Freitag, 24. Januar 2025

Friedrich Merz: Der harte Hund

War es nur eine Maske? Friedrich Merz geht als harter Hund in die letzte Wahlkampfrunde.

Merkel begann mit dem vom Ende denken erst als sie im Amt war. Merz startet seinen Wahlkampf in ihrem Stil. Stillhalten, Aussitzen, bloß nicht bewegen und niemanden beunruhigen. Lieber nach allen Seiten blinken als in irgendeine bestimmte Richtung fahren. Das Unternehmen begann ganz gut. Drohte aber in den vergangenen Wochen, allmählich und anfangs noch ganz unauffällig zum Debakel zu werden.

Angreifer ohne Attacken

Merz ritt keine Attacken, vergaloppierte sich aber dennoch. Als Favorit inmitten eines Bewerberfeldes, das schwächer erscheint als jemals eines, das sich nach dem harten Stuhl im Kanzleramt gedrängelt hat, verwaltete der CDU-Vorsitzende seinen Vorsprung. Dass es zum Sieg reichen würde, war allen klar. Dass der Sieg kein glänzender wird, war früh eingepreist. Friedrich Merz schien es zufrieden. Er trat nicht auf wie einer, der ins Kanzleramt will, um dort etwas zu bewegen. Sondern wie jemand, dem es vollkommen reicht, es dorthin geschafft zu haben.

Merz glich Scholz wie Scholz Merkel geglichen hatte. Er würde ein Kanzler für alle werden und jedem so viel geben, wie es braucht, ihn bei Laune zu halten. Für vier Jahre würde das sicher reichen, es reicht ja schon seit 20. In einem Land, das eine Geste eines ausländischen Milliardärs  aufgeregter diskutiert als den Mord an einem Zweijährigen, ist selbst das Unvorstellbare naheliegend.

Die Stimmung aber war nicht gut, schon seit Wochen nicht mehr. Die Vorfreude in der Union wirkte gespielt. Die Parolen, mit denen der Spitzenkandidat hausieren ging, erinnerten an eine Mischung aus Sowohl und Alsauch. Mühevoll versuchte der unter Merkel als zu konservativ aussortierte Sauerländer, sich ein menschliches Gesicht zu geben. Grün sah er dann aus. 

Allenfalls zarte Reformen

Merz forderte keinen Neuanfang, den Begriff hat sie SPD schon vor Jahren verschlissen und die Reste besetzen Linke und Grüne. Reformen sollten zart ausfallen, mehr als sie anzukündigen, mühte sich der 69-Jährige, allzu große Hoffnungen zu dämpfen und Erwartungen zurückzuschrauben. 

Ein Kandidat der gedämpften Erwartungen, die, so viel war sicher, ab 24. Februar mit Sicherheit auch noch enttäuscht werden würden. Nicht einmal die Vorlage aus den USA, wo ein Beserker die Wahlen mit dem Versprechen gewann, keinen Stein auf dem anderen zu lassen, nutzte Friedrich Merz. Die Sehnsucht vieler Menschen, einen Strich unter Bevormundung, Gängelung, Betreuung und Vorschriftenstaat zu machen, kennt er nicht. Zu groß war die Angst, vielleicht auf der einen Seite zu gewinnen. Auf der anderen aber mehr zu verlieren. 

 

Weiter so, nur besser, das war Merz' Versprechen. Bis dann der Doppelmord von Aschaffenburg geschah. In der Trauerroutine der ersten Stunden nach der Tat erfand sich Friedrich Merz eilig neu, über Nacht, motiviert wohl auch durch die kaum mehr als Rundungsfehler und Additionsversehen zu erklärenden Umfrageergebnisse. Der Tag danach brach an. Und aus dem Weichei, das wie Amtsinhaber Olaf Scholz klang, als es "So kann es nicht weitergehen. Wir müssen und werden Recht und Ordnung wiederherstellen!" barmte, wurde der harte Hund, der im September 2023 die Zahnfee gab und damit fatal an seinen Spruch von den "kleinen Paschas" erinnerte.

