Vier Kämpfer, die alles geben. Für Klimaschutz, Gerechtigkeit und Frieden war allerdings erstmal kein Platz auf den neuen, zugkräftigen SPD-Wahlplakaten. |
Es ist das dritte Mal in drei Jahren, dass die Parteiführung zum Gefecht ruft. Nach der Bundestagswahl 2021, die in einem Triumph endete, der zu Desaster wurde, und der Europawahl im Frühjahr, bei der sich die älteste deutsche Partei regional schon in Wohlgefallen aufgelöst hatte, gilt es nun erneut. Auf in den Kampf! Augen zu und durch!
Es wird wieder Bundestagswahlkampf, zum Glück ein kurzer, weil überraschender. Inhaltlich wird es kaum in die Tiefe gehen müssen, ein klarer Vorteil für Parteien wie die SPD, die keinen Bauchladen an Ideen haben und keinen Rucksack an konkreten Vorstellungen herumschleppen müssen. Vor drei Jahren, als ein Lächeln Armin Laschets Olaf Scholz ins Amt spülte, reichte das Versprechen "Scholz packt das an", um die Regierung zu übernehmen. Dabei ist Anpacken weder Hochheben noch Wegtragen oder gar Ausstemmen.
Abschied vom bleichen Anzugmann
Den Leuten reichte es. Sie wählten "sichere Arbeit und Klimaschutz", "Mindestlohn 12 Euro", "faire Mieten", "stabile Renten", "Respekt" für sich und "Kompetenz für Deutschland". Immer war es Scholz, der als bleicher Anzugmann drohend mit einem Wahlschein winkte. Der Parteivorstand mit Lars Klingbeil, Saskia Esken und Kevin Kühnert hatte das Angebot durchgerechnet: "Wir legen einen klaren Fokus auf Olaf Scholz und unsere vier Schwerpunkte: stabile Renten, bezahlbare Mieten, faire Löhne und sichere Arbeit und Klimaschutz".
In der Grundschule käme mancher auf fünf, aber in der SPD weiß man, was zählt. Die Idee. die eigene Spitzenkandidatin zur EU-Wahl mit einem kaum verhohlenen Sowjetstern zu plakatieren, war keine besonders gute, diese Botschaft aus dem Wahlvolk hat selbst die verbliebene Parteiführung der SPD verstanden. Am unverbindlichen Charakter der eigenen Versprechen aber wird die deutsche Sozialdemokratie festhalten, wie die Motive der ersten Wahlplakate zeigen.
Abschied von den stärksten Stimmen
Aus dem "Miteinander" von Deutschlands "stärksten Stimmen für Europa" in der EU-Wahlkampagne, das die SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley zurück nach Straßburg trug, wo sie seitdem in eisernem Schweigen verharrt, wird ein "Wir kämpfen für...". Die deutsche Sozialdemokratie nutzt hier eine Kampagne nach, mit der die österreichische Schwesterpartei 2013 noch einmal stärkste Partei geworden war. Der Satzstamm selbst ist ein Echo aus noch weiter zurückliegender Geschichte, einst wurde die Kampfansage sogar gesungen: "Bis niemand mehr stört Deutschlands Glück und wenn sich die Reihen auch lichten, für uns gibt es nie ein Zurück".
"Auf, auf zum Kampf, zum Kampf sind wir geboren", so heißt es auch in einem alten Arbeiterlied, das der Angst vor dem "Donner der Kanonen" und vor dem "Tod für Freiheit und Recht" eine unmissverständliche Absage erteilt. "Dort steht ein Mann, ein Mann fest wie eine Eiche", heißt es da, "der hat gewiss, gewiss schon manchen Sturm erlebt". Vor dem inneren Auge erscheint automatisch Olaf Scholz, der auf den SPD-Plakaten "für Dich und Deutschland" kämpft, denn das ist Chefsache.
Volk, Geld, Familie und Zukunft
Sein Wahlkampfleiter Lars Klingbeil hat den Kampf für "Deinen Wohlstand" abbekommen, die beliebte Parteivorsitzende Esken kämpft für "Deine Familie" und der für den abgetretenen Kevin Kühnert nachgerutschte Matthias Miersch für "Deine Zukunft". Alles drin, alles dran, alles vertreten vom Volk über das Geld, die Familie und die Zukunft. Komplett verabschiedet hat sich die einstige Arbeiterpartei von früheren Wahlkampfhits wie Klimaschutz, Kampf gegen rechts und der Errichtung der Vereinigten Staaten von Europa, die der frühere Parteichef und sozialistische Hoffnungsträger Martin Schulz im kommenden Jahr hatte ausrufen lassen wollen.
Auch die "Gerechtigkeit", jahrzehntelang ein SPD-Klassiker, mit dem Sozialneid und Missgunst umschrieben wurden, ist aus dem Angebot verschwunden, die kurzzeitig vom Kanzler selbst als Wahlkampfschlager entdeckte Re-Migration Tausender hat es nicht in die aktuellen Flugblätter geschafft. Die sehen die SPD "in der Verantwortung für Innere, Äußere und Soziale Sicherheit, für ein Deutschland mit einer wachsenden Wirtschaft und stabilen Renten, mit bezahlbarer Energie und gerechtem Klimaschutz, einer verlässlichen Verteidigung und eine moderne Infrastruktur".
Abschied von der Gerechtigkeit
Doch dank der deutschen Sozialdemokratie muss sich trotz leeren Kassen niemand für das eine oder das andere entscheiden. "Entweder oder" sei Gift, ist die Chefetage der SPD sicher. "Innere, äußere und soziale Sicherheit gehören für uns untrennbar zusammen und wir sind nicht bereit, auf eines davon zu verzichten." Die Lösung für das Problem, alles zu wollen und noch viel mehr, nicht bezahlen zu können und trotzdem allen alles kaufen zu wollen, ist aus sozialdemokratischer Sicht denkbar einfach: "Denn wir kämpfen für Dich. Jeden Tag aufs Neue."
Welche Vorstellungen genau die SPD mit den vier Begriffen verbindet, wird sich wie immer nach dem Wahltag herausstellen, wenn sich die unverbindlichen Offerten zuerst in Verhandlungsmasse und anschließend in
5 Kommentare:
Beim letzten Mal war Scholz das Los, das noch keiner freigerubbelt hatte. Also man hatte ja was geahnt, was gehört, aber nicht gerichtsfest. War noch alles drin. Jetzt hat jeder die Nieten gesehen.
Ich möchte anonym1 erwidern: Vor der Bundestagswahl 2021 stand die SPD vor einem KO, sie hatte gar nichts vorzuweisen und Scholz war Bestandteil dieses Sauhaufens. Auch seine Machenschaften als Hamburgs Bürgermeister waren dem Interessierten bekannt.
Trotzdem sind es keine Nieten in dem Sinne, sondern sie erfüllen zuverlässig eine Agenda, einen Auftrag.
Ekelhaft, wie die SPD das Rot aus der Deutschlandfahne für ihr eigenes Rot adaptieren will. Dabei strebt der SPD Idealismus gegen 0 und ihr Opportunismus gegen 100.
Lo harán! Die schaffen das! Unterschätzt doch nicht immer wieder die zum Himmel nicht schreiende, sondern brüllende Dummheit der meisten.
Das Rot der Roten steht nicht, wie man uns als Kindern weisgemacht hatte, für das Blut der kämpfenden Arbeiterklasse, sondern für das Wappenschild einer Frankfurter Bankierssippe. Ja, spottet mein.
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