Nach der Bluttat in Aschaffenburg, auch als "Gewalttat von Aschaffenburg" und "Messerattentat auf eine Kindergartengruppe" bekanntgeworden, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) alle Rücksichten fahren lassen und die Glacéhandschuhe kurzentschlossen einfach ausgezogen. Er sei es "leid", sagt der scheidende Bundeskanzler, ehe er die Chefs von Verfassungsschutz, von Bundeskriminalamt und Bundespolizei ins Kanzleramt einbestellte, dazu auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser und seinen persönlichen Leibfotografen, dessen Bilder vom wegweisenden Treffen als wichtiges Signal an die zunehmend beunruhigte Bevölkerung ausgesandt werden sollen.
Wettrennen der Ärmelaufkrempler
Ein Rundtischgespräch, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie stattgefunden hat. Doch dem Kanzler, im Wahlkampf mit Robert Habeck im Wettrennen um den besten Hemdsärmelaufkrempler, mit Friedrich Merz im Kräftemessen um den Ruf des härtesten Remigrierers, bleiben kaum mehr Alternativen. Es gilt nun, Härte zu zeigen, das war dem erfahrenen Politiker Scholz klar. Es gilt, Spuren zu verwischen, Schuld woanders hinzuschieben, sich selsbt zu schützen, indem man vorgibt, man sei entschlossener denn je, ja, weitaus entschlossener noch als nach Solingen und Magdeburg, die Bevölkerung zu schützen.
Noch hatte Friedrich Merz seinen spontanen Rettungsversuch für den bisher eher mau laufenden Wahlkampf der CDU noch nicht unternommen. Noch schien es Scholz ausreichend, wie gewohnt die Ankündigungskarte zu spielen.
30 Tage Finale
Nur noch 30 Tage bleiben bis zum Wahltag. Wie die AfD machen auch alle anderen Parteien fortwährend Werbung für die populistische Rechte. Seine SPD hat den Wählern kaum etwas zu bieten, ihm selbst fällt sichtlich kaum etwas ein. Und dann auch noch immer diese Anschläge, zum Glück typisch untypisch, also ohne den trotz einiger eingetretener Gewöhnung immer noch gefürchteten Terrorhintergrund.
Scholz verlor kurzerhand die Geduld. Er beorderten die Chefs fast aller Bundessicherheitsbehörden zu sich ins Kanzleramt. Dazu die Bundesinnenministerin und seinen offiziellen Hoffotografen Jesco Denzel, einen Lichtbildkünstler, der sich schon mit ikonischen Fotokunstwerken von anderen weltbewegenden Ereignissen in die Geschichte eingeschrieben hat.
Ernste Mienen, harte Maßnahmen
Am Tisch zudem, mit ernsten Mienen und zupackend geöffneten Hemdkragen: BKA-Präsident Holger Münch und Dieter Romann von der Bundespolizei, neben ihnen mit Sinan Selen die Hälfte der derzeitigen Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dessen regulärer Präsident hatte sich kurz vor Weihnachten zu einem überraschenden Spurwechsel entschlossen. Die Nachfolge des lange als Garant der inneren Sicherheit geltenden Thomas Haldenwang soll seit einem Monat bald geklärt werden. Auffallend aber ist, dass die Anschläge in Deutschland sich seit dem Rauswurf des künftigen CDU-Politikers durch SPD-Innenministerin zu häufen scheinen.
Scholz reicht es jetzt. Er ist es "leid", wie er öffentlich unumwunden erkennen ließ, die Folgen einer aus dem Ruder gelaufenen Migrationspolitik ausbaden zu müssen. Ein Jahr nach der vielbeachteten Remigrationsplanungskonferenz in Potsdam kommt Abschiebedeutschland einfach nicht in die Strümpfe.
Angriff auf Migranten
Auch den "Messerangriff im bayerischen Aschaffenburg" (DPA) verübte ein ausreisepflichtiger abgelehnter Geflüchteter, diesmal starb ein Zweijähriger mit Migrationshintergrund, ein kleines Mädchen mit Wurzeln im Ausland wurde verletzt.
