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Als Zonen-Gaby wurde sie berühmt, dann tauchte sie ab. Jetzt ist die Bananefrau aus dem Osten wieder da - als engagierte Wahlkämpferin für die Grünen. |
Es läuft insgesamt nicht wie gewünscht und schon gar nicht läuft es so großartig, wie es sich die Werbeprofis von Jung von Matt und der grüne Parteivorstand erhofft hatten. In zwei langen Wahlkampfmonaten wurde alles versucht. Aus Team Robert wurde Team Habeck, wegen der größeren Seriosität. Habeck trägt nicht mehr nur offenen Kragen und Hemdsärmel, sondern wie Helmut Schmidt und Joschka Fischer gern Anzugweste. Er hat inzwischen beinahe alle Grundpositionen der ehemaligen Umwelt.- und Bürgerrechtspartei geräumt, plädiert für ein hartes Vorgehen gegen Geflüchtete und will sogar illegale Straftäter verhaften lassen.
Gegen die Beharrungskräfte
Doch es hilft nichts. Die Umfragewerte sind wie festgenagelt, Habeck dringt mit seinen frohen Botschaften von Zuversicht und dem nahendem Öko-Paradies für alle einfach nicht durch. Noch schlimmer sieht es in Ostdeutschland, wo die Bionadeadel, Lastenradfans und Bevormundsliebhaber noch immer auf eine Mauer aus Unverständnis und hinhaltenden Widerstand stoßen.
Jahrzehnte an Diktaturerfahrungen haben viele immun gemacht gegen Verheißungen und Versprechen. Oft spielt auch Herkunft eine Rolle: Habeck gilt in den weitestgehend entvölkerten Landschaften von Sachsen, Thüringen und Mecklenburg als Auswärtiger, dem nicht mehr zu trauen ist als dem Verfasser einer Spam-Mail, der den Gewinn von 78 Millionen in einer Lotterie mitteilt, an der der Empfänger nie teilgenommen hat.
Geschmeichelt vom Anruf
Dass es bei Gaby Wüstemach klingeln musste, war also eigentlich klar. Als es dann klingelte, war die heute 52-Jährige trotzdem verblüfft. Aber geschmeichelt: Ein leitender Mitarbeiter von Team Robert (inzwischen "Team Habeck") bestellte ihr "die liebsten Grüße von unserem Kanzlerkandidaten", wie sie sich Wort für Wort genau erinnert. Wie so viele Frauen in Deutschland schätzt auch Gaby Wüstenach den grünen Kanzlerkandidaten "einfach, weil er sich gut anschaut und man gut träumen kann, wenn er spricht". Ein Türöffner für die Partei des derzeit fast beliebtesten Anwärters auf die künftige Kanzlerschaft, denn so war Gaby Wüstenach bereit, sich eine persönliche Bitte der grünen Kampagnenleitung anzuhören.
"Es ging um die Ostflanke", sagt sie, "und darum, dass die Vorbehalte gegen Wessis bei uns immer noch groß sind, dass die schönsten Versprechen nicht verfangen". Gaby solle, so die Bitte, mit ihrer Prominenz helfen, Team Habeck die Tür zu den Herzen der Sachsen, der Thüringen und der Menschen in Sachsen-Anhalt zu öffnen. Denn so bescheiden sich die Frau aus Sachsen gibt - sie ist in Ostdeutschland eine Person der Zeitgeschichte, die jeder kennt. Vor 35 Jahren war sie es, die mit einer frischgeschälten Gurke auf dem Titelbild des Magazins "Titanic" posierte und stolz behauptete, dies sei ihre erste Banane.
Erste Schritt auf große Bühne
Für Gaby Wüstenach war es der große Schritt auf die öffentliche Bühne. Ihr Porträtbild mit Banane wurde zum Symbol für den Wandel in Deutschland, ein Angebot an alle Ostdeutschen, sich einzulassen auf eine Gesellschaft, die ihren sprichwörtlichen Bananenhunger stillen würde. Gaby, damals erst 17 Jahre alt, fand sich im Mittelpunkt eines gewaltigen Trubels wieder, sie war das Gesicht des dummen Ossis und erlangte über Nacht Berühmtheit.
