Donnerstag, 9. Januar 2025

Frühes Wahlkampffinale: Tag X

Ein tödlicher Tango für die fragile deutsche Demokratie: Wenn sich Elon Musk und Alice Weidel (r.) heute im Internet unterhalten, bebt das politische Berlin. Zeichnung: Kümram

Kurz und knackig, so war er dann wirklich, der "Winterwahlkampf" 2025, kürzer sogar noch als gedacht. Erst war Ampel-Aus, dann Terror, anschließend kamen noch Weihnachten, Silvester und Neujahr. Schließlich der Start in die "heiße Phase" mit fairen Beschimpfungen aller gegen alle. Maulhelden. Foodblogger. Unausgegorene Ideen. "Der Wirtschaftsminister"  man nennt sich schon nicht mit Namen,  (Scholz) wisse das doch selbst. Der "Bündniskanzler" ruft "Finger weg von unseren Faktencheckern". Die Union keilt zurück.

Faire Keilereien 

Alles wie immer, aber gleich vorbei. Geht es nach den Schlagzeilen, Analysen und Kommentaren im Vorfeld, wird der US-Milliardär Elon Musk heute am frühen Abend den Schlusspunkt in einem von allen Parteien glücklos geführten Wettrennen um die Sitze im nächsten Bundestag setzen. Musk empfängt die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zum X-Gespräch. Ein Termin, der die in Teilen als gesichert verfassungsfeindlich beobachtete Rechtspartei im besten Fall in die Pleite stürzen soll, im schlimmsten aber entscheidend sein wird.

In wenigen Stunden ist die Sache durch, die "Schwächung Deutschlands" (Christian Lindner) vollendet. Im Handstreich droht das Zwiegespräch im Westfernsehen wochenlange Bemühungen von SPD und Grünen zunichtezumachen, mit einer Rückkehr auf X und einer geschickten Nutzung des Algorithmus der Hassplattform durch ein Trommelfeuer an populistischen Parolen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit zu erzeugen. Zwar gelang es zumindest den Grünen, mit ihrer ganz im Stil des Vorbilds Donald Trump gehaltenen #TeamHabeck-Kampagne um den grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck kurzzeitig, Begeisterungswellen im digitalen Raum zu simulieren. 

Bündniskanzler aus Blei

In Meinungsumfragen aber liegt die kleinere Regierungspartei wie Blei im unteren Regal, weit abgeschlagen hinter CDU/CSU, AfD und SPD. Auch der "Bündniskanzler", der Mensch blieben will, mag nicht fliegen wie geplant. Nach wie vor überzeugt Robert Habeck nur das eigene Lager,  außerhalb aber verliert er weiter an Beliebtheit. Dass Weidel, zuletzt die Aufsteigerin in der Wählergunst, jetzt auch noch einen Gesprächstermin mit Elon Musk bekommt, wirkt auf Deutsche beängstigend und lähmend. 

An sich selbst und den Mitmenschen zweifelnde Demokraten, wie sie in allen Parteien, vor allem aber unter Medienarbeitern die Mehrheit stellen, sehen in jedem Nachbarn einen Betreuungsbedürftigen und in jedem Wahlberechtigten jemanden, der auf Anweisungen wartet. Niemand da draußen, so glauben sie bei "Spiegel", RND, SPD, SZ, Funke und Linkspartei,  kann für sich selbst denken und allein entscheiden. Millionen lauschen begierig auf Einflüsterungen, gewillt, sich den größten Unsinn nicht nur anzuhören, sondern ihn auch zu glauben.

Das macht Musks Gespräch mit Weidel so gefährlich. Ist diese Gunst, die aus dem aktuellen Bewerberfeld um den Kanzlerposten bisher nur Olaf Schulz erwiesen bekam, eine verbotene Wahlkampfhilfe? Ist es illegale Einmischung aus dem Ausland? Muss X noch heute verboten werden?

Die grüne Netzfeuerwehr, sie hat nicht geholfen. Das vom ZDF gemeinsam mit öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Kanada, der Schweiz und Belgien als Alternative zu X geplante "Projekt Raven" zur Entwicklung  "innovativer Bausteine für offene und respektvoll geführte Online-Diskussionen"  musste still und heimlich beerdigt werden. Auch die Hoffnung darauf, dass die EU ein Machtwort sprechen und X den Saft abdrehen werde, ist zerstoben. Mit dem Franzosen Thierry Breton sortierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ausgerechnet der leidenschaftlichsten Gegner der freien Rede aus ihrer neuen Kommission aus.

