Samstag, 28. Dezember 2024

Zitate zur Zeit: Der letzte Winter der Berliner Republik

Armut wird in Deutschland traditionell mit Bildern des Mädchens mit der roten Jacke bebildert.

Vor der Zentrale der Aschinger-Gesellschaft kommt es zu einer Demonstration. Aschinger ist Deutschlands größtes Gastronomieunternehmen, mit fast dreißig Lokalen und Stehbierhallen in Berlin, dazu Bäckereien und Hotels. Eine Institution. In »Berlin Alexanderplatz« hat Alfred Döblin eine Filiale ausführlich beschrieben, Erich Kästner lässt in »Fabian« hier seinen Helden einkehren. 

Bei Aschinger gibt es billiges Essen und günstiges Bier. Doch nun stehen zwanzig Jugendliche vor der Tür, die Essen und Trinken umsonst haben wollen. Die Direktoren von Aschinger empfangen eine Abordnung zum Gespräch. Für jeden von ihnen verlangen die Jugendlichen ein Laib Brot, ein Pfund Schmalz und eine Wurst. Die Geschäftsführung antwortet: Die Demonstranten sollten ihre Forderungen doch bitte schriftlich einreichen. Danach werde man sich entscheiden, ob geholfen werden könne. 

Die Vertrauensleute reagieren empört. Einer droht den Anwesenden mit Gewalt. Dann ziehen alle ab zum Alexanderplatz. Dort liegt die Filiale, die Döblin beschrieben hat. Dort fordern sie vom Geschäftsführer ein Mittagessen für jeden Teilnehmer des Hungerzugs. 

Tut uns leid, heißt es nur. Ohne Bescheinigung der Zentrale kann kein Gratisessen ausgegeben werden. Einer der Teilnehmer hält eine spontane Rede vor den Restaurantgästen. Er spricht über die bitteren Gefühle der Hungernden, die zusehen müssen, wie andere sich vor ihren Augen satt essen. 

Es hilft nichts. Die Jugendlichen ziehen weiter, nirgendwo erhalten sie etwas zu essen. Schließlich brechen sie in ein Lebensmittelgeschäft ein.

Rüdiger Barth, Hauke Friederichs, "Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik"


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Geschichte wiederholt sich, bloß dass die Leute, die heute Forderungen stellen, fettgefressen und mit Handy anrücken.

Anonym hat gesagt…

Eine Katastrophe, die vermeidbar gewesen wäre – Nun ja, nun Gott, nun ja - nicht unumstritten ... ... ... ...in Zeiten, in denen um demokratische Werte gerungen wird ... Köstlich. Schier unbezahlbar. Brüder, wir sollten zusammen ringen! - Na, tun wir doch!

Anonym hat gesagt…

<< „Das erwartet uns in 2025!“ >>
Pipi dünkt sich "weltoffen" - hat aber nur den Po offen.

Aber seien wir nicht ungerecht - gegen die grauenhafte Rechtschreibung von Röpers Leckern ist das noch gar nichts. "Dass" und "das" am Arsch, Pluralbildung mit Deppenapostroph - schauder!