Sonntag, 23. Februar 2025

Die Karnewahl: Wenn Wirdschonwerden gewinnt

zerstörtes Wahlplakat PPQ
Niemals zuvor haben Parteien so viel Geld für ihre Wahlkampagnen ausgegeben. Und niemals zuvor haben sie damit so wenig Erfolg gehabt.

Die Linke setzte das Tüpfelchen auf das I. Zuvor war schon einiges passiert in einem Wahlkampf, der zwar überraschend früh begann, anfangs aber auf traditionelle Weise abgehalten wurde. Hier ein wenig sticheln, dort eine Wolke aus vollmundigen Versprechen. Plakate mit unhaltbaren Zusagen. Vollversammlungen mit Verschworenen.

Dann aber kam von ganz links, dort, wo die Öffentlichkeit die politisch Untoten vergraben wähnte, diese Frau: Heidi Reichinnek, auf den ersten Blick nur eine weitere studierte Politfunktionärin. Auf den zweiten aber, zumindest öffentlich gewordenen Medienanalysen zufolge, die Frau, die die vormals als PDS bekannte SED ein weiteres Mal vom Totenbett gezerrt hat.

Das linke Wunder

Fast schien es wie ein Wunder, dass ausgerechnet die Partei, der im Vorfeld am wenigstens zugetraut worden war, im Wahlkampf Furore machte. Nicht das mit Vorschusslorbeeren bedachte "Team Habeck" mit seiner fetten Wahlkampfkasse und nicht die von der fossilen Back- und Panzerindustrie gepamperten ehemaligen konservativen und liberalen Parteien punkteten in den Umfragen. 

Sondern die mit ihren 35 Jahren  im politischen Berlin als Halbwüchsige geltende Frau mit dem sprechenden Namen: "Heidi" spielt augenzwinkernd auf den vom Althochdeutschen heit für "Erscheinung" abstammenden bekannten Filmnamen an, der vom Ende der 30er und Anfang der 40er Jahre besonders beliebt gewesen war.

"Reichinnek" aber bedient sich bei der ungarischen Grammatik. Das "Reich", auf das Deutschlands Linke traditionell fixiert sind, wird hier kombiniert mit Dativ und Verkleinerungsform: "Reichinnek" heißt so viel wie "dem Reichen nehmen", eine zentrale Forderung der Linken, für die nicht nur die gesamte Parteiführung mit ihren Gesichtern, sondern die beliebteste Kandidatin eben auch mit ihrem Namen steht.

Im Karne-Wahl

Das passt final zu einem Karne-Wahlkampf, der sich mehrfach selbst überholen musste, um sich einzuholen.  Obschon nicht geplant, kam es mehrfach zur direkten Konfrontation der Verantwortlichen mit der eigenen Bilanz: Die marode Infrastruktur, die von Pleiten bedrohten Kommunen, die anhaltende Wohnungskrise, die desaströse Bildungslandschaft, die Abwanderung der Wirtschaft, hohe Energiekosten, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und der längst verlorene Anschluss an neue Technologien rückten ungewollte mehrfach ins Blickfeld. Ehe es schließlich doch noch gelang, die gesamte Auseinandersetzung auf das Gebiet der Migrationspolitik zu verlagern.

Über Zukunft musste nicht gesprochen werden, soweit es nicht den Streit um die Frage betraf, mit welcher Begründung nach dem Wahltag Steuern weiter erhöht und die Schuldenbremse dennoch aufgehoben werden kann. Die politisch Gelähmten reklamierten Reformeifer, die Bürokraten riefen nach der Kettensäge zum Abbau der Bürokratie. Der Staat, seit einem Jahrzehnt das einzige, das in Deutschland noch wächst, wurde lagerübergreifend als einzige Kraft präsentiert, die durch ihr weiteres Wuchern dafür sorgen könne, dass die gesellschaftliche Spaltung langsamer wächst, der Wohlstand planmäßig schwindet und das Vertrauen in die Politik durch umfassende Hassgesetze dauerhaft festgeschrieben wird.

Verkehrte Wahlwelt

Dass die einzige Kanzlerkandidatin in einem durchweg männlichen Bewerberaufgebot von der in Teilen als gewissermaßen durchaus rechtsextrem aktenkundigen Partei gestellt wird, passt zum Gesamtbild. Die Frau, die das Land zurück in die dunkle Zeit vor 100 Jahren führen will, ist lesbisch, verheiratet mit einer migrantisch gelesenen Frau und teilansässig außerhalb der EU. Der Kandidat der nonkonformistischen Grünen trägt als einziger Anwärter streng konservative Weste.  