Doch der Ruhm brachte ihr nicht nur viel Freude. Typisch ostdeutsch und mental verkrüppelt vom Topfen in der Diktatur fühlte sie sich überfordert und unwohl mit der plötzlichen Aufmerksamkeit. Um sie und die Integrität der deutschen Einheit zu schützen, wurde die Legende verbreitet, sie stamme in Wirklichkeit aus Worms in Rheinland-Pfalz. Doch verfolgt von Hass und Spott blieb Gaby nichts anderes übrig, als für viele Jahre unterzutauchen und den Schutz der Anonymität der kleinen Dorfgemeinschaft zu suchen, in der sie als Tochter eines Konsumverkaufsstellenleiterehepaares aufgewachsen war.
Das gewagte Comeback
Nun plötzlich das Angebot, ein Comeback zu wagen. Es kam einigermaßen unerwartet für die 52-Jährige, die verheiratet ist, erwachsene Kinder, als Umwelthelferin und Wochenmarktverkäuferin arbeitet und nie daran dachte, noch einmal als öffentliche Person aufzutreten. "Doch ich habe das Angebot dem Familienrat unterbreitet", schildert sie, "und vor allem unsere Kinder und Enkel haben mich inständig gebeten, den Bitten der Grünen nachzugeben, um Robert Habeck in Ostdeutschland zusätzliche Sympathien zu verschaffen".
Gaby Wüstenach selbst macht sich große Sorgen um das Klima, für sie ist Engagement Ehrensache, etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr in ihrem Heimatort. "Und mir liegt auch viel daran, dass es bei den Wahlen nicht zu einem Rechtsruck kommt, der Deutschland durch das Tor zur Hölle zurück ins Jahr 1933 stürzt". Nach 24 Stunden stand ihre Entscheidung, von Ehemann Ralf, den drei Söhnen und ihren Ehefrauen und den sechs Enkeln einhellig unterstützt: Gaby Wüstenach stimmte zu, noch einmal zum Plakatstar zu werden, diesmal für eine gute Sache.
Werbung für eine Herzenssache
Auf dem Plakat, mit dem sie nun überall in Ostdeutschland für die Grünen wirbt, heißt sie in Erinnerung an früher wieder "Zonen-Gaby" und sie wirbt mit einer traditionellen Ost-Banane als "Eine von mir". Gaby Wüstenach wandelt das Habeck-Motto vom "Ein Mensch. Ein Wort" sprachgewandt in "Ein Mensch. Eine Banane" um. "Ich wollte, dass es ein bisschen persönlich ist, direkt von mir",s agt sie.
Die Ereignisse vor 35 Jahren, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, habe Gaby Wüstenach inzwischen gut verarbeitet. Schaut sie heute auf das Titelbild des deutschen Satiremagazins "Titanic", muss sie über junge Gaby aus Sachsen schmunzeln, die mit einer geschälten Gurke in der Hand posiert und weder bemerkt, dass es sich nicht um eine Banane handelt noch darüber informiert wurde, dass die Frucht vielerorts als frauenfeindliches, sexistisches Phallussymbol missverstanden werden wird.
Erst in den vielen Jahre ihres "Lebens im Schatten", wie Gaby Wüstenach ihre lange Auszeit von der Öffentlichkeit selbst nennt, seien ihr diese misogynen Dimensionen ihres Auftrittes klargeworden. "Man muss bedenken, ich war damals noch minderjährig und wurde auf offener Bühne missbraucht." Aus den Gefühlen tiefer Verletzung resultiert Wüstenachs tiefer Engagement für die Umwelt und eine nachhaltige Lebensweise.
Die mutige Klimatrommlerin
Öffentlich für ihre Ziele zu trommeln, das Klima zu erhalten, die Zwei-Grad-Ziele zu erreichen und die Wirtschaft nachhaltig zurückzubauen, all das wäre Gaby Wüstenach nie in den Sinn gekommen. "Ich sehe mich als kleines Licht, das wie viele Ostdeutsche sein Ding macht und seine Ruhe haben will." Doch die Bitte der Grünen, im Wahlkampf zu helfen, brachte eine Saite in Gaby Wüstenach zum schwingen. "Wenn ich auf meine Enkelinnen und Enkel schaue, dann möchte ich, dass es denen mal besser geht."
