Freitag, 13. Dezember 2024

"Unübliche Windflaute": Der Schmarrn mit dem Dauerstrom

Eine für die Jahreszeit unübliche Windflaute hat die Strompreise in die Höhe getrieben. Aber die Bundesregierung hat die Lage weiter fest im Griff, in Kürze schon könnte ein Strompreisverbot kommen.

Es war genug für alle da, das wollte Klaus Müller noch einmal ausdrücklich betonen. Dass die Strompreise im Großhandel ungeachtet dessen "sehr hoch" seien, wie die üblichen Panikprediger gewarnt hatten, müsse niemanden beunruhigen. "Die Preise sind Knappheitssignale mit dem Effekt, es wird genug Strom produziert & importiert", beruhigte der Chef der Bundesnetzagentur bei der Kurznachrichtenplattform X. Ein echter Marktwirtschaftler, der grüne Behördenvorsitzende, dessen Aufforderung an die Deutschen, das tägliche Duschen einzustellen, vielen Älteren noch in guter Erinnerung ist.

Jetzt geht es nicht um Wasser und nicht um Gas, sondern um Strom, von dem genug da ist und immer das sein wird. Mit einem Preis als "Knappheitssignal", das gar nichts bedeutet, so Müller. Niemand müsse Angst haben, keiner sei betroffen, denn die hohen Summen von bis zu einem Euro pro Kilowattstunde Strom beträfen nur den Börsenhandel. "Kunden mit festen Stromtarifen betreffen Börsenstrompreise nicht, sie zahlen den mit ihrem Lieferanten vereinbarten Preis". Der wird den Teufel tun und die hohen Preise eines unschönen Tages an seine Kunden weiterreichen.

Feste Preise sind garantiert

Denn so ist das in Deutschland geregelt: Wenn der im Einkauf mehr bezahlen muss, hat er Pech. Niemand kann und niemand darf seine eigenen Kosten einfach an seine Kunden weitergeben, auf dem Strommarkt schon gar nicht, indem er die vertraglich vereinbarten Preise erhöht, vielleicht zum nächsten Abrechnungszeitraum, vielleicht auch schon früher. 

Klaus Müller, der neben dem verantwortungsvollen Job des Netzaufsehers auch den des höchsten deutschen Meinungsaufsehers mit Umsicht und Bedacht ausfüllt, ließ keinen Zweifel daran, welche Ursachen für die "Strompreisspitzen" (FAZ) es zu beseitigen gilt: "Hoher Verbrauch bei kaum Erneuerbarer Erzeugung" sei zwar durch den EU-Markt gegenseitig abgesichert. "Wir brauchen aber Maßnahmen für den Zubau steuerbarer Kapazitäten."

Auf einmal schon 2032

Neue Töne aus der Netzagentur, die noch vor zwei Jahren sicher gewesen war, dass die deutsche Stromversorgung "bis 2031 gesichert" ist. Nicht dazugesagt wurde, zu welchem Preis. Aber das war seinerzeit auch nicht das Thema. Damals war der große Kraftwerksplan noch mitten in der Umsetzung. Wie im grünen Wahlprogramm versprochen, setzte Robert Habeck alles daran, im Rahmen der Kraftwerksstrategie 30 bis 40 neue Erdgaskraftwerke bauen zu lassen, die immer dann anspringen sollten, wenn Sonne, Wind, Kohle und französische Kernkraftwerke allein den Laden nicht mehr am Laufen halten können. Mehr Erneuerbare, hieß das Schlagwort. Mit mehr Erdgaskraftwerken, die, wenn erst die Stunde der großen Wasserstofffabriken geschlagen hätte, problemlos mit dem Ersatzgas aus erneuerbarem Strom, Luft und Wasser beschickt werden würden.

Der Kraftwerksplan ist allerdings mittlerweile schon wieder Schnee von gestern. Und Klaus Müller ahnt "Stress im Stromnetz". Weder haben sich die Träume erfüllt, dass das Netz auf geheimnisvolle Weise als Speicher dienen könne, noch ist der Wunsch einer führenden Energieexpertin in Erfüllung gegangen, dass es "Speicher noch und nöcher" schon längst gebe. Der "grüne Wasserstoff" hat sich als milliardenteures Hirngespinst herausgestellt. Die Natur, die der deutsche Mensch doch vor allem schützen will, erwies sich als launiger Verbündeter. 

Verlass auf üblichen Durchschnitt

Mal scheint die Sonne, mal nicht. Mal weht der Wind, mal herrscht eine "unübliche Windflaute", wie es das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nennt. Auf einmal fällt die durchschnittliche Produktionsleistung von Windstrom auf nur noch 15 Prozent "des sonst in dieser Jahreszeit üblichen Durchschnitts". Auf einmal ist kein Sommer mehr, unangekündigt. Auf einmal nimmt die Natur Rache. Die Tage sind kurz, die Anzahl der Sonnenstunden niedrig. Kein Wind und keine Solarenergie. Und das mitten im Herbst! 

