Anonyme Faktenchecker und geheime Algorithmen sorgten über Jahre für Meinungsfreiheitsschutz bei Facebook. |
Es war ein hybrider Angriff, diesmal nicht mit dem Schleppanker auf dem Ostseegrund oder als islamistischer Weichfilter, der eine feministische Außenministerin ausradiert. Amerika hat andere Methoden, perfide Tricks, mit denen die kommende Administration Europa gezielt unter Stress setzt - ein Europa, dessen wichtigste Nationen gelähmt sind, geführt nur noch von Verwaltungsregierungen und bibbernd vor Angst, in Kürze unter einer Brandmauer begraben zu werden, die sie selbst mit Fleiß und Leidenschaft errichtet haben.
Keine Gegenwehr
Die EU kann in diesem Moment der größten Not auch nicht helfen. Ursula von der Leyen ist erkrankt, zudem gilt die frühere Nachfolgekandidatin für das Kanzleramt in Berlin als zu gewitzt dafür, sich im falschen Moment immer noch mit den Richtigen anzulegen. In dem Moment, in dem Meta-Chef Mark Zuckerberg in den USA die Rückkehr zur Meinungsfreiheit verkündete, war in Europa so kein Entscheidungsträger verfügbar, der die Kampfansage an die Wertegemeinschaft mit Meinungsfreiheitsschutzsystem hätte robust verteidigen können. Jetzt rächte sich, dass die EU nicht längst ein eigenes System von streng überwachten sozialen Netzwerken aufgebaut habe, hieß s bei der ehemals konservativen FAZ. Die 27 Mitgliedsstaaten hätten "viel zu lange gefallen lassen", dass das Maß an zu gewährender Grundrechte in amerikanischen Firmenzentralen definiert werde statt von europäischen Politikern, Amtsträgern, Behörden und beauftragten Meinungsfreiheitsschützern. "Die EU sollte den Handschuh aufnehmen und den Off-Knopf für Zuckerberg & Co zur Verhandlungsmasse erklären", hieß es. Statt sich einer von Ausländern definierten Meinungsfreiheitsattacke zu unterwerfen, solle Europa standhaft bleiben und all die US-Netzwerke im Zweifelsfall eben abschalten. "Knie beugen ist keine Option."
Unter dem Deckmantel
Die Angst, die den Elfenbeinturm hinaufkroch, nachdem sich Mark Zuckerberg zur Rückkehr zur Meinungsfreiheit bekannt hatte, war mit Händen zu greifen. Der "Spiegel" beschrieb die "spektakuläre Kurswende" als "Kapitulation", beim ZDF war es ein "Kniefall", die FAZ entdeckte in der Rückbesinnung auf die Grundwerte einen Liebesdienst für Donald Trump dem Deckmantel der "freien Meinungsäußerung". In Anführungsstrichen. Hinterbänkler in Brüssel und deutsche Wahlkämpfer drohten mit Strafen.
Ein Flügelschlagen für die Tribüne, das die vollkommene Hilflosigkeit von Politik und Medien angesichts einer disruptiven Entscheidung illustriert: Ganze Bibliotheken sind vollgeschrieben worden mit Taktiken und Strategien, die der EU angeblich Panzer und Schild sein sollten, um eine zweite Amtszeit von Donald Trump zu überstehen, ohne sich von liebgewordener Bürokratie, lähmenden Vorschriften und nimmermüden Verbotsfantasien trennen zu müssen.
Und nun ist er noch nicht einmal im Amt. Und die komplette Leitungs- und Führungsebene des alten Kontinents steht nackt im Wind einer unerwarteten Wirklichkeit, weil X und die Meinungsfreiheit bedrohen, indem sie die Meinungsfreiheit der Nutzer nicht mehr einschränken.
