Mittwoch, 18. Dezember 2024

Fußgängerampel: Immer noch das eigentliche Projekt

Ein Mann geht ihren Weg: Für Karl Lauterbach beginn das eigentliche Projekt immer noch und jeden Tag neu.

Es ist nicht nur ein Bild, ist ein Sinnbild. Karl Lauterbach, der Seuchenmann der Coronajahre, steht neben Annalena Baerbock und Robert Habeck, den Kanzlerkandidat*innen der Grünen Nummer 1 und 2. "Jetzt beginnt das eigentliche Projekt", hat der SPD-Mann unter das Selfie geschrieben, das er selbst geschossen hat. Damals, in besseren Zeiten, als Grüne und SPD auf den Wogen einer linken Welle surften und gemeinsam mit der FDP eine "Fortschrittskoalition" bildeten, die sich selbst viel zutraute und allen anderen noch mehr versprach.  

Ohne Rücksicht auf die Physik


Die drei Halbsieger der Bundestagswahl 2021 waren aufgebrochen, Deutschland zu transformieren. Sie wussten nicht wie, sie wussten nicht was, aber dass. Deutschland würde sich selbst mit einem "strengeren Klimaschutz" (Olaf Scholz) zur Rettung des Weltklimas erziehen. Das "wohl das größte industrielle Modernisierungsprojekt der vergangenen 100 Jahre" täte diesem oder jenem vielleicht etwas weh. 

Doch auf kleinliche Bedenken, Physik und Finanzmathematik, auf verfassungsrechtliche Probleme und eine Bevölkerung, die aufgrund der Wahlprogramme der beteiligten Parteien nicht im Geringsten ahnen konnte, was an Zumutungen für sie geplant war, konnte niemand Rücksicht nehmen, der beim Zug der Zeit im Führerstand sitzt.

Die schnell als "Ampel" verharmloste Abrisskoalition wollte auch gar keine Rücksicht nehmen. Im Glauben daran, dass die Existenz der Menschheit auf dem Spielt steht und über Wohl und Wehe künftiger Generationen in Berlin entschieden werde, gingen SPD, Grüne und die FDP gemeinsam daran, den großen "Übergang" (EU) zu organisieren. "Vertrauensvoll und konstruktiv" (Scholz) wurde "angepackt, was für Deutschland notwendig ist".

Koalition des Aufbruchs


Die "Koalition des Aufbruchs" strebte an, das Klima zu retten, die Rente durch den "Einstieg in die Kapitaldeckung zukunftssicher" zu machen, das Gesundheitswesen zu reformieren und die Pflege gleich mit. Dazu sollte er Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden,  oder besser auf noch früher. Parallel war ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien geplant. 

Der Mindestlohn würde auf zwölf Euro erhöht werden, ganz egal, was die unabhängige Mindestlohnkommission sagen würde. Trotzdem würde die Ampel an der Schuldenbremse festhalten. Trotzdem aber 400.000 Wohnungen im Jahr bauen. Zugleich auch noch sowohl die Verfahren zur Familienzusammenführung von Flüchtlingen als auch die offiziell "Rückführungen" genannten Abschiebungen beschleunigen und eine feministische Außenpolitik vertreten, die anderen Staaten ein Beispiel sein werde. 

Kleckern statt Klotzen


Das Geld aus Merkels Milliarden-Pandemiefonds war da. Man würde klotzen statt kleckern und alles zugleich in Lichtgeschwindigkeit erledigen. Die drei Fortschrittsparteien waren entschlossen, "deutlich mehr Geld für Bildung" auszugeben, weil sie ein "Jahrzehnt der Innovation" zu starten beabsichtigten. Was an Zeit und Kapazitäten daneben noch blieb, war verplant für eine rasch zu schaffende "höhere strategische Souveränität Europas" und die "Weiterentwicklung der EU zu einem föderalen europäischen Bundesstaat". Wenn schon, denn schon, dann aber gleich alles und sofort, unverzüglich.

Zumindest die Legalisierung von Cannabis, anfangs eher als eine Art obskures Ornament auf dem Ampelkuchen betrachtet, hat geklappt. Zwar gibt es auch ein halbes Jahr danach kein legales Gramm im Land zu kaufen, doch wer trotzdem eins hat, der darf es rauchen. Genau so hat die Ampel funktioniert: Aus dem, was nie da war, hat sie zielsicher gemacht, was sie nie wollte, indem sie am Ziel vorbeischoss und das, was getroffen wurde, als von Anfang an anvisierte Beute ausgab.