Angst vor dem Applaus

Jedes einzelne Mal war Friedrich Merz Zuspruch sicher gewesen. Jedes einzelne Mal fiel er danach umgehend um, weil der Applaus aus der falschen Richtung kam und die Kritik aus der richtigen. Friedrich Merz überraschte nun alle, Freund wie Feind: "Ich weigere mich anzuerkennen, dass die Taten von Mannheim, Solingen, Magdeburg und jetzt Aschaffenburg die neue Normalität in Deutschland sein sollen", klang noch wie üblich, der Satz "Das Maß ist endgültig voll" wie damals, als er - ohne "endgültig" - als Merzens Reaktion auf den Anschlag von Solingen verbreitet wurde.

Aber der unter Druck geratene Wahlfavorit legte nach. "Wir stehen vor dem Scherbenhaufen einer in Deutschland seit zehn Jahren fehlgeleiteten Asyl- und Einwanderungspolitik", teilte er mit, nicht ohne ein auffälliges Augenzwinkern in Richtung der Frau, die versucht hatte, seine politische Karriere zu beenden. Erst wird er sie beerben. Und dann ihr Erbe zerstören, jenes "Wir schaffen das" mit dem "Sie kennen mich" und dem "dann ist das nicht mehr mein Land".

Vielfalt mit Einreiseverbot

Merz macht nun, für die letzten 30 Tage eines Schlafwagenwahlkampfes, den Trump, zumindest auf der Bühne. Er setzt darauf, dass "die Leute" vielleicht doch nicht das Original wählen, wenn sie ihn haben können, der bestimmt nicht tun wird, was er jetzt sagt, über den man dann aber schimpfen kann, weil er seine Versprechen gebrochen hat.

Und die sind trumpesk mit allen Zutaten. "Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder die von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen", kündigte er an. Am ersten Tag seiner Amtszeit werde er "das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen." Alles drin, alles dran: Die executive order, der erste Tag, aus Ausnahmslosigkeit. 

Nur das "faktisch" im neuen "faktischen Einreiseverbot" irritiert. "Faktisch" ist ist eine Art "eigentlich" für Älltere. Es meint oft das, was Kanzler Olaf Scholz mit seinem "jetzt" werde gehandelt meint: Einen unbestimmten Zustand, der zu einer unbestimmt entfernten Zeit vielleicht erreicht werden soll.

Neuausrichtung nach Amtseinführung

Eine "Neuausrichtung", wie die dem CDU-Chef weniger als nicht gewogene Süddeutsche Zeitung verblüffend schonend formuliert. Dass illegale Einreise verboten wird, sei allerdings "rechtlich wohl kaum machbar", denn das bräche "Europarecht". Merz wird das dann egal sein, denn geht die aktuelle Entwicklung seit Trumps Amtseinführung vor fünf Tagen im gleichen Tempo weiter wie bisher, wird die EU-Kommission im Sommer froh sein, wenn sie in Brüssel noch still für sich weiterwurschteln darf, nachdem sie versprochen hat, sich nicht mehr in die Entscheidungen der Mitgliedsstaaten einzumischen.


3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Merz mit der Maske des grünen Zorro, das paßt. Ihm fehlt es jedoch am schicken Melania-Hut*. Das wird ihn zwingend scheitern lassen.

* Ein ikonografisches Bild übrigens, wofür man dem Produktdesigner einfach nur gratulieren kann kann.

Anonym hat gesagt…

< Der Zustand der wahnhaften Störung ist so weit verbreitet, dass sich manche der wahnhaft Gestörten tatsächlich einbilden, sie wären normal, Teil einer Normalität. Indes, das sind sie natürlich nicht. >

Wenn der gute Michael Klein ahnen könnte, wie recht er doch hat.

Anonym hat gesagt…

Grüner Zorro? Ich dachte grüner Kasper, aber die ai kämpft machmal mit Gesichtern und diese Rolle hat ja auch schon ein anderer.