Hilflos und entsetzt
Wie entsetzt und hilflos die Reaktionen ausfielen und welche totalitären Schlüsse selbst einstige Kämpfer die Freiheit im Netz reflexhaft aus der Zuckerberg-Ankündigung zogen, zeigt ein Gespräch zwischen der ARD-Moderatorin Jessy Wellmer und Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur des Blogs Netzpolitik.org und Beherrscher des Kunststücks, zugleich "netzpolitischer Aktivist" und unabhängiger Journalist zu sein. Ehemals focht Beckedahl unter dem Motto "Fighting for your digital rights" für Freiheit im Internet. Heute ist er sichtlich beunruhigt davon, dass sie gewährt werden soll.
Jessy Wellmer: Keine Faktenprüfer mehr bei Facebook und Instagram, das wird der zukünftige US-Präsident Trump lieben. Warum macht Zuckerberg diesen Kniefall vor Trump?
Beckedahl: Diesen Kniefall macht Zuckerberg, weil er sich bei Trump einschleimen möchte. Vor genau vier Jahren hat Meta die Konten von Trumpf infolge der Capitol-Erstürmung und der Befeuerung des Mobs dort durch Donald Trump gesperrt. Danach war man in Ungnade gefallen und jetzt versucht man, sich auf die richtige Seite zu retten, indem man Zugeständnisse an die republikanische Trump-Linie macht und alle Wünsche erfüllt, die aus dem Lager an Meta, an Mark Zuckerberg gestellt werden.
Wellmer: Mark Zuckerberg hat eine 180-Grad-Wende vollzogen. Wie überraschend kommt die jetzt?
Beckedahl: Es war nicht ganz überraschend, aber das Ausmaß, was Mark Zuckerberg heute verkündet hat, das war dann doch überraschend, weil, er hat eigentlich eine komplette 180-Grad-Kehrtwende hingelegt. Alle Verbesserungen, die Meta in den letzten Jahren eingeführt hat, gegen Desinformation vorzugehen, Hass und Hetze auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder WhatsApp zu bekämpfen, sollen größtenteils zurückgenommen werden und die amerikanische Redefreiheit, die auch einschließt, dass man mit Gewaltdrohungen gegen andere hetzen kann, soll eingeführt werden. Das heißt, zukünftig darf eigentlich alles gesagt werden, auch wenn die Rechte von anderen verletzt werden, zumindest in den USA.
Wellmer: Das gilt erstmal für die USA, heißt es zumindest. Können da die europäischen Nutzer sagen, betrifft uns ha gar nicht?
Beckedahl: Also dass Faktchecking-Instanzen nicht mehr mit Geld gefördert werden sollen, das bezieht sich erstmal auf die USA. Es ist unklar, wie sich das in Deutschland auswirkt, wo unter anderem die Deutsche Presseagentur, die Nachrichtenagentur AFP und das Medienunternehmen Correctiv hier von Facebook, von Meta gefördert worden sind. Aber die globalen Regeländerungen, die sollen für alle gelten, wonach halt die Redefreiheit freien Lauf bekommt, sozusagen. Das Meta weniger in Contentmoderation investieren will. Und die große Farge ist: Kollidiert das mit unseren europäischen Gesetzen? Wahrscheinlich schon. Und wird man dagegen vorgehen können? Ja, das ist die große Frage.
Wellmer: Faktenchecking könnte auch in Deutschland, in Europa bald vorbei sein? Weil die Abwehrmechanismen nicht so richtig funktionieren?
Beckedahl: Mark Zuckerberg hat erst einmal angekündigt, dass man künftig auf Facebook viel mehr kommunizieren kann, viel mehr hetzen darf, viel mehr Desinformation verbreiten darf als das Unternehmen in den letzten Jahren auch auf Druck aus der EU zugelassen hat. In den USA sollen diese Fakt-Trecking-Organisationen, die Lügen entlarvt haben, nicht mehr gefördert werden. Wahrscheinlich wird das mittelfristig sich auch in Deutschland auswirken. Aber im Moment dient das alles dazu, in den USA die Öffentlichkeit zu verändern, so wie Trump, wie Trumps Anhänger sich das wünschen.
