Diesmal das "Ampel-Aus" als Beweis für die ungebrochene Fähigkeit des politisch-medialen Komplexes zur Selbstbespiegelung. |
Er gilt als einer der höchsten Feiertage der bundesdeutschen Gesellschaft, ein Termin, der Millionen zurückschauen lässt auf ein Jahr, das wieder erfolgreich war oder doch zumindest alle Hoffnungen lässt, dass das nächste erfolgreich sein wird. Wenn die Tage länger werden und die Jahresrückblicke näherrücken, kommt unweigerlich auch der Termin, an dem die bedeutsamsten Neuschöpfungen der deutschen Sprache gewürdigt werden.
Verbaler Einsatz
Es gibt dabei nur zwei Instanzen, die entscheiden: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden wählt das "Wort des Jahres" als Beispiel dafür, wie mit verbalem Einsatz und breiter Medienunterstützung bedeutsame Ereignisse auf eine Leerformel eingekocht werden können, die im besten Fall keinerlei eigene Bedeutung mehr hat.
Den bösen Bruder liefert die "sprachkritische Jury", ein eifriges Kleinstunternehmen der Philipps-Universität Marburg, das jeweils wenige Wochen nach der GfdS mit der Krönung des "Unwortes des Jahres" ein warnendes Beispiel dafür veröffentlicht, wie gesellschaftsfeindliche Kräfte immer wieder versuchen, mit Hilfe der Sprache demokratische Prozesse zu unterwandern.
Das "Wort" ist, wie die Bibel sagt "lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens", denn das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst. Das "Unwort" dagegen kommt in der Bibel nicht vor, weil "alles durch das Wort geschaffen wurde und nichts ohne das Wort entstanden, ein "Unwort" also unmöglich ist.
Trotzdem werden unter diesem von der BWHF vor 35 Jahren produzierten Begriff schonungslos "zynische und beschönigende" Bemühungen der EU-Kommission aufgedeckt, die mit der Neuprägung "Rückführungspatenschaften" Mechanismen der Migrationspolitik präsentabel zu machen versucht hatte.
Auch "Klimahysterie", "Corona-Diktatur" und "Pushback", sämtlichst Worte, die vor ihrer Wahl kaum jemand gehört, geschweige denn selbst benutzt hatte, wurden von der Jury bereits veredelt. Einmal erst fiel die Wahl auf "Unwort" als Unwort des Jahres.
Alternativlose Wahl
Dass die Konkurrenz, die immer zuerst vorlegt und damit die Wahl hat, um "Ampel-Aus" nicht herumkommen wird, war früh klar. Nicht erst den 80er Jahren mit Jahresworten seit "Rasterfahndung", "Nulllösung" (damals noch "Nulllösung") und "Ellenbogengesellschaft" entscheidet sich der von Bund und Ländern finanzierte Wiesbadener Sprachverein immer für zusammengesetzte Substantive, wie sie die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) als Standard in der politischen Kommunikation empfiehlt.
"Corona-Pandemie", "Wellenbrecher" "Zeitenwende" und "Krisenmodus" waren sämtlich geboren in den sorgenschweren Nachtsitzungen von Krisenstäben, die "Wordings untereinander abzustimmen", wie es die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang nach ihrem Rückzug beschrieben hat.
Doch so platt sie wirken, so unumwunden bekannten sie sich doch zum demokratischen Rechtsstaat und seinen Organen. Eine Eigenschaft, die dem "Ampel-Aus" auf den ersten Blick abgeht - doch wäre er jetzt nicht zum Wort des Jahres gekürt worden, hätte ihn die Unwort-Jury zweifellos in Kürze für ihre Zwecke missbraucht.
Ausweis der Selbstbespiegelung
Warnungen gab es, Alternativen kaum. "D-Day-Papier" und "Feldschlacht" hätten ebenso gut als sprachlicher Rückblick auf ein ganzes Jahr der Beschäftigung der Politik mit sich selbst funktioniert, "Inflation", "Abschiebungen" oder "Energiepreise" dagegen wären zu allgemein gewesen und hätten den Blick zu sehr fortgelenkt aus dem politischen Berlin und seiner medialen Blase.
So mag das "Ampel-Aus" zwar anmuten wie die Beschreibung eines sehr kurzfristigen Geschehens, der Spiegel eines einzigen Mittwochabends im November, doch dieses "Wort des Jahres" ist damit das ideale Abbild des politisch-medialen Komplexes: Die "Klimaschönfärberei" auf Platz 2 hat es in den zehn Jahren seit ihrer Erfindung durch den Erdöllobbyisten Rolf Hartl nie aus dem Labor hinausgeschafft.
Das vom SPD-Kanzlerkandidaten der Herzen bei der BWHF in Auftrag gegebene "kriegstüchtig" dagegen erregte schon fast wieder zu viel Aufsehen. Etwas, das im Wahlkampf niemand brauchen kann.
Jetzt beginnt das eigentliche Projekt
Das "Ampel-Aus" auf Platz eins klagt nun an, es erinnert aber zugleich auch an die "Fortschrittskoalition", jenes "eigentliche Projekt", das beim scheidenden Gesundheitsminister Karl Lauterbach immer noch "jetzt beginnt". Für die Auswahl der "Wörter des Jahres" entscheidend sei "dabei nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität", erläuterte die GfdS ihr Vorgehen.
3 Kommentare:
OT
>>> vitzli sagt:
7. Dezember 2024 um 2:51
was mir an merz gut gefällt, ist, daß er mit dem angekündigten Taurusultimatum und der möglichkeitsoption habeck in seinem kabinett eigentlich alles über sich gesagt hat. <<<
--------------------------------------------------------------------------------
Das dürfte m.E. für ihn kein Hinderungsgrund sein, gewählt zu werden: Der Grad der Massenverblödung ist bemerkenswert.
da er alternativlos ist, macht er alles richtig, wenn er es allen recht macht. bis 2029 geht das sicher noch mal
Wenn man schon so späte Einsendungen in die Liste nimmt, dann ist Schwachkopf das Wort des Jahres.
Kommentar veröffentlichen