Ohne Umschweife forderte Scholz die Kanzleramtsrunde auf, Konsequenzen zu fordern. Wörtlich sagte er, es sei nicht die Zeit, um wie sonst falsche Toleranz angebracht zu finden. Die Behörden müssten stattdessen wie stets "mit Hochdruck klären, warum der Attentäter überhaupt noch in Deutschland gewesen sei".
Das sind neue Töne kurz vorm Wahlkampffinale. Statt wie üblich von einem "tragischen Vorfall in Aschaffenburg" zu sprechen, nimmt Scholz kein Blatt mehr vor den Mund. Eine "Gewalttat" nennt er die Geschehnisse im Park Schöntal, der offenbar nicht durch eine Messerverbotszone vorsorglich vor Übergriffen geschützt worden war.
In der Berliner Runde bestand kein Zweifel, dass es an der Zeit ist, die Umstände und Hintergründe der Bluttat schonungslos aufdecken. Olaf Scholz selbst forderte von der Bundesregierung bereits ernste Konsequenzen. Später werde er in einer Regierungserklärung darlegen, dass das furchtbare Ereignis daraufhin abgeklopft werden müsse, ob die Tat hätte verhindert werden können.
Unanständige und undemokratisch
In seiner Innenministerin hat Scholz dabei eine verlässliche Helferin. Nancy Faeser sprach schon vor der neuerlichen "Bluttat" (DPA) von einem "unanständigen und undemokratischen" Angriff und warnte vor Wiederholungen: "Attacken jeder Art und Einschüchterungsversuche haben in einer demokratischen Debatte nichts verloren".
Schon nach dem Anschlag von Magdeburg hatte sie die großen Online-Plattformen scharf abgemahnt und den Kampf gegen Hetze, Hass und Hohn ein weiteres zum Fundament der fragilen deutschen Demokratie erklärt. Eine Mitschuld am Geschehen von Aschaffenburg, wie sie Populisten ihr andichten wollten, sieht Faeser nicht: Nachweislich befand die SPD-Politikerin sich zum Tatzeitpunkt fast 700 Kilometer entfernt von Aschaffenburg bei einem Wahlkampfauftritt in Mecklenburg-Vorpommern.
Neues Terroismusabwehrzentrum?
Am Tisch im Kanzleramt flogen nicht die Fetzen, es wurden vielmehr Pläne geschmiedet. "Wir müssen sicherstellen, dass solche Gefahren schnell erkannt und beseitigt werden können", hieß es. Notwendig sei eine verbesserte Sicherheitskoordination, denn das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) könne ebenso wie das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) auch mögliche Täter im Blick behalten, die als gewalttätig und psychisch auffällig immer wieder bei verschiedenen Sicherheitsbehörden auf dem berühmten Schirm auftauchen.
Womöglich braucht es dazu eine neue Koordinierungsstelle in Form eines Gemeinsamen Abwehrzentrums nicht-terroristischer Messergewalt (GAZM). Politische Konsequenzen jedenfalls schloss der Bundeskanzler nicht aus. Wie immer stand auch die Frage im Raum, ob die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss hilfreich sein könnte, um Zeit zu gewinnen und Aktivität zu simulieren.
Aus den Chefetagen der verschiedenen Sicherheitsbehörden kamen dem Vernehmen nach hilfreiche Hinweise dazu, dass Bund und Länder überhaupt auch mal die Sicherheitsstandards überdenken könnten und die Forderung, den Informationsaustausch zwischen den Behörden zu verstärken, sich anbietet, da sie bereits eine Woche lang nicht mehr erhoben wurde.