Gerüchte über Wahlentscheidung

Stimmen die Gerüchte, die in den großen Medienstädten Berlin, Hamburg, München und Frankfurt seit Tagen die Runde machen, dann ist heute Tag X. Schon sechs Wochen vor dem Entscheidungstermin wird ein Amerikaner ohne Wahlrecht das demokratische Votum der Deutschen kippen. Millionen werden sich von den beiden Rechtspopulisten über das Internet einreden lassen, wo sie ihr Kreuz zu machen haben: Ganz rechts, hat Musk vor Tagen schon befohlen. 

Ein tödlicher Tango für die Demokratie, so steht es überall, hier und da aber wird auch schon versucht, den Angriff als "Online-Gespräch" (T-Online) zu normalisieren. Das erinnert fatal an die Unterwerfungsgesten, mit denen der milliardenschwere Meta-Chef Mark Zuckerberg den Elfenbeinturm eben erst erschüttert hat, obwohl der Kampf gegen den "Faschismus" (Die Zeit) gerade jetzt weitergehen muss. Selbst das zum Medienimperium der SPD gehörende Redaktionsnetzwerk Deutschland macht den Kotau und verharmlost den Angriff aus Amerika als "Weidel talkt mit Musk", als würde es beim "großen Auftritt für Weidel" (RND) nur um die Frage gehen, ob die Verteidigungsausgaben auf drei, fünf oder zwölf Prozent erhöht und die Bürokratie mit vier oder sieben Sonderbeauftragten bekämpft werden muss.


8 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Apropos Zackabörg und den von Die Zeit fortzusetzenden Kämpfen.

Ich denke, es war die klare Ansage "Nie wieder ist jetzt vorbei".

Anonym hat gesagt…

Trump ist noch nicht im Amt, da ist schon die halbe Deutungshoheit der ganzen deutschen Presse im Arsch.
Musk und Trump sind im Unterschied zu den restlichen Politikern nicht die ganze Zeit damit beschäftigt, sich zu bereichern, damit sind sie schon fertig. Die können stattdessen in der Schießbude auf jede Figur anlegen, die ihnen komisch kommt. Trudeau war Nummer eins und hatte so einen Schiss, dass er gleich prophylaktisch umklappte.
Im UK herrscht auch helle Panik, seit Musk auf das größte Verbrechen in der Geschichte des Landes aufmerksam gemacht wurde. Spaßvögel haben schon vorgeschlagen, dass Trump Sanktionen verhängt, bis jeder Mitwisser und Begünstiger dieses Verbrechens vor Gericht steht.

Anonym hat gesagt…

...seit Musk auf das größte Verbrechen in der Geschichte des Landes aufmerksam ...
Den Terrorangriff auf Dresden oder die Hungersnot in Indien? Oder die Opiumkriege?

Anonym hat gesagt…

>Geschichte des Landes

Ja, da liegen ein paar Sachen auf der Zunge, aber nein, im UK an UK-Einwohnerinnen verübt.

Anonym hat gesagt…

...nein, im UK an UK-Einwohnerinnen verübt ...
Mit als eingefleischtem Rassisten liegt das Jubeln darüber mehr als fern, aber, Karma ist nun mal eine Dreckschlampe.

Anonym hat gesagt…

In Ergänzung, habe ich seit 1988(!) öfter gehört: Hu wann se wor, Kraut?

Anonym hat gesagt…

Sowohl Instinkt als auch Vernunft gebieten, da Gezänke unter uns Bleichgesichtern unbedingt zu unterlassen. Wir waren um 1900 noch drei von zehn, heute noch sieben von Einhundert. Aber die - völlig unangebrachten - Eigendünkel, nicht nur "unserer" sind davor.

Der lachende Mann hat gesagt…

"Aber die - völlig unangebrachten - Eigendünkel, nicht nur "unserer" sind davor. ".
Könnten Sie den Satz bitte anders formulieren? Ich verstehe ihn nicht. Wovor sind sie?