Samstag, 11. Januar 2025

Rote Insel im braunen Meer: So einsam in Europa

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Das sozialdemokratische Zeitalter, das 2021 ausgerufen worden war, droht schon wieder zu enden.

Im Osten und im Westen, im Norden und weiter abseits an den Rändern ohnehin. Deutschlands Rolle als mittiger Kern EU-Europas hatte sich in den zurückliegenden Jahren immer deutlicher herauskristallisiert, je tragischer sich die Zahl der gescheiterten oder bedrohten Demokratien in der Wertegemeinschaft erhöht hatte. Die Nation, die wegen ihrer früheren Alleingänge keine mehr sein möchte, entwickelte sich zur Herzkammer dessen, was die EU einmal hatte sein wollen: Ein perfektes Beispiel für gelingende Vielfalt, funktionierenden Klimaschutz und große Pläne bei der Umstellung allen Lebens auf grünen Wasserstoff.

Abgewandt von Berliner Ansagen

Die Beispielwirkung, auf die Politik, Medien und Wissenschaft gehofft hatten, blieb jedoch aus. Waren es anfangs nur die Ungarn gewesen, die sich abwandten vom Konzept der offenen Gesellschaft, in der jeder alles sagen darf, so lange es nicht verboten ist, folgten bald weitere Staaten. Polen fiel zeitweise ab. In Dänemark gab die altehrwürdige Sozialdemokratie ihre Grundwerte preis, um dafür die Macht einzuhandeln. 

Ganz Skandinavien, großzügig aufgenommen in EU und Euro, suchte seinen eigenen Weg und es suchte ihn zunehmend weit rechts außen. Frankreich, früher engster Partner, wackelte und fiel. Italien war da schon unter die Fuchtel einer "Postfaschistin" (Spiegel) gerutscht, deren lange Finger bis nach Brüssel reichten. Die Kommission, Hüterin der Verträge, agierte in Angst, ja, beinahe schon Panik, als sie der europäischen Trump, die "keine Partnerin für von der Leyen sein kann" (Vorwärts), einen rote Teppich ausrollte, um ein "Team Europa" zu bilden - "eine erstaunliche Allianz zum beiderseitigen Nutzen". Die der auf Mitte und Gemeinsamkeit ausgerichtet EU-Demokratieverwaltung zweifelsohne schweren Schaden zufügen wird.

Der Fall von Wien

Denn nach dem Fall von Wien wird Deutschland zur roten Insel im braunen Meer. Zwar ist Polen zurückerobert worden, das Land, das unter Jarosław Kaczyński viele Jahre lang als schrecklichster Fall eines Regimes galt, das sich jedem guten Rat aus Berlin schon aus Prinzip verweigerte. Doch ringsum findet Deutschland kaum mehr Verbündete, um den in der EU eigentlich verabredeten strikten Kurs auf gerechten Übergang, Transformation und Planwirtschaft beizubehalten.

Die Kommission hat nicht nur ihre Kommissariaten neue Namen gegeben und fantastische Vorhaben wie den "Green Deal" stillschweigend beerdigt. Nein, sie sieht sich damit auch als Vertreterin eines vermeintlichen "Volkswillens" in der größten Staatengemeinschaft der Menschheitsgeschichte: Frankreich steht vor der Unregierbarkeit, Österreich vor einem möglichen Machtwechsel, Ungarn und die Slowakei machen Putin unabgesprochen ihre Aufwartung. Selbst das sicher geglaubte Polen ist noch lange nicht wieder endgültig in trockenen Tüchern.

Drohender Vielfrontenkrieg

Der künftigen Bundesregierung droht ein Mehrfrontenkrieg. Gelingt Bundeskanzler Olaf Scholz ein zweites Wahlwunder und ein erneuter Einzug in Kanzleramt, wäre er einer von nur noch sieben sozialdemokratischen Regierungschefs in der EU, dabei aber sind die Slowakei mit ihrer eigenen Interpretation von Sozialdemokratie, Dänemarks Rechtsabweichler und Rumänien mit seiner TikTok-Demokratie mitgezählt

In seiner zweiten Amtszeit wäre Scholz ähnlich einsam in Europa wie ein möglicher grüner Kanzler Robert Habeck. Nicht nur beim Atomausstieg, den Deutschland als einziger Staat weltweit unbeirrbar von den neuen Realitäten mitten in einer Energiekrise vollzogen hatte, und beim Umgang mit Wirtschaft und Migration steht das Land, dessen Kanzlernde früher gemeinsam mit den französischen Präsidenten die Ansagen machten, einsam in Europa. 

Nur noch schlechtes Beispiel

Deutschland wirkt allenfalls noch als schlechtes Beispiel. Der Niedergang der Wirtschaft, die in ganz Europa unter der Last der von der EU in einem endlosen Strom produzierten Auflagen, Vorgaben und Beschränkungen zu leiden hat, ist hier noch ausgeprägter. Der Leistungswille wird durch planwirtschaftliche Gängelung noch gründlicher erstickt, ohne das direkte Eingreifen des Staates ist den Deutschen weder Wirtschaftstätigkeit noch Konsum, nicht Alltagsleben, Schuhezubinden oder eine zivilisierte Debatte um irgendetwas mehr vorstellbar.

Auch der aktuell laufende Wahlkampf schreckt wohl so manchen ab, der früher aus Tschechien, Polen oder Italien neidisch auf das Land schaute, das Türken und Sowjets nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut hatten. Als wollten sie die Bürgerinnen und Bürger, denen sie gemeinsam mit der Union in nur einem Jahrzehnt Wohlstandverluste von mehr als 30 Prozent beschert hatte, zwingen, den Kakao auch noch zu trinken, durch den sie gezogen werden, höhnt die SPD von "Mit Sicherheit mehr Netto". Die CDU behauptet, sie wisse, wie man Deutschland "wieder nach vorne" bringe. Und die Grünen haben entdeckt, wie man "Zusammen/wachsen" könne.

Ein grausiges Spektakel

Die Bürgerinnen und Bürger der restlichen EU sehen dem Spektakel mit Grausen zu.  Häufig schon ist Deutschland in der Gemeinschaft seine eigenen Wege gegangen, vor allem im Rausch der eigenen Bedeutung beschimpften Berliner Politiker beinahe der Reihe nach ringsum sämtliche Staats- und Regierungschefs der Partnerländer als Abweichler, EU-Rechtsbrecher und Spalter, die gemeinsame EU-Lösungen verhinderten

Wusste in Berlin auch schon in der Ära Merkel sichtlich niemand mehr, was zu tun war, um das Land betriebs- und funktionsfähig zu halten, so war doch allen irgendwann mitregierenden Parteien klar, dass nur Deutschland alles richtig machte. Meist stillschweigend hatten die Partnerstaaten sich  mit dieser deutschen Arroganz arrangiert, achselzuckend oder aber auch nur auf eine Gelegenheit lauernd, es dem Oberlehrer mit der ewigen Aktentasche voller Anweisungen heimzuzahlen.

Am liebsten natürlich in dessen eigener Währung: Pochen auf Vereinbarungen, die getroffen wurden, als die Sonne schien und das Leben schön war. Die aber beim ersten Regen selbst die nicht mehr mögen, die sie sich ausgedacht hatten.


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