Jan Böhmermann war auch 2024 der passende Komiker für ein Land, das nichts mehr zu lachen hat. Abb. Kümram, Kreise auf Pappe, ungerahmt |
Einmal mehr hat er Millionen mit seinen Witzen begeistert, alle Finger mehrmals in sämtliche Wunden gelegt, alle Preise abgeräumt und es dabei ganz zum Schluss sogar noch geschafft, mit einer Sendung, die nicht gesendet wurde, Aufsehen zu erregen. Auch 2024, dem Jahr, in dem die gesellschaftliche Stimmung kippte, blieb Jan Böhmermann eine verlässliche Konstante.
Ein alter weißer Mann
Obschon mit inzwischen 43 Jahren ein regelgerechter alter weißer Mann, blieb der Ansager des ZDF Magazine Royale der junge Wilde des altbackenen deutschen Fernsehbetriebes. Mit strenger Miene und einem Satzbau, der die Schulung an klassischen Harald-Schmidt-Sendungen verrät, schaffte es der gebürtige Bremer, Rollen als Entertainer, Satiriker, Fernseh-, Radio- und Podcast-Moderator, Musiker, Autor, Filmproduzent und Journalist zu spielen, ohne dass jemals jemand anderes zu sehen war als Jan Böhmermann, der in seiner größten Rolle als Jan Böhmermann auftrat.
Ein Komiker, der wie kein anderer zu einem Land passt, das nichts mehr zu lachen hat. Der Geschäftsindex ist auf Pandemie-Temperatur gefallen, die großen Firmen entlassen Zehntausende, die kleinen schließen ihre Pforten und das politische Berlin streitet nur noch darüber, wer der größere Verräter und heimtückische Täuscher ist. Böhmermann kann da mithalten, er ist auf Ballhöhe, weil er genau weiß, dass Satire alles darf und genau dorthin zu gehen hat, wo es am meisten wehtut.
Der Klassenclown der Republik
Die rechte Unterwanderung der Medien etwa hat den Klassenclown der Berliner Republik zuletzt beschäftigt. Amüsement royale, verpackt als flotte Verschwörungstheorie à la Chemtrails sind überall: Böhmermann zufolge arbeitet das winzige Medienhaus Nius mit Rechtsextremen und Millionären, aber auch mit Jens Spahn (CDU), Christian Lindner (FDP), Wolfgang Kubicki (FDP), Michael Kretschmer (CDU) und Carsten Linnemann (CDU) daran, die Meinungshoheit der öffentlich-rechtlichen Sender und der demokratischen Leitmedien zu bekämpfen - ungeheuerlich.
Angesichts der Kräfteverhältnisse bei Lichte betrachtet eine Versuchsanordnung wie damals die beim Kampf der "sechs gegen die 60 Millionen". Hier steht eine Internetseite gegen Europas mächtigste Medienmaschine: Neben Jan Böhmermann arbeiten weitere 20.000 Menschen für ARD und ZDF, die beiden Senderfamilien haben für die zahllosen von ihnen betriebenen Kanäle Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung und sie dürfen sich jederzeit darauf verlassen, dass die "privatkapitalistischen Medienheuschrecken" (ARD-Framing-Manual) ringsum im Zweifel denselben Ton singen.
Böhmermanns Tag X
Nur ein wirklich brillanter Satiriker, der eine wirklich ausgebuffte Redaktion hinter sich weiß, vermag es, angesichts dieser Gefechtslage einen Medienzwerg wie Nius zur Bedrohung der Meinungsfreiheit aufzublasen. Böhmermann hat es mit geraunten Hinweise auf üble Verstrickungen zu reichen Finanziers, rechtsextremen Autoren und einer Sängerin, die im Song "Tag X" aus der Coronazeit singe "Wir wollen die alte Zeit zurück" und "wir warten alle auf Tag X".
Was wusste die Frau damals schon von den Demonstrationen gegen die strafrechtliche Verfolgung der Aktivistin Lisa? Wollte sie vor dem Klima warnen? Welche verschwiegenen Verbindungen gibt es hier Ende-Gelände-Bewegung? Böhmermanns Methode, Netzwerke zu enthüllen, wo er welche sehen will, fußt auf dem 1967 vom amerikanischen Psychologen Stanley Milgram entdeckten Netzwerk-Theorem. Nach dieser auch als "Kleine-Welt-Phänomen" bekannten Erscheinung ist jeder Mensch mit jeden beliebigen anderen Menschen über durchschnittlich nur sechs Verbindungspunkte bekannt.
Spannemann und Schützin
Jan Böhmermann dagegen kennt alle direkt. Schon vor dem damaligen BSI-Präsidenten Arne Schönborn wusste er, dass der oberste Hüter der deutschen Cybersicherheit "russlandnah" ist. Die Nachweismethode ist die Böhmermannsche: Jemand kennt jemanden, der jemanden kennt, der bestimmt schon einmal jemanden gesehen hat.
Bei Schönborn spannte der ZDF-Mann die Flinte, die Bundesinnenministerin drückte ab. Erst zwei Jahre nach der "Cyberclown"-Ausgabe von Böhmermanns angeblichem Satiremagazin konnte der inzwischen mit dem Posten des Präsidenten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung ruhiggestellte Schönbohm ein Gericht überzeugen, dass er keineswegs das "Sicherheitsrisiko" ist, als das ihn Böhmermann dargestellt hatte.