"Wir haben es derzeit mit einer sogenannten Dunkelflaute zu tun", klärte das Ministerium unumwunden auf. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde, anfangs noch durch regierungsfeindliche Prepper propagandistisch missbraucht. Mittlerweile handelt es sich um eine medial allgemein und offiziell anerkannte Angst, über deren Ursachen Fachleute allerdings noch ebenso rätseln wie über "die extrem hohen Strompreise" (FAZ). Liegt es an der Nachfrage? Am Hochnebel? An Stahlwerken, Bäckereien, Behörden und anderen Produktionsbetrieben, die einfach nicht schnell und flexibel genug herunterfahren?

Gründe völlig unbekannt

Im zuständigen Ministerium sind sie den Gründen der überraschenden Entwicklung auf der Spur. Die hohen Preise "in einzelnen wenigen Stunden" (BMWK) ergäben sich "durch ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren". Dumm gelaufen. Der Gaspreis sei zuletzt auf 46 Euro pro MWh gestiegen, obwohl die Speicher voll sind. Dazu komme die "kalte Witterung" mitten im wärmsten Jahr der Geschichte, das Bürgerinnen und Bürger zu einem "Anstieg der Heizungsnutzung" veranlasse. Sie duschen wahrscheinlich auch wieder, weil die guten Ratschläge, das doch bitte zu unterlassen, verhallt sind wie das Versprechen, etwaige Mehrkosten durch die große Transformation würden die fleißigsten Strom-, Benzin- und Gassparer als bare Münze namens "Klimageld" auf ihre Konten überwiesen bekommen.

Da Strom in Deutschland weitsichtigerweise nicht mehr mit Atom gemacht wird, muss Gas dafür sorgen, dass die vielen neuen Wärmepumpen im Land, die die vielen alten Gasheizungen ersetzt haben, mit ausreichend Elektroenergie beschickt werden können. Diese Lösung gilt als kluger Schachzug. Weniger verbrennen mehr. Und alle haben etwas davon.

Das treibt die Preise nicht nur hierzulande, weil die Bürgerinnen und Bürger wieder sorglos geworden sind und kaum mehr mithelfen im Kampf gegen den russischen Energiekrieg. Auch die Ampel und die jetzt noch von ihr verbliebene Fußgängerampel unterließen es zuletzt trotz der drohenden Gefahren, die früher jahreszeitüblichen Sparappelle an die Bevölkerung zu richten. Nicht einer der Minister und auch nicht der Kanzler machte eine entsprechende Ansage. Vorbei die Monate, als alle gewillt waren, in Zukunft besser vorbereitet zu sein, mit Preisbremsen im Gepäck und Teelichtöfen im Wohnzimmer.

Ohne verbindlichen Heizungscheck 

Weder vom hydraulischen Pflichtausgleich noch vom verbindlichen Heizungscheck vor Winterbeginn war noch irgendwo die Rede, obwohl die als Teil der deutschen Kriegsanstrengungen vor zwei Jahren verabschiedete "Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen" (EnSimiMav) allen 41 Millionen Haushalten in Deutschland eine alljährliche Heizungsprüfung zwingend vorschreibt. Bei den meisten Haushalten ist nie ein Prüfer erschienen, um den "hydraulischen Abgleich" vorzunehmen, der Putins Gasstrategie den Zahl ziehen sollte. Mittlerweile ist die entsprechende Verordnung auch schon wieder ausgelaufen. Die war so wichtig und bedeutsam, dass sich keine Stimme zu ihrer Verteidigung erhob und forderte, sie müsse wenigstens Ewigkeitsgarantie bekommen.

Auch die Medien, in der schließlich von Robert Habeck gelösten großen Gaskrise des Jahres 2022 der Tippgeber für den Bau von Teelichtkaminen aus Blumentopfuntersetzern, versagten bei der Sensibilisierung für die kommende Knappheit. Deutschland im Normalbetrieb, als könne sich das Land bei jeder Witterung noch selbst am Leben halten. 

Meist klappt das ja, denn im zweiten Jahr nach dem dritten Atomausstieg fungieren die Nachbarstaaten als Deutschlands Großspeicher. Dorthin verschwindet der hiesige Überflussstrom, wenn Wind und Sonne gemeinsam um die Wette produzieren, ohne eine Rechnung zu schreiben. Oft zahlt der Lieferant sogar freiwillig beträchtlich drauf, um seine Netze stabil zu halten. Das Geld ist da, die Politik hat gut gewirtschaftet.