Für das Ziel, der im Osten so oft verspotteten, verlachten und angegriffenen grünen Parteineue Sympathien zu verschaffen, schlüpfte Gaby Wüstenach bereitwillig noch einmal in ihr "Bananenkleid", wie sie es selbst ironisch nennt. "Ich habe hier eine einmalige Chance, meine Werte und Sorgen öffentlich zu machen", sagt sie. Nur deshalb sei es ihr gelungen, inneren Gespräch mit sich selbst alle Bedenken zu überstimmen, die sie durchaus bewegt haben. "Ich konnte die Last, die das Bildberühmte von von mir damals mit sich brachte, nie ganz abwerfen", gesteht sie. "Zonen-Gaby" war für sie weit mehr als nur ein gespielter Witz über den Osten, die Figur, die sie so glaubwürdig verkörperte, war Teil ihres Lebens.
Sehnsucht nach einem positiven Erbe
Gaby Wüstenach will sich jetzt endgültig frei machen. "Wenn ich meine Energie und meine Bekanntheit in den Kampf gegen den Klimawandel einbringen kann", glaubt sie, "dann verwandle ich das Horrorbild, das viele immer noch von mir haben, in etwas Positives". Sie möchte die Plattform, die ihr die im ersten Schwung gedruckten 50.000 Zonen-Gaby-Plakat bieten, nutzen, um auf ihr Umweltbewusstsein aufmerksam zu machen, über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Lebensweise zu informieren und Wählerinnen und Wählern zu verdeutlichen, dass eine Stimme für Robert Habeck am besten hilft, regionale Kreisläufe zu stärken.
"Ich will den Rechten ihre Themen Heimat, Identität und Herkunft am liebsten wegnehmen", sagt Gaby Wüstenach, die in den vergangenen Jahren viel theoretische Literatur gelesen hat, so etwa von Hobbes, Marx und Michel Foucault. "Dass uns Riesenkonzerne einreden, es müssten Bananen vom anderen Ende der Welt auf den Tisch, Kaffee aus Äthiopien und Palmöl aus Asien, das finde ich falsch", sagt sie. Die Gurke sei die Chance, eine andere Geschichte zu erzählen, das Klischeebild zu brechen und mit "Eine von mir" ein Statement zu setzen, dass nicht die exotische Frucht, sondern das heimische Gemüsefest in der ostdeutschen Gesellschaft verankert ist. "Das hilft dem Klima, das hilft unseren ostdeutschen Gurkenbauern, das hilft den rumänischen Erntehelfer und das hilft letztlich unseren Enkeln."
Ein Mensch, keine Banane
War das im Westen hämisch bejubelte Plakat mit der Aufschrift "Ein Mensch, eine Banane" noch eine symbolische Herabsetzung aller migrantischen Menschen mit Wurzeln im Osten, so ist "Eine Banane. Ein Wort" das ganze Gegenteil. Gaby Wüstenach emanzipiert sich stellvertretend für ihre Landsleut*innen, sie stellt den Mensch mitten in die ihn umgebende natürlich Natur und zugleich in die Verantwortungen, die jeder trägt. Ihre "Banane" mag immer noch eine simple Gurke sein, aber sie jetzt ein Symbol für Ressourcen und wie der Mensch sie nutzen kann, wenn er an der wahlurne die richtige Entscheidung trifft - nachhaltig und gerecht.
Natürlich wissen kaum jemand besser als Gaby Wüstenach und ihre gute Freundin Regina Zindler um die Ambivalenz des Ruhms. Gaby hat keine Zweifel daran, dass ihre Rückkehr Aufmerksamkeit bringen wird, Medieninteresse, höhnische Verrisse und böse Mails. Aber sie sei fürchtet sich nicht, denn sie weiß sich bei Team Habeck gut aufgehoben.
"Ich bin entschlossen, meinen Ruhm zu nutzen, um eine Botschaft zu verbreiten, die mir am Herzen liegt", sagt sie. Gaby, nun älter und weiser, aber immer noch die süße Ossi-Frau von damals, handelt nicht mehr fremdbestimmt, sondern aus einer Mischung von Verantwortungsbewusstsein, Wunsch nach Wiedergutmachung für die Umweltsünden der DDR und dem ehrlichen Verlangen, für eine bessere Welt zu kämpfen.
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