Verkehrte Wahlwelt eine Woche vor Rosenmontag. Der SPD-Kandidat heißt wie sein Gottkanzlervorgänger und schickt sich an, die Grube für die deutsche Sozialdemokratie noch ein wenig tiefer zu graben. Der hochgewachsene Favorit fällt nach jeder konservativen Ansage zuverlässig um. Der liberale Anführer schert sich um alles, nur nicht um die Verteidigung von Meinungsfreiheit und Grundrechten. Und das beste Pferd im Stall der Linken feiert Erfolge beim Hetzportal der chinesischen Genossen.

Umfragen zufolge wissen knapp drei Drittel der deutschen Wählerinnen und Wähler, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Zwei Drittel sind deshalb strikt gegen Reformen, ein weiteres Drittel hat große Angst davor, dass es sie wirklich geben könnte. Addiert ergeben diese großen Wählergruppen ziemlich genau die Stimmanteile der Personen und Parteien, die bis hierher Verantwortung getragen haben. 

Das Ergebnis steht schon fest

Lange vor der Schließung der Wahllokale ist deshalb klar: Auch die kommenden vier Jahre werden von Stagnation und allmählichem Abstieg geprägt sein. Mit Tricks und Augenzudrücken, gesetzlichen Festlegungen und Schattenhaushalten wird das Sozialsystem weiterhin einen Schritt vorm Abgrund gehalten. 

Mit der Verkündigung demnächst anlaufender Planungen für massive, tiefgreifende Reformen zum Bürokratieabbau wird der Bürokratieabbau weiterhin erfolgreich auf die lange Bank geschoben. Auch die extralegal aufgenommenen Zusatzschulden bei künftigen Generationen werden ertraglos verfrühstückt, um die bedrohlichen Ängste der Bevölkerungsmehrheit vor irgendeiner Art von Veränderung zu beschwichtigen. 

Der Staat, der sich über Jahre immer mehr ins Leben der Menschen eingemischt hat, schafft es zwar nicht mehr, seine ursprünglichen Aufgaben zu erledigen. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, für jede Kernaufgabe, die er nicht mehr erledigt, ein zusätzliches Versprechen abzugeben. Wer regiert, ist fast vollkommen egal, weil alle Parteien zwischen denen lavieren, die fürchten, dass es noch schlechter kommen könnte, denen, die wissen, dass es schlechter kommen wird, und denen, die darüber klagen, dass sich ja doch nichts ändere.

Zehn Jahre Stagnation

Nach zehn Jahren Stagnation, die ohne die ebenso lange währende Zuwanderung von fast vier Millionen neuen Konsumenten, Mietern, Wohlfahrtsempfängern und Steuerzahlern längst zu einem bodenlosen Absturz geworden wären, ist das Beste, was Wähler und Wählerinnen erwarten können, dass der Krug noch eine Zeit lang zum Wasser geht, ohne dass er bricht. 

Denen, die aus der Regierungsverantwortung scheiden, ist nicht alles gelungen, das aber doch: Ein akuter, für jedermann spürbarer Zusammenbruch wurde weitere drei Jahre lang vermieden. Denen, die das Ruder nun übernehmen, wird das eine Lehre sein. Auch sie werden weitgehende Reformen vermeiden und den politischen Kurs des Wirtschonwerden verlässlich weiterführen. 

Gut, dass die alte und die neue Regierung personell zum Teil deckungsgleich sind. In den wirklichen Stunden der Not, verlassen von allen guten Geistern, von Freunden und der fortune der Wirtschaftswunderjahre, ist es gut, wenn Erfahrung führt und dieselben Politiker an der Macht bleiben.


4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Dazu paßt, daß sich Gysi für die aktuelle Wahl im Mummenschanz der Hamas kostümierte, um noch ein paar Stimmen abzufassen.

https://www.instagram.com/dj.gysi/reel/DGIraDRMOyB/

Anonym hat gesagt…

#Und das Problem ist ja nicht, dass die Wahlwerbung so dumm ist. Sondern dass die Deutschen so dumm sind, dass man damit Wählergruppen ansprechen kann.#
Wo Hadmut recht hat, hat er recht. Er untertreibt nur etwas.

Anonym hat gesagt…

Das Denkmal, einst errichtet, um die Schrecken der Vergangenheit zu vergegenwärtigen ...

Nein, @Meinrad, Du Einfaltspinsel - DAZU wurde es NICHT errichtet. ("Offiziell" schon, das sei eingeräumt)

Anonym hat gesagt…

Dikigoros - Leser hier? Er hat seine Verdienste, zum Beispiel, dass der Lebensborn KEINE Arierzuchtanstalt war, von unseren edlen Befreiern 1948 höchstamtlich.
Dann wird einem wieder bange: Hätte Bismarck Nappi dem Dritten Wallonien oder gleich ganz Belgien in den ... gestopft, dann hätte der auf weitere Stänkereien verzichtet - kaum, sprach der Ochse, da sollte er gemolken werden ...