Wann kommt die Vorratsdatenspeicherung
Nach der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wurde am Abend im Kanzleramt noch nicht gerufen. Diese Idee will sich die amtierende Bundesregierung noch aufsparen, falls der drakonische Vorschlag, dass in Deutschland nur bleiben könne, "wer sich zu unseren Werten bekennt und diese auch lebt", in den Umfragen weiterhin nicht die erhofften Folgen hat. Für Olaf Scholz steht fest: "Jeder, der eine Gefahr für die Sicherheit unserer Bürger darstellt, muss unser Land verlassen", zitierte der Kanzler einen Entschluss, mit dem er in seiner berühmten Regierungserklärung vom 6. Juni 2024 unverhohlen und ohne herumzudrucksen ein Ende der Willkommenskultur angekündigt hatte.
Wer eine Gefahr darstellt, keinen gültigen Aufenthaltstitel hat, ausreisepflichtig ist und wegen verschiedener Straftaten im Behördenvisier, muss seitdem damit rechnen, dass Olaf Scholz jederzeit drastische Maßnahmen ins Spiel bringt und die Bundesinnenministerin gewalttätige Angriffe auf friedliche Bürgerinnen und Bürger auf eine Stufe mit Versuchen stellt, deutsche Wahlen online zu beeinflussen.
Das könnte schnell dazu führen, dass die Bundesregierung nicht mehr nur Druck auf die großen US-Plattformen macht, "Hasskriminalität, schwerste Straftaten ganz schnell in ihren sozialen Medien zu löschen", wie Faeser ihre Sicherheitsprioritäten beschrieben hat. Sondern dass die zu allem entschlossene Sozialdemokratin eines Tages auch direkt gegen schwerste Straftaten vorgeht, als wären es verbale Beleidigungen des Bundesklimawirtschaftsministers.
Defizite bei Betreuung
Streit gab es nicht an diesem historischen Abend im Kanzleramt, der eine erneute Zeitenwende eingeläutet haben könnte. Dem Vernehmen nach einigte sich die Runde darauf, dass nun klare Fragen gestellt werden müssten. Fraglich sei zudem, ob staatliche Integrationsprogramme ihre Ziele erreichen könnten, wenn Dublin-Bewerber um Asyl monate- und jahrelang auf eine Teilnahme warten müssten. Auch bei der Betreuung psychisch auffälliger Geflüchteter werden Defizite gesehen. Während deutsche Patienten nur rund drei Monate auf einen Termin beim Psychiater warten müssen, sind es bei Flüchtlingen sechs.
Fest steht, und da gibt es kein Vertun, darüber ist sich der alte Politfuchs Olaf Scholz noch klarer als andere: "Die Bürger erwarten von uns, dass wir handeln, nicht nur reden". Das Ganze müsse "jetzt" passieren, betonte der Kanzler und er verwendete damit bewusst einen Begriff, denn die zuwanderungsfreundliche Linke für gewöhnlich gegen rechtsextreme Rechtspopulisten einsetzt.
"Nie wieder ist jetzt!" Jetzt reichte es dem Bundeskanzler, jetzt ist für Olaf Scholz das Ende der Kanzlergeduld gekommen, die lange Hutschnur geplatzt: "Warum war der Täter noch in Deutschland?", fragt der SPD-Wahlkämpfer und er setzt damit Segel auf einen Kurs, mit dem er sich in den letzten Tagen seiner Kanzlerschaft kräftig unter Druck setzt.
Abzusehen ist, dass Scholz die Migration zum vierten Mal zur Chefsache erklären wird.
* Bei dem Bild, das die Wahlkampagne der SPD nach der Notstandssitzung im Bundeskanzleramt unter dem Titel "Jetzt ist Jetzt" herausgab, handelt es sich um eine detailgetreue Nachstellung eines bekannten Gemäldes des früheren Merkel-Malers Kümram
1 Kommentar:
Das Bild haben der Kanzler und seine Freunde toll nachgestellt. Dem Fotografen haben sie einfach eine blaue Klobrille um den Hals gehängt, wie man in der Spiegelung im Hintergrund sieht. Sehr kreativ, sieht fast wie das Original aus.
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