Sehr wenige sehr teure Stunden

Von dort bezieht die frühere Wirtschaftsnation in den "sehr wenigen teuren Stunden" (BMWK) der Dunkelflauten Energie, aber immer so, dass sich die exorbitanten Kosten "nicht nennenswert auf den Jahresdurchschnittspreis von Strom" auswirken. Das Geheimnis des teuren Billigstroms liegt darin, dass "private Stromverbraucher & auch die meisten Industrieunternehmen lang- & mittelfristige Verträge" haben, "die einen Preis garantieren", wie das Fachministerium von ganz bestimmten Adressen verantwortungslos gestreuten Gerüchten über steigende Strompreise entgegengetreten ist. Wage wer noch einzuwenden, dieser garantierte Preis sei aber leider der höchste der Welt! Nicht immer, manchmal ist er sehr günstig. Bedauerlicherweise aber haben die Menschen und die Firmen auch dann "lang- & mittelfristige Verträge", "die einen Preis garantieren", hoch wie er ist.

Die Wissenschaft weiß längst, wie sich das Problem der vermeintlich nicht grundlastfähigen Versorgung durch Wind, Sonne und Auslandsstrom lösen lässt. Volker Quaschning, einer der führenden Experten für Lastabwurf und Energieausstieg,  hat dem bisherigen Grundlast -Konzept der beständig verfügbaren Energie eine Absage erteilt. Das ist von gestern. Das ignoriert die Möglichkeiten einer modernen Gesellschaft, ihren Bedarf nicht am Bedarf, sondern am Angebot zu orientieren.

Richtungsweisung vom Verschattungsspezialisten


Bei der Vorstellung, eine menschliche Zivilisation brauche dauerhaft und in jeder Situation ausreichend Strom, handele es sich um "Schmarrn", hat der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin festgestellt. Dauerstrom ist Unsinn, oft fließt er sinnlos durch die Netze. Quaschning setzt auf neue Ideen, auf eine Gesellschaft, die sich mit ihren Aktivitäten wie die Natur nach Wind und Wetter richtet. "In der künftigen Energiewelt gibt es gar keine Grundlast mehr", ist der promovierte Verschattungsspezialist sicher. Die Zukunft gehöre "der Flexibilität mit variablen Lasten und Batteriespeichern". Die müssen bloß noch erfunden und dann gebaut werden, um die Dunkelflautenangst für immer in die Flucht zu schlagen.

8 Kommentare:

ppq-Leser hat gesagt…

Ja, Ab - und Vollschatten, wohin das Auge blickt.

Anonym hat gesagt…

Die hohen Preise in einzelnen wenigen Stunden...

Vielleicht werden es mal einzelne wenige Tage, oder Wochen. So lange es nur einzelne, wenige sind. Kein Problem.

OT Fefe: Das war doch die ganze Zeit Bullshit, die Rhetorik mit Messerstechern, die zufällig bei der AfD auch immer alles fiese Ausländer sind.

Ach Fefe....

Arminius hat gesagt…

Ein Land ohne Industrie braucht keinen Strom.

Anonym hat gesagt…

Die EnSimiMav ist zum 30.09.2024 außer Kraft getreten. Der Krampf, der darin festgeschrieben war, ist jetzt noch umfangreicher im Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (abgekürzt GEG, von Fachleuten auch GAG genannt) geregelt. Sinnvoller wird's aber auch dadurch nicht.

ppq hat gesagt…

außer kraft getreten? und nicht mal nachrufe gab es. schlimm. selbst die regelmäßigen klempnerbesuche nehmen sie den alten leuten

Anonym hat gesagt…

Schmalwild im Fläming dürfte eine gewisse Lösung darstellen, das Hinterviertel eines übereifrigen Revierförsters müsste auch kein Riesenproblem sein ... Ordentlich Knoblauch dran ...

Anonym hat gesagt…

Die Blödzeitung für den Unterrand des Mittelstandes, welcher sich lächerlicherweise dem Blödzeitungsleser intellektuell überlegen dünkt, der "Lokus": Sahra Wagenknecht "macht Ansage" an "die Vermögenden".
Nur versteht das Bolschewickengerödel, Die Anmerkung einmal ausgenommenen, gleich ihren unappetitlichen Vettern, den Zigeunern, unter vermögend bzw reich, auch einen Facharbeiter, der in Vollzeit knufft. Und, die wirklich und echt Knack gebunkert haben, die wissen ihn zu wahren.

Anonym hat gesagt…

>Wagenknecht "macht Ansage" an "die Vermögenden".

Focus:
Trotz Wirtschaftskrise erreichen die Dividendenausschüttungen jedes Jahr einen neuen Rekord. ... geht dieses Geld überwiegend an sehr reiche Familien im In- und Ausland und eben nicht an die, die die Wirtschaft mit ihrer Arbeit am Laufen halten.

'Überwiegend an sehr reiche' ist eine schöne Kette an Wieselworten.
Wohin geht das Geld noch?
Die Abgeltungssteuer beträgt pauschal 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag.
Ah, dahin. 'Ausland' ist auch ein gutes Stichwort, denn dahin verschwinden 'sehr reiche Familien' auch sehr schnell mitsamt ihrer Steuerpflicht.