Das Karlspreis-Komitee sprach Ursula von der Leyen unter anderem auch das Verdienst zu, die Pandemie besiegt zu haben. Abb: Kümram, Kreide auf Asphalt |
Sie war dann mal weg, ziemlich lange sogar und das mitten in der Startphase zum Aufbau ihrer neuen EU-Kommission. Doch für Ursula von der Leyen sprach gleich zweierlei. Niemand hat vermisste sie, während sie ihre Lungenentzündung auskurierte. Und das mediale Brüssel hat die EU-Kommissionspräsidentin so fest im Griff, dass nicht einmal jemand fragte, wo sie eigentlich sei.
Eine Antwort hätte Teile der Bevölkerung beunruhigen können, denn von der Leyen lag in einer Klinik, zwar mit "ständigem Kontakt zu ihren Mitarbeitern", wie es nach ihrer Genesung hieß. Und doch wie ein Symbol für ihr Auszehrung und Ermüdung erkranktes Europa, das zwischen Streit und gegenseitigem Beschweigen, Belehrungen Schadenfreude und Bockigkeit gar nicht mehr weiß, was es eigentlich früher einmal hatte sein wollen.
Die Frau nach Karl dem Großen
Dass niemand sie vermisste, mag Ursula von der Leyen hart treffen. Dass sie nun aber zurückkehrt und gleich mit der Mitteilung empfangen wird, dass das Direktorium des Karlspreises entschieden, auch ihr den großen Friedenspreis zu überreichen, der nach Karl dem Großen benannt wurde, jenem sagenumwobenen Kaiser und Feldherren der vor mehr als 1.000 Jahren allein 32 Jahre Krieg gegen die Sachsen führte, um sie zu unterwerfen und zum richtigen Gott zu bekehren. Karl marschierte auch in Italien ein und er eroberte das Langobardenreich, zu dessen König er sich ausrufen ließ.
Churchill, Adenauer und Hallstein, aber auch heute noch bekannte Preisträger wie "Das Volk von Luxemburg" (1986) und "Der Euro" (2002) wurden mit dem Karlspreis geehrt, jeweils mit einem blumigen Umschreibung aus wenigen Worten, deren Lektüre erahnen lässt, wie EU-Europa heute aussehen würde, wären nur zwei Prozent aller bei den Verleihungsfestlichkeiten beschworenen Erfolge zur Hälfte eingetreten.
Dass Ursula von der Leyen in die handverlesene Gruppe der 64 Preisträger aufgenommen wird, versteht sich von selbst. Wie für Päpste, seit Johannes Paul II. 2004 als "Europa des Friedens" geehrt wurde, ist die Verleihung für EU-Kommissionspräsidentende seit Jean-Claude Junckers Auszeichnung als "Motor für Europa" 2006 Pflicht. Auch der südamerikanische Papst Franziskus wurde deshalb schon als "großer Europäer" geehrt. Und der vielfach gescheiterte SPD-Gottkanzler Martin Schulz, dem nachgesagt wurde, er habe "die Bürger Europas gestärkt".
Das Gesicht eines bürokratischen Molochs
Diesmal umso mehr, als dass die Auswahlkommission sich der Umstände selbstverständlich sehr bewusst ist. Die EU gilt bürokratischer Moloch, der jede Initiative unter Bergen von bürokratischen Vorschriften erstickt. Die Kommissionspräsidentin, seinerzeit nur auf der Flucht aus Berlin nach Brüssel gescheitert, wird als Gesicht einer Union gesehen, die außer immer neuen Fünfjahrplänen nichts zustande bekommt. Zuletzt wurde die Frau aus Niedersachen kritisiert, weil sie ihre neue Europa-Regierung nur zusammenbekam, indem sie Neofaschisten und Rechtsradikale entscheiden ließ.
Motto: Besser rechts regieren als gar nicht. Das überzeugte die Jury. "Dieser Preis ist auch ein politisches Signal", heißt es in der "Welt", die nach ihren jüngsten europakritischen Ausfällen auf der Suche nach einer neuen Mitte ist.
Wie wahr! Von der Leyen, die in Peking vom Frühstücksdirektor empfangen wurde und selbst bei Recep Erdogan am Katzentisch Platz nehmen musste, als "starke Stimme Europas in der Welt" zu bezeichnen, wird der Kommissionspräsidentin vollends gerecht. Zeichnete sich ihr Vorgänger noch durch seine aufsehenerregende Vorliebe für verschiedenfarbige Schuhe aus, wird von der 66-Jährigen mit dem Margot-Honecker-Habitus vermutlich noch weniger in Erinnerung bleiben.
Leyen besiegte auch Corona
Die Begründung des Karlspreis-Komitees weist schon jetzt darauf hin. Darin wird als besondere Leistung von der Leyens die "Eindämmung der Corona-Pandemie" genannt, zudem das "geschlossene und entschiedene Auftreten gegen Russland" und ihre Idee eines "Green Deal", mit dem die EU bis 2050 hätte klimaneutral werden sollen, wenn nicht jetzt schon, ein Vierteljahrhundert vor dem Ziel, alles wegen der leidigen Realität um mehrere Dimensionen geschrumpft hätte werden müssen.
Vom Pfizer-Deal und den - erneut - verschwundenen Handynachrichten spricht das Komitee nicht. Es soll kein Schatten fallen auf die Preisträgerin, deren Ehrung ein wenig an die Auszeichnung Angela Merkel mit dem größten Großkreuz erinnert, das Deutschland zu vergeben hat.
Immerhin ist die Ehrung für Ursula von der Leyen eine schöne Sache. Schien es vor sechs Jahren noch so, als werde die Karriere der damaligen Kronprinzessin Angela Merkels von ein paar gelöschten SMS auf dem Diensthandy beendet, steht die alte und neue Präsidentin der Europäischen Kommission mit der Karlspreis-Ehrung vor der Krönung ihres Lebenswerkes.
"Die Selbstherrliche" (Pioneer) wird erstmals von einem Karlspreis-Direktorium direkt in Zusammenhang gebracht mit allem, was die EU unter ihrer Leitung erreicht hat. "Das europäische Lebensmodell von Freiheit, Frieden, Demokratie und Wohlstand ist gefährdet, die Weltordnung verändert sich, und Europa muss handeln", heißt es im Text der 19 Direktoriumsmitglieder, der ganz darauf setzt, dass Ursula von der Leyen die Persönlichkeit sein wird, "der diese strategische Aufgabe für die Europäische Union zukommt und die sie bewältigt."
2 Kommentare:
Pack schlägt sich, Pack veträgt sich.
Und Pack verleiht sich gegenseitig Orden für Packverdienste.
Ich bin für eine Heiligsprechung zu Lebzeiten. Die übernatürlichen Wunder sind ja in der Lobrede schon dokumentiert.
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