Sonntag, 15. Dezember 2024

Rückwärtsradierer: Die Wandelbarkeit der Vergangenheit

Immer öfter ist nicht mehr war, was wahr gewesen war. Telepolis bereinigt jetzt sein Archiv.
Die Vergangenheit wird passend gemacht.

Die Verzweigungen der Parteidoktrin interessierten sie kein bisschen. Jedes Mal, wenn er über die Prinzipien des Engsoz, über Doppeldenk, die Wandelbarkeit der Vergangenheit und die Leugnung einer objektiven Realität zu sprechen begann und Neusprechwörter benutzte, langweilte sie sich und verlor den Überblick und sagte, sie kümmere sich nie um solche Dinge. Man wisse doch, daß das alles Quatsch sei, warum solle es einem dann Kopfzerbrechen bereiten?  

George Orwell, 1984


Es wurde auch höchste Zeit. Immer öfter war nicht mehr war, was wahr gewesen war, immer häufiger kamen bei der Betrachtung der Vergangenheit Zweifel auf, ob jemals etwas richtig gewesen ist, was frühere Generationen gedacht und vollbracht hatten. 

Im  "Spiegel"-Archiv wimmelt es von N-Worten. Bei der Süddeutsche Zeitung sind Verschwörungstheorien im Dutzend nachzulesen. Merkels Grenzöffnung, das hatten Fake-News-Spezialisten nach, war gar keine. Zumindest nicht, bis US-Präsident Barack Obama ausdrücklich von einer Grenzöffnung sprach. Selbst die großartige Geschichte des "Wortes des Jahres" weist irritierende Lücken auf: 1981 war die Wahl der Jury auf "Nullösung" gefallen. Nach der Rechtschreibreform erst behaupten Geschichtsfälscher, es sei "Nulllösung" gewesen. 

Irritationen ausradieren

Es gilt, die Archive zu säubern, Irritationen rückwärts auszuradieren und die von George Orwell 1946 in seinem Roman "1984" entworfene "Wandelbarkeit der Vergangenheit" in der Praxis zu beweisen. Das Online-Magazin "Telepolis" aus dem Heise-Verlag wagt sich jetzt als erste renommierte Adresse an den Versuch, Geschriebenes aus der Geschichte mit dem Blick von heute an die Notwendigkeiten einer neuen Zeit anzupassen.

Dazu hat die Redaktion unter dem augenzwinkernden Decknamen "Qualitätsoffensive" sämtliche Artikel aus dem Online-Archiv genommen, die vor dem Jahr 2021 erschienen sind, das als Schlüsselmoment für das von Orwell als "Doppeldenk" bezeichnete Prinzip der Leugnung der objektiven Realität durch die Verwendung sogenannter Neusprechworte gilt. Was vor 2021 als richtig, logisch und sagbar widerspruchslos akzeptiert wurde, entpuppte sich danach häufig als Schwurbelei, Fake News und manipulierende Desinformation.

Zensurfeindliche Texte



Es geht um die Bereinigung der Vergangenheit von falschen Zungenschlägen und missverständlichen Ex-Wahrheiten, wie sie Winston Smith, ein einfaches Mitglied der diktatorisch herrschenden, fiktiven Staatspartei Sozialistische Partei Englands, in Orwells "1984" Tag für Tag leistet. Satt einer real existierenden Vergangenheit, die war, wie sie gewesen ist, mit allen Missverständnissen und aus der Zeit erklärbaren Verfehlungen bei der korrekten Betrachtung und Einordnung, setzt "Telepolis" auf eine nachträgliche Begradigung der Geschichte, noch ehe die Bereinigung der Archive behördlich angewiesen wird. 

Keine pauschale Garantie


Die Redaktion könne die Qualität vieler älterer Beiträge "nicht pauschal garantieren" und werde die Texte deshalb erst einmal mit dem Blick von heute "bewerten" und danach "neu veröffentlichen, wenn sie einen Mehr­wert bieten". Mit diesem Schritt setze Telepolis "auf Transparenz und Glaubwürdigkeit durch inhaltliche Korrektheit, gewissenhafte Recherche, Fehlerkorrektur" als "Eckpfeiler einer verantwortungsvollen Berichterstattung". 

Heute schon stufe das Bewertungsportal NewsGuard, vom Telepolis-Partnerportal heise.de als  "dubiose US-Firma" bezeichnet, die "Medienwächter spielt", die Bemühungen um Glaubwürdigkeit und Transparenz "mit der vollen Punktzahl als "sehr glaubwürdig" ein". Mit der Überarbeitung ehemals irrtümlich, weil nach damaligen Maßstäben als glaubwürdig und publizierbar bewerteter Inhalte übernimmt Telepolis eine Vorreiterrolle: Andere, durchaus größere Verlage, schmücken sich bis heute mit zahllosen fragwürdigen Archivleichen, pauschalen hasserfüllten Zuschreibungen und längst überholten rassistichen Stereotypen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ihre Meinung von letzter Woche nachprüfen zu können ist der Alptraum der Mitläufer und Opportunisten.

Die Anmerkung hat gesagt…

Mitläufer und Opportunisten haben keine Alpen in ihren Träumen auf dem Gewissen lastend, und wenn doch, dann wegen der Meinung der anderen, nicht der eigenen. Die sind es gewohnt, ihre Meinung wie die Wetterfahne ihre Ausrichtung zu ändern.

Anonym hat gesagt…

Auf wgvdl.com Zitate zur Plandemie ab März 2020. Mein lieber Schawan.
Was ich aber seit Jahren immer wieder predige: Die Siegespalme betr. kollektiver Blödheit gebührt nicht uns, sondern alleweil den Amis. (Auch liegt ofenkundig der Talmud schwer daneben, wenn er den Seinen neunmal soviel Witz wie unsereinem zuschreibt - eher umgekehrt. )

Anonym hat gesagt…

>ZDF Info

Bissel rumgeklickt. Dröge Dokus die man auf x1,25 Tempo abspielen muss mit diesem scheißdämlichen Laienschauspiel jedesmal.

Catalhöyük: erste Großsiedlung der Menschheit (CC BY 4.0)
Bei Verwendung immer nennen:
ZDF/Terra X/Film Produktion Stein ... /Frauenhofer Intitut für Graphische Datenverarbeitung/...

Fraunhofer schreiben die dort durchgängig falsch.

Anonym hat gesagt…

Die Archive säubern, traun fürwahr.
Wer kennt noch Vauhaohork. So verfremdet, dürfte es vielleicht stehen bleiben.

Ärgerlich, Bolschewokiblödia hat eine ziemliche Weile bei 5,6 Melonen herumgehangen. Jetzt sieht es so aus, als ob sie doch noch auf ihre neun Melonen kommen werden. Die Doofen werden nicht alle.