Donnerstag, 9. Januar 2025

Grönland-Sinfonie: Enterkommando für ein eisiges Eiland

Die größte Insel der Welt trat vor 40 Jahren als der EU aus. Jetzt erhebt ein EU-Politiker wieder Anspruch auf das eisige Eiland.

Es war der 1. Januar 1985, als Grönland aus der EU austrat.  Drei Jahre zuvor hatten die Grönländer nach langem Warten endlich über die Frage abstimmen dürfen, die sie schon lange beschäftigte. Schiffe aus der EU, zumeist mit Heimathafen in Deutschland, fischten den ganzen grönländischen Fisch weg. Konzerne aus der EU gruben den grönländischen Boden um. Alle hatten etwas dazu zu sagen. Nur die Grönländer nicht.  

Ansagen aus Kopenhagen

Grönland, eine uralte dänische Kolonie, die knapp 50 Mal so groß ist wie das Mutterland, trat also aus, zum Ärger des Staatenbundes, der heute behauptet, damals schon die EU gewesen zu sein. Zugleich blieb den Grönländern die Unabhängigkeit versagt. Bis heute, 304 Jahre nach der Landung des Priesters Hans Egede, muss sich das Inselvolk weiterhin aus Kopenhagen sagen lassen, was es zu tun und zu lassen hat. Zwar wird die Insel formal von Grönländern regiert. 

Doch der Plan, eines Tages die "Fesseln des Kolonialismus" abzustreifen und ein eigener Staat zu werden, stockt, seit Dänemark 2009 einräumte, dass die 57.000 Grönländerinnen und Grönländer ein Volk sind, als Nation anerkannt werden müssen und deshalb das Recht auf Selbstbestimmung haben. 

Bisher nur Selbstverwaltung

Bisher gibt es nur "Selvstyre" (Selbstverwaltung), Seine Majestät König Frederik ist weiterhin Staatsoberhaupt und nach sieben Jahren dauernden Beratungen über die künftige Verfassung des selbstständigen grönländischen Staates existiert zwar einen Entwurf. Das aber auch schon wieder anderthalb Jahre, denn den letzten Schritt zu gehen, zögern die Einheimischen. 

Es geht um Geld, um viel Geld. Aus Kopenhagen kommt derzeit jede fünfte Krone, die auf Grönland kreist. Ein Abschied von Dänemark würde dem Mutterland zwar 98 Prozent seiner Fläche rauben, den Grönländern aber eine Fünftel ihrer Haushaltsmittel. 

Kaufangebot für die Insel

Ein Fakt, den Donald Trump vermutlich meinte, als er während seiner ersten Amtszeit anbot, Grönland zu "kaufen". Ein höheres Gebot als Kopenhagen, schon wäre die Sache geritzt gewesen: Kurze Abstimmung über die Unabhängigkeit vorgeschaltet, Aufnahmeverfahren in die USA. Es hätte nicht einmal so lange dauern müssen wie bei Puerto Rico, dessen Einwohner seit 1917 die US-Staatsbürgerschaft haben, in den USA Steuern zahlen und Wehrdienst leisten dürfen. Nun aber auch schon 13 Jahre darauf warten, dass ihr Antrag auf Aufnahme in die Union bearbeitet und positiv beschieden wird.

Trumps Angebot steht offenbar weiterhin, naheliegend, denn von Nuuk nach Washington sind es nur 3.200 Kilometer, bis nach Kopenhagen hingegen 3.500. Der künftige US-Präsident mag auf die Klimaerwärmung spekulieren, die auf der größten Insel der Erde Bodenschätze ohne Ende freilegen könnte. Doch die sind auch in Europa fest eingeplant, wie die Reaktionen aus EU-Ländern zeigen, die zwar alle nicht für den Nicht-Mitgliedsteilstaat im Norden zuständig sind. Aber sich zuständig fühlen.

Ansprüche trotz Gröxit

Als erster meldete sich der französische Außenministers Jean-Noel Barrot, seit September 2024 im Amt und derzeit schon im zweiten Kabinett mit Sitz und Stimme. Es stehe außer Frage, dass die Europäische Union es nicht zulassen würde, dass andere Nationen der Welt ihre souveränen Grenzen angreifen würden, sagte der Spross einer Politikerdynastie, die drei Generationen zurückreicht. 

Wie sich der Anspruch der EU auf Grönland begründet, obwohl Grönland nicht Mitglied der Union ist, sagte der Franzose nicht: Der "Gröxit" im Jahr 1985 fand ausdrücklich als "Reduzierung des territorialen Geltungsbereichs der Gemeinschaftsverträge" statt. Auch Frankreich ratifizierte die
entsprechende Vertragsänderung.

Allerdings war Jean-Noel Barrot damals erst zwei Jahre alt, der bis 2020 einzige Austritt aus der EU mag an ihm vorbeigegangen sein. Eine Entschuldigung, die für den deutschen Bundeskanzler nicht hätte gelten können: Olaf Scholz war schon 24, seit zehn Jahren engagierter Jungsozialist und stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender. Deshalb wohl warnte Scholz in einem Statement zur Grönland-Frage auch nur ganz allgemein vor "erzwungenen Grenzveränderungen" - sprich freiwillig ginge schon, wenn es gerade passt. Die EU ist in soclhen Fragen traditionell ein wenig gespalten: Spanien, Griechenland, Zypern, Rumänien und die Slowakei erkennen etwa den Kosovo nicht an. 

Bündnisfall bei Einmarsch

Sollte Trump in Grönland einmarschieren - mit einem Verweis auf das von Putin mit dem Angriff auf die Ukraine verletzten Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen spielte Scholz direkt auf diese Möglichkeit ein - geriete die EU in noch schweres Wasser als nach den Attacken von Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf die europäische Spielart der Meinungsfreiheit. Eine Landung der Amerikaner auf Grönland würde Dänemark berechtigen, den Nato-Bündnisfall auszurufen. Deutschland, Frankreich und die übrigen Nato-Mitgliedsstaaten müssten, fehlenden Transportkapazitäten zum Trotz, zu Hilfe eilen. 

Aber auch die USA wären gefragt. Als größter Partner im westlichen Militärbündnis müsste Washington zweifellos auch das größte Kontingent an Soldaten schicken, um den größten Flugzeugträger des Zweiten Weltkrieges schnellstens zu entsetzen und die Okkupationstruppen aus dem Land zu werfen.


5 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> Eine Landung der Amerikaner auf Grönland

Die sind doch schon da.

Anonym hat gesagt…

Trump gibt den Köpfchen in den Redaktionen ziemliche Nüsse zu knacken. Sie möchten schreien, aber wissen nicht so recht, was.

ppq hat gesagt…

sehr schön beschrieben

ppq hat gesagt…

@anmerkung: aber doch als gast, wie in ramstein

Anonym hat gesagt…

Gefickt eingeschädelt, man ist immer wieder aufs neue platt vor Staunen.
Ozeanien halt. Wir kommen bald zu Eurasien.
# „Feldzug gegen Miesmacher und Kritikaster, gegen Gerüchtemacher und ..." # kommt noch.