Dienstag, 4. Februar 2025

Ein Hauch von Weimar: Tête à Tête mit dem Bürgerkrieg

Lilith Wittmann X ein bisschen Horrorshow
Niemand in der CDU soll sich mehr sicher fühlen: Die Zivilgesellschaft übt den digitalen Bürgerkrieg.

Die Geister, die sie riefen, sie werden sie so schnell nicht her los. Nach der Neueinstufung der CDU als Nazi-Partei brach ein antifaschistischer Widerstand los, wie ihn das Land schon seit zwölf Monaten nicht mehr erlebt hatte. Gewaltige Demonstrationslüge wälzen sich durch die Städte. Parteien kündigten einander die jahrelange Freundschaft auf, für immer und jetzt. Bei Grünen und Linken qualmen die Mitgliederdatenbanken, weil der Ansturm größer ist als jemals seit Gründung der SED. Je kleiner die Aussichten auf künftige Machtteilhabe, desto größer werden die moralischen Ansprüche.

Desto größer die Ansprüche

Nicht mehr sauber soll der Partner sein, sondern porentief rein. Die Dämonisierung der CDU, arbeitsteilig, aber gemeinsam betrieben von SPD, Linken, Grünen und AfD, verschiebt die politischen Gewichte ein weiteres Mal, diesmal aber nicht langsam, sondern im ICE-Tempo. Vor einer Woche noch  durfte der Wähler sich noch sicher aufgehoben in der politischen Mitte wähnen, wenn er zur Vermeidung weiterer vier Jahre Turbo-Wahlkampf für die AfD plante, Union oder die FDP seine Stimme zu geben, trotz alledem und alledem (Ferdinand Freiligrath).

Nach dem Schicksalstag mit der Symbolabstimmung im Bundestag, bei der CDU, CSU und Teile der FDP wie die SPD 1930 und 1933 mit den Nazis gemeinsam abstimmte, kocht das Wahlkampfwasser. Das Aufatmen der Parteien der Fußgängerampel darüber, dass der komplette Streit um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler nun voraussichtlich ohne störende inhaltliche Aspekte absolviert werden kann, er war zu hören. Als Caren Miosga die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel vorlud, wurde der Auftritt zur TV-Sternstunde. Unter der Überschrift "Was wollen Sie für ein Deutschland, Frau Weidel" geplant, entspann sich live ein Brennpunkt zum Thema "Sagen Sie doch nochmal etwas zum Holocaust".

Liebevoll und hart

Wer das Tête à Tête der Talkmasterin mit Robert Habeck erlebt hat, sah sich aus der Kuschelecke eine Katzencafés in einen Verhörraum des KGB zirka um 1977 versetzt. "Warum verdrehen Sie die Augen, Frau Weidel?", insistierte Miosga journalistisch hart, als sich die in Teilen als gesichert rechtsextrem beobachtete Parteivorsitzende weigerte, ein klares Bekenntnis zu ihrer Freundschaft mit Adolf Hitler und ihren eigenen Plänen für einen Dritten Weltkrieg gegen den Schuldkult abzulegen. Selbst das, was Tesla-Chef Elon Musk beim AfD-Wahlauftakt gesagt hatte, tat Weidel ab. Der Mann sei zwar Amerikaner, er sei auch Milliardär. Dürfe ja aber trotzdem sagen, was er wolle.

Nicht mehr lange, wenn es nach dem nordrhein-westfälischen CDU-Medienminister Nathanael Liminski geht. Der will künftig "deutliche Einschnitte vornehmen", um die von den Amerikanern eingeschleppte Vorstellung einer "grenzenlosen Freiheit" der Rede auf ein Maß zurückzuschneiden, das dem "grundlegenden europäischen Wert" der "verantwortungsvollen Freiheit" entspricht. Mag das Zensur nennen, wer will. Er wird es in Kürze nur noch in seiner Wohnung sagen dürfen.

Das Volk will es

Das Volk will es, weil es gar nicht weiß, was sich hinter dem "Sofortprogramm" der Union versteckt, das gute Chancen hat, in den Koalitionsverhandlungen nur noch leicht abgemildert oder weiter verschärft zu werden. Robert Habeck hat dem Rechtsruck  drinnen in den Sälen inzwischen Tribut gezollt und einen der üblichen Zehn-Punkte-Pläne vorgelegt, der "Vollstreckungsoffensive" eine Ahnung von Durchgreifen atmet. 

Erstmals plädiert der Grüne dafür, Gesetze nicht nur zu haben, sondern sie häufiger anzuwenden. Künftiger Schwerpunkt der grünen Bemühungen um Sicherheit sind "Islamisten und anderen Extremisten", die AfD wird also auch weiterhin weniger zu lachen haben als im Studio bei Caren Miosga.

Droht den Grünen Widerstand?

Wie lange es angesichts solcher Rechtsanwandlungen dauern wird, bis auch die ehemalige grüne Bürgerrechtspartei in den Fokus der Demonstranten gegen den Rechtsruck rückt, ist nicht abzusehen. Im Fall der CDU dauerte es nur Stunden, bei der SPD aber ist auch nach 35 Jahren kein Protest gegen die Zusammenarbeit mit NSDAP-Mitgliedern zu hören. Bleibt es dann bei ein "paar Besetzungen, ein paar Schmierereien", wie sie die Digital-Aktivistin Lilith Wittmann vorgeschlagen hat? Oder braucht es härtere Maßnahmen, um die Grünen zurück auf Kurs zu zwingen?

Ein Hauch von Weimar weht durchs Land, herbeigesehnt von allen, denen ein gewöhnlicher Wahlkampf zu langweilig und die Auseinandersetzung über Sachfragen zu anstrengend ist. Noch reden die verzankten Ränder miteinander, streng vertraulich. Noch sind alle Koalitionen denkbar, die niemand so recht will. Es muss weitergehen wie bisher, wenn es überhaupt weitergehen soll.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Trumps williger Helfer Musk streicht grad einigen zivilgesellschaftlichen Netzwerken in den Staaten die fetten Pfründen unterm Arsch weg. Das geht gar nicht und es brüllt natürlich bei uns aus allen Ecken 'Nie wieder!'.