Montag, 27. Januar 2025

Merz: Ein Weg geht seinen Mann

Friedrich Merz unternahm zuletzt einen Verzweiflungsangriff, um die wegbröckelnden Umfragewerte nach oben zu drehen. Inzwischen hat er das Boot wieder umgesteuert.

Jetzt!, hatte der schärfste Konkurrent sich unmittelbar danach auf das "nie wieder" der Nazizeit bezogen. Der zweitstärkste Mitbewerber ließ erkennen, dass er bereit sein wird, auch diese Kröte noch zu schlucken, wenn es ihm den liebgewordenen Ministersitz erhalten würde. Der CDU-Vorsitzende dachte eine Nacht lang nach. Und erschien am Tag nach der "Bluttat von Aschaffenburg" im Kostüm des harten Hundes auf der politischen Bühne.

Angriff auf die Brandmauer

Grenzen dicht, Ausländer raus, Merkeldeutschland abwickeln, die EU, aber auch die Parteien, die darum buhlen, an seiner Seite weiterregieren zu dürfen, sie alle können ihn mal. Friedrich Merz kannte keine Prinzipien mehr, nicht mal seine eigenen. Keine Brandmauer, keine gemeinsamen europäischen Lösungen, sondern nur noch Deutsche. 

Der Applaus kam aus der rechten Ecke, doch seine Gegner aus der linken sparten nicht mit Kritik. Hält die Brandmauer zur AfD doch? Will Merz sie umgehen, einreißen gar? Der Fünf-Punkte-Plan des favorisierten Kanzlerkandidaten provozierte die, die sich gute Chancen ausgerechnet hatten, die kommenden vier Jahre in aller Ruhe weiterregieren zu können, diesmal an der Seite der Union, aber davon abgesehen auf dieselbe Art. 

Die unerbittliche Bühnenfigur

Kaum hatte Merz seine neue, unerbittliche Bühnenfigur vorgestellt, versuchte die Konkurrenz der anderen demokratischen Parteien, den starken Mann der Mitte bei den Wählern madig zu machen. Auf Merz sei nie Verlass. Er dürfe nie Kanzler werden. Er müsse umkehren, nur dann bekomme er "eine zweite Chance", ließ der Bündniskanzler Robert Habeck bestellen. Aus dem rechten Lager höhnte es gleichlautend: Merz rede viel. Aber sicher sei, dass er wenig liefern werde.

Es sind die dieselben demokratischen Abwehrreflexe, mit denen Friedrich Merz zu kämpfen hat, seit er das durch den Rückzug seiner früheren Gegnerin Angela Merkel entstandene Vakuum nutze und an die Spitze der CDU zurückkehrte. Immer wieder ist der Sauerländer verunglimpft worden, mal als Investmentbanker, mal als Blackrock-Lobbyist. Stereotyp auch die Beschimpfung des CDU-Chefs als Scharfmacher und Weichling: was Merz auch sagt und tut, recht war es nie jemandem, weil es entweder zu rechts war oder nicht rechts genug.

Der A- und B-Sager

Dabei wird dem 69-Jährigen schweres Unrecht getan. Friedrich Merz ist, jeder der möchte, kann das sehen, das genaue Gegenteil des rückgratlosen Gesellen, als der er dargestellt wird. Die Handlungsabläufe des Unionskandidaten für das Bundeskanzleramt sind verlässlich stets dieselben: Merz sagt an einem Tag A, am nächsten Tag B sagen und am dritten versichert er, dass A noch nie zu seinem Wortschatz gehört habe. 

Auf Friedrich Merz ist damit viel mehr Verlass als auf irgendeinen der anderen im Aufgebot des Kanzlerkandidatenkabaretts: Merz ist absolut berechenbar, sein Wort gilt, so lange es gilt. Danach gilt etwas anderes, das aber unanzweifelbar.

In der umzingelnden Wirklichkeit

Heute ist er hier und morgen, mal sagt er dies, mal sagt er das, heute so und morgen so  - kein anderer Kanzlerkandidierenden hat eine so stringente Art, mit der die Spitzenkandidaten umzingelnden  Wirklichkeit umzugehen. Friedrich Merz ist kein Umfaller wie seine Vorgänger Helmut Kohl und Angela Merkel, die mit festen Versprechen Wahlen gewannen und anschließend regelmäßig vergessen hatten, was sie zugesagt hatten. Er ist auch kein Wegducker und Täuscher wie Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck, die selbst die Vorhaben, bei denen sie sich einig waren, so ungerührt auf die lange Bank schoben, dass sich schließlich nicht einmal die ältesten Medienmitarbeiter noch daran erinnerten, einmal nachzufragen, was daraus werden soll.