Selbstbewusst über den Tod hinaus


Selbstbewusst bis über den Todeszeitpunkt hinaus. Noch als die schräge Kombi aus ehemaligen Liberalen, ehemaligen Umweltschützern und Angehörigen einer ehemaligen Arbeiterpartei schon den Weg alles Fleisches gegangen war, hielt der Gesundheitsminister störrisch an der Behauptung fest, das "eigentliche Projekt" beginne "jetzt". Eine Drohung, die selbst für die Verhältnisse eines Politikers abstrus erscheint, der für die höchsten Sozialversicherungsbeiträge der Geschichte verantwortlich ist, aber im Moment des Zusammenbruchs beteuert, beim nächsten Mal werde alles anders.

Karl Lauterbach ist mit seinem irritierenden Selbstbewusstsein eines der Gesichter eines Regierungsbündnisses, das quasi schon in der Sekunde der Selbstaufgabe begonnen hat, Wahlkampf für die Feinde der Demokratie zu machen. Nicht eine Minute lang gab es ein nachdenken über Fehler, nicht einen einzigen Augenblick lang sollte der Eindruck aufkommen dürfen, es seien vielleicht nicht die widrigen Umstände, die üblen Zeiten und der Feind von rechts gewesen, die den Siegeszug ins angekündigte "sozialdemokratische Jahrzehnt" verhinderten. Alles war richtig, alles war gut, bis auf die FDP, die mit "Zockerei und Täuschungen" ständig "Sand ins Getriebe gestreut" (Lauterbach) habe.

Alles außer Selbstkritik


Sätze, die belegen, dass selbst die Betonköpfe im DDR-Politbüro verglichen mit dieser Truppe aus Illusionisten und Taschenspielern eine Versammlung war, die zu quälender Selbstkritik neigte. Messerscharf sehen sie den Balken im Auge des anderen. Demagogisch reklamieren sie "Keine Silbe der Selbstkritik, kein Wort zu der arglistigen Täuschung von ganz Deutschland". Und täuschen damit darüber hinweg, wohin das "eigentliche Projekt" geführt hat. 

Die "Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands", die FDP-Chef Christian Lindner vor drei Jahren mit dem Ampelbündnis heraufdämmern sah, sie ist Wirklichkeit geworden: Nie zuvor war der Zwiespalt zwischen der Selbstwahrnehmung der Parteiführungen und  dem Außenbild der Parteien so groß wie heute. Nie zuvor hat sich eine politische Klasse so konsequent jeder Einsicht in die Notwendigkeit eines grundlegenden Umsteuerns verweigert. Nie zuvor stand "eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners" (Lindner, 2021) als Perspektive so zuverlässig in Aussicht wie heute.

Die Sehnsucht nach Macht


Mit etwas Glück und der von der Sehnsucht nach Macht beflügelten Kompromissbereitschaft aller Opportunisten gelingt es dennoch, für weitere vier Jahre ein Bündnis zu schmieden, das die Reste des einstigen Wohlstandes beleiht, die Darlehen verteilt und sich selbst dabei nicht vergisst. Noch ist genug da, womöglich sogar so viel, dass auch 2029 noch einmal zum Weiterso geblasen werden kann. 

2033 allerdings ist dann schon wieder Bundestagswahl. Zufällig jährt sich 1933. 


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Fragen über Fragen. Lauterbach ist nicht im Knast? Was sagt es über das Urteilsvermögen der beiden Spitzenpolitiker, wenn sie ein Bild von sich mit dem Seuchenvogel posten? Wird Lauterbach nach der Wahl endlich verschwunden sein?

Anonym hat gesagt…

OT Messerrechte sind Menschenrechte

Fefe: Ist schon merkwürdig, wie gegen Ausländer das Gesetz [Messerverbot] immer locker sitzt, aber die Cum-Ex-Aufklärung wird aktiv behindert.

Genau. So lange Cum-Ex nicht abgeschlossen ist, darf es auch keine Messerverbote geben!
Und Messerverbote gelten leider immer auch für Inländer, aber die Idee von zielgruppenorientierteren Gesetzen ist wirklich gut.