sie sich im "Morgenmagazin" einfand, um ihre üblichen Sprechblasen und Worthülsen zu verklappen. Dunja Hayali nagelte sie fest und drehte die Nägel dann noch um: Hier und dort, ja haben denn da die Grünen nicht auch mit der AfD gestimmt? Brandtner, noch recht neu im Geschäft mit der Verbreitung von eigenen Fakten, war anzusehen, wie ungemütlich es ihr wurde.
Das muss eine Partei sich nicht bieten lassen, die drauf und dran ist, den nächsten Kanzler zu stellen. Nach dem Vorbild des großen Martin Schulz, der im Wahlkampf 2016 die Interviews, die niemand mit ihm führen wollte, einfach mit sich selbst führte, hat sich Robert Habeck entschlossen, im Zwiegespräch mit sich selbst vor seine Gemeinde zu treten. In Zeiten der Selfishness kein Tabubruch wie so mancher andere, eigentlich eher nur ein Selfie mit passgenau geschnittenem Inhalt: Habeck fragt und Habeck antwortet. Hier aber eben konfrontativ angeordnet.
Mit sich selbst im Gespräch bleiben
Was im Alltag oft irritierte Blicke von Mitmenschen provoziert, weil große Teile der Gesellschaft es nicht akzeptieren wollen, dass Menschen mit sich selbst sprechen, weil sie sich am besten verstehen, schafft hier wie selbstverständlich Akzeptanz. Nein, dieser Robert Habeck, er ist nicht allein, auch wenn das Team Habeck nicht anwesend ist. Der Kanzlerkandidat zeigt damit, dass keineswegs Anzeichen einer psychischen Störung, wie die Verhaltenspsychologin und Propagandadolmetscherin Frauke Hahnwech betont. Richtig sei das Gegenteil: "Wer mit sich selbst im Gespräch bleibt, kann seine Gedanken sortieren und seine Gefühle regulieren".
Gerade in kniffligen Situationen wie einem Wahlkampf, der engagiert, aber bisher ohne spürbaren Erfolg geführt werde, könne das helfen, den Überblick zu behalten. Dass einige Menschen das Selbstgespräch "irgendwie komisch finden", sei kein Beinbruch für die Glaubwürdigkeit.
"Wenn so ein Zwiegespräch in einem entsprechend düster ausgeleuchteten Raum mit violett changierendem Teppichboden stattfindet, der Ernsthaftigkeit und das Bemühen um Tiefe signalisiert, wird sich anfänglich durchaus denkbare Verwunderung schnell in Hochachtung verwandeln", glaubt Hahnwech, die vom neuen Konzept der Wissensvermittlung überzeugt ist. "Wir kennen das doch jeder von uns selbst, niemand ist manchmal selbst so kritisch wie wir selbst zu uns selbst sind."
1 Kommentar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Platonischer_Dialog
Fast alle Werke Platons sind in Dialogform abgefasst. Es sind fiktive Gespräche von zwei bis vier Diskutierenden.
Da hat Robert doch noch Spielraum. Er kann mit bis zu drei anderen Roberts diskutieren, ohne die klassische Form zu brechen.
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