Wellmer: Noch mal konkret:; Sehen Sie auf nationaler oder EU-Ebene Abwehrmechanismen, die dem wirklich etwas entgegensetzen könnten?
Beckedahl: Die spannende Frage wird auch sein, wie gut diese Regeln sind, die gerade neu eingeführt worden sind und wie gut unsere Regulierungsbehörden sind, die gegen Facebook, gegen Meta hier vorgehen könnten. Die sind in der Regel noch ziemlich ja unterbesetzt. Hier haben wir nicht robust genug oder robust genug ausgestattete Regulierungsbehörden, die im Moment noch nicht auf Augenhöhe mit Unternehmen wie Meta arbeiten können, aber die wir brauchen, damit unsere Demokratie in diesen neuen digitalen Öffentlichkeiten besser geschützt werden können.
Wellmer: Die digitale Welt, die ist auch schnell, lustig, kreativ und inspirierend. Wie wird die sich verändern?
Beckedahl: Ich befürchte, dass auf den dominierenden Plattformen des Netzes künftig mehr Hass und Hetze Verbreitung finden. Dass da kein konstruktives Diskussionsklima mehr möglich sein wird, noch weniger als es heute schon möglich ist. Und das wird Auswirkungen haben, die wir in diesen digitalen Welten sehen werden. Und die große Frage ist, schaffen wir es auch, alternative digitale Welten zu bauen, die nach unseren Werten funktionieren und wo nicht eine Person entscheidet, dass die Regeln jetzt von heute auf morgen 180 Grad verändert werden?
8 Kommentare:
Bitte zuallererst WhatsApp blockieren. ... und dann gucken wir zu, wie hier alles zusammenbricht.
Könnte aber auch bedeuten, dass die TATSÄCHLICHE Desinformation jetzt heftig hochgefahren wird.
(Echsenmenschen, Adrenochrom, Scheibenerde, Hohlerde Variante I und II, der Mond ist ein Klappstuhl und die Kühe fahren Rollschuh.)
## Scheint, als hätten ziemlich viele die Schnauze vom links-rot-grünen Universalquatsch gestrichen voll. ##
Danisch nu wieder. Es mag ja sein. Oder aber, dass das nächste Ziel eben erreicht wurde: Nämlich, dass wir definitiv im Aasch sind - nichts mehr zu reißen.
Jetzt kann man ja wieder auf Vernunft machen.
>Schnauze vom links-rot-grünen Universalquatsch gestrichen voll
Es geht um Dividende, nie um etwas anderes. Die Investoren halten demnach bisher lukrative faule Tricks und Seilschaften für nicht mehr rentabel und passen sich den geänderten 'Rahmenbedingungen' an.
Es geht um Dividende, nie um etwas anderes.
Das war einmal! Uffz. Revecki:" ...in längst verscholl'nen Zeiten ..."
Waldemar Eliassohn Glatzkopf: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus.
war er nicht das faulende stadium?
Auch du, Holger, auch du ... Seufz.
https://www.rf-news.de/2024/kw27/was-hat-uns-lenin-heute-noch-zu-sagen-teil-1
"Monika Gärtner-Engel: Beitrag zum Lenin-Seminar Nepal, Mai 2024
Was hat uns Lenin heute noch zu sagen? Teil 1 - Jetzt mit Anmeldemöglichkeit
Den folgenden Beitrag hat Monika Gärtner-Engel, Hauptkoordinatorin der revolutionären Weltorganisation ICOR, auf dem Lenin-Seminar gehalten, das im Mai dieses Jahres in Nepal ausgerichtet wurde und auf dem sie anwesend war.
Lenin charakterisierte den Imperialismus als letztes, faulendes Stadium des Kapitalismus, bevor er notwendigerweise durch den Sozialismus abgelöst wird."
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