Pleite vor Gericht
Böhmermann hat seine Pleite vor Gericht auf die ihm eigene Weise unter seinem Anhang verbreitet. "Das Landgericht München I hat die Schadensersatzklage von Ex-BSI-Präsident Arne Schönbohm abgewiesen!", schrieb er, das Gericht halte "die Einschätzung des ZDF Magazin Royale für zulässig: Arne Schönbohm war eine Gefahr für die Cybersicherheit Deutschlands". Eine Wertung, die die Richter keineswegs getroffen hatten.
Doch Böhmermann setzt darauf, dass niemand nachschauen wird, wie es genau gewesen ist. Die Lüge verkleidet sich als Überteigung, die Fake News als Spaß. Böhmermann hat eine Karriere vernichtet, ohne sachlichen Grund. Und er kommentiert den "Warnschuss" (Stuttgarter Nachrichten) mit dem Satz: "Mehrdeutigkeit, Meinungsfreiheit und Machtkritik bleiben eine juristische Herausforderung", schreibt er.
Eine Niederlage ist keine Niederlage
Eine Niederlage, der Hofnarr der Berliner Medienrepublik weiß das genau, ist erst dann eine, wenn man sie eingesteht. Dass Böhmermann in vier von fünf Punkten vor Gericht unterlegen war, überspielt der Fernsehaktivist, dem vorgeworfen worden war, aus der Politik mit Munition gegen Arne Schöhnbohm gefüttert worden zu sein, satirisch mit Triumphgeheul über den einen Punkt der Klage, den er zwar nicht gewann, aber auch nicht krachend verlor.
Hier hatte das Gericht entschieden, dass es sich bei der angegriffenen Äußerung wirklich "um eine satirisch zugespitzte Meinungsäußerung" gehandelt habe, "nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die deshalb unter Abwägung der konkreten Umstände noch hinzunehmen sei." Der Satiriker dürfte Schönbohm "nicht mehr in die Nähe russischer Geheimdienste rücken" (SZ). Das allerdings war die ganze Absicht und der komplette Inhalt seiner Sendung.
Der unwahre Tatsachenbehaupter
Jan Böhmermann ficht das nicht an. Er feiert sich demonstrativ dafür, dass einer seiner Witze einer war, er verschwiegt aber tunlichst, dass alle anderen als "unwahre Tatsachenbehauptung" verboten wurden, weil sie "den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht" verletzen. Der kleine Mann mit dem großen Ego interpretiert seine Niederlage als Sieg. Er hat die Reichweite, er hat den Namen, er hat das Renommee, er kann behaupten, dass das Gericht seine Bewertung Schönbohms bestätigt habe, obwohl es das ganze Gegenteil getan hat. Das ZDF schweigt ebenso. Keine Nachricht. Keine Entschuldigung.
Ist der Ruf erst ruiniert, bleiben doch die Preise. Jan Böhmermann ist der am häufigsten ausgezeichnete Staatssatiriker Deutschlands. Es klingt wie ein Witz, aber der Witzbold hält fünf Fernsehpreise und neun Grimme-Preise, sogar den wirklich ehrwürdigen Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ist ihm schon verliehen worden.
8 Kommentare:
TV-Herpes macht 2025 eine Deutschlandtour, hier hingen Plakate. Laut Youtube eine Art Prunksitzung. Was der da genau macht, habe ich nicht rausgekriegt, aber wird das Übliche sein.
Es kommt der Tag, da wird Clown ausreisen müssen. So richtig peinlich mit falschem Bart und Sonnenbrille. Schon heute nur mit Personenschutz unterwegs. Trotz GEZ- Millionen ein ganz armes Würstchen.
Es kommt der Tag ... Ich fürchte, nein. Das Aas wird uns noch alle auslachen. Im günstigsten Fall, an den ich nicht so recht glauben mag, geht er mit uns gleichzeitig drauf.
Ist die literarische Gestalt (die reale ~ gab es auch) Graf Teja ein Begriff?
Nein, mir ist nur die reale Gestalt ein Begriff. Bitte sprechen Sie mal über die literarische!
Geduld. Felix Dahn lässt Teja die saftigste Gotteslästerung tun, die mir je unterkam. Frühestens übermorgen.
Doch noch gefunden:
"Wie", rief der Mönch, "du leugnest, finstrer Mann, wie - wie Cethegus, den Gott der Liebe aus seiner Welt hinaus? Den Gott, der allweise, allmächtig und alliebend vom Himmel aus der Menschen Pfade lenkt, den leugnest du?" --- Fortsetzung folgt
"Ja", rief Teja und ließ die Hand an den Schwertgriff gleiten. "Den leugne ich! Und wäre ein Wesen da oben, lebendig und wissend, was es tut oder geschehen läßt -, man müßte, wie die Riesen in unserer Göttersage, Berg auf Berg und Fels auf Felsen türmen und seinen Himmel stürmen, und nicht ruhen und rasten, bis man das teuflisch grausame Gespenst von seinem blutigen Schädelthron gestoßen hätte oder selbst gefallen wäre von seinem Blitz."
Selbst glaube ich an Wakantanka, den großen Natschalnik (nicht mit dem üblen Wüstendschinn der Jodler, der Sälbler und der Fahrradständer zu verwechseln), der vor vor viereinhalb Milliarden Jahren die halb flüssige Urerde in genau richtigem Winkel mit der Theja zusammenknallen ließ, auf dass ein Magnetfeld und damit eine habitable Zone entstand - büschen viel Zufälle für reinen Zufall und nichts sonst.
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