Friedrich Merz kann nicht umfallen wie Habeck oder Scholz, die im Moment der Angst vor dem Machtverlust bereit sind, selbst frühere Grundpositionen aufzugeben. Merz hat so etwas nicht und, das ist im politischen Raum noch seltener, er kann nicht umfallen, weil er sich Zeit seines politischen Lebens kriechend vorwärtsbewegt hat, die steil Ohren aufgestellt und die Fühler ausgestreckt, um noch den leisesten Hauch zu erspüren, der auf einen Wechsel der Windrichtung deutet. 

Der Zurückruderer

Häufig kommt es dabei zu dem, was seine Kritiker als "Zurückrudern" framen. Friedrich Merz spricht entschlossen Probleme an, er räumt das Schlachtfeld verbal frei und präsentiert öffentlich eine populistisch radikalisierte Version von sich selbst. Anschließend scheut er aber jede Konsequenz und ntzt die erstbeste Gelegenheit, sich ins Schneckenhaus der Seriosität zurückzuziehen, von der er glaubt, dass sie die Wählerinnen und Wähler am meisten an ihm schätzen.

Der Merz, der den Trump spielte, vom Durchregieren am ersten Tag sprach und allen möglichen Koalitionspartnern den Stuhl vor die Tür stellte, wenn sie nicht bereit seien, sich ihm zu beugen, tanzte auch nur einen Tag lang. Auf die vollmundige Ankündigung,  dass er die ganze Sache leid sei und im Bundestag dafür sorgen werde, dass es ein Ende habe mit offenen Grenzen und illegaler Einwanderung, ganz egal, wer ihm zur nötigen Mehrheit verhelfe, wurde ein Mann, der sich aufs Bitten verlegt. 

Petition der Kerzenmacher

Statt eines Gesetzes wird Friedrich Merz im Bundestag eine Art Petition vorlegen. Statt mit der Mehrheit der Oppositionspartein im Hohen Haus ein Verboten illegaler Einreisen durchzusetzen, plant Merz eine neue Petition der Kerzenmacher im Stile Frédéric Bastiats. Die Fußgängerampel solle dafür sorgen, dass. Die Hand der Union sei ausgestreckt. Die Brandmauer intakt.

Der neue Besen sei's gewesen, der alte Hexenmeister muss es richten: Und nun komm, du alter Besen!Nimm die schlechten Lumpenhüllen; bist schon lange Knecht gewesen, nun erfülle meinen Willen!" fordert Friedrich Merz, dessen Gestaltwandel von Franz-Joseph Strauß zu Jürgen Trittin sich binnen eines Wimpernschlagen vollzog. Aus "es ist mir egal, wer mir folgt" wurde ein Bittbrief an SPD, Grüne und FDP, aus der Entfesselung aus der Umzingelung der Ideologen ein kleinlaute Subbotnik zur Reparatur der Brandmauer.

Ein Boot mit pfannengroßen Löchern

Ein Weg geht seinen Mann, dessen Boot hat pfannengroße Löcher, aber der Kapitän hat größere Angst vor dem Vorwurf, aber er öffne die Grenzen nach rechts, als davor, der Eindruck zu vermitteln, dass da ein Bettvorleger springe, der regelmäßig als Taschentuch lande. Friedrich Merz laviert, weil es seine Art ist, er taktiert, weil er fürchtet, seine Partei zu beunruhigen. Dass es ihm geht wie der amerikanischen Wahlfavoritin Kamala Harris, die einen ähnlichen Kurs fuhr, abgeduckt unter Nebeltöpfen, ist nicht zu befürchten. 

Die Handlung von Teil zwei des Filmes, den Friedrich Merz als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller verantwortet, ist aber im aktuellen Streifen bereits angelegt. Diesmal wird es noch einmal reichen für den demokratischen Block, diesmal wird noch irgendeine Variante einer bunten Zusammenarbeit in einer Vielfaltskoalition zustande kommen. Friedrich Merz erreicht sein Lebensziel, einmal Kanzler zu sein und es der Frau zu zeigen, die ihn einst abserviert hatte.

Was später wird und wer anschließend regiert, kann ihm gleich sein. 


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein Buchhalter in einem leckenden, surrealen Boot, der den Wasserfall heruntergerauscht ist und wieder hochrudern möchte. Das ist Merz.