Wohl nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik war es einfacher, eine Wahl zu gewinnen. Die regierenden Parteien sind moralisch verschlissen, zum Teil werden sie verabscheut, zum Teil offen gehasst. Der Bundeskanzler ist der unbeliebteste aller Zeiten, seine Minister und Parteivorstände haben sich vielmals lächerlich gemacht, vergaloppiert und gezeigt, dass sie überfordert sind.
Der Ideenvorrat, mit dem die Regierungsparteien in den Wahlkampf ziehen, beschränkt sich auf ein "ab jetzt wird alles gut", "bald kommt der Wumms" und "wenn ihr mich nicht wählt, wird Euch der Putin töten".
Beschwörungen und mehr Bürokratie
Es ist nichts dabei, das irgendjemanden überzeugen könnte. Eine Energiewende, die in drei Jahren nicht einen Millimeter näher an ihr Ziel einer CO₂-neutralen Versorgung gekommen ist, wird auch in weiteren vier Jahren nicht weiter vorankommen. In Wirtschaft, die seit vier Jahren nicht mehr wächst, wird sich durch Beschwörungen und noch mehr Bürokratie auch in den nächsten vier nicht dynamisieren lassen.
Der Rechtsrutsch, der an allem schuld ist, wurde mit Millionen bekämpft und dabei immer schlimmer. Milliarden aber, um den Kampf zu verstärken, sind nicht da und sie werden auch nicht mehr vom Himmel regnen.
Die beiden Männer, die Rot und Grün ins Rennen um das Kanzleramt schicken, glänzen denn auch mit Fake News und einem Selbstbewusstsein, das auf völliger Selbstverleugnung gründet. Der Kanzler ist sein eigener Oppositionsführer, bereit, allen alles zu versprechen und jeden Wunsch zu erfüllen.
Keiner war beteiligt
Wie Olaf Scholz war aber auch Robert Habeck bisher nie an keiner Regierung beteiligt. Würde er erst gewählt werden, bräche der Wohlstand aus, klimaneutral und gerecht. Bisher habe er nur nie gekonnt, wie er gewollt habe. Würden die Wählerinnen und Wähler ihn erst von der Leine lassen, komme das Wirtschaftswunder mit all dem grünen Wasserstoff, dem grünen Stahl und dem Windstrom, der keine Rechnung schreibe.
Nahezu alles, was die rot-grün-gelbe Koalition vor drei Jahren versprochen hatte, wurde gebrochen. Es gab keine Zeitenwende und kein Klimageld, keinen grünen Aufschwung und keine sicheren Arbeitsplätze, keine auskömmlichen Renten und keine stabilen Preise, keine 400.000 neugebauten Wohnungen, keine kriegstüchtige Bundeswehr, keinen steigenden und auch keinen nachhaltig gesicherten Wohlstand, keinen sinkenden Energiekosten und kein "Land, das einfach funktioniert" (Grüne).
Nie war es so leicht
Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik war es also so einfach, eine Wahl zu gewinnen. Doch der Mann, der als Gegenkandidat antritt, verschmäht das gefundene Fressen. Seit Jahren schon zeigen Umfragen, dass die Regierungsparteien nahezu alles Vertrauen verloren haben. Von fast 45 Prozent am Wahltag 2021 blieben 25. Angesichts der Bilanz beeindruckend, aber Beleg dafür, dass die Wähler gern etwas anderes hätten.
Die Umfragen aber zeigen auch: CDU und CSU sind es nicht. Ganze neun Prozent konnte die Union zulegen, während die Ampel 20 Prozent verlor. Und auf der Zielgerade zum Wahltag schickt sich Friedrich Merz an, das letzte bisschen Hoffnung auf einen Endspurt zunichtezumachen und den Wahlkarren mit Anlauf vor den Baum zu setzen.
Der Mann, der vor allem ins Kanzleramt will, um Angela Merkel Lügen zu strafen, die ihn vor Jahren aussortiert hatte, tut dafür, was er kann. Merz droht Rentnern, die hoffen, nach 45 Jahren Arbeit wie andere auch in den Ruhestand gehen zu dürfen, nur eben nicht mit 66, sondern mit 64, mit gekürzten Bezügen.
Merz will abschrecken
Er flirtet mit der Wehrpflicht, um Jüngere abzuschrecken. Will sich auf ein Nervenduell mit Moskau bis zum offenen Austausch von Raketenschlägen einlassen. Und zuletzt hat er auch noch erkennen lassen, dass ihm die Leistungsbilanz von Robert Habeck als Wirtschaftsminister nicht so fürchterlich zu sein scheint, als dass man den Grünen nicht noch vier Jahre als Minister in einem schwarz-grünen Kabinett beschäftigen könnte.
Für die ohnehin überschaubare Beliebtheit des CDU-Chefs bei den Bürgern sind das keine guten Nachrichten. Merz und seine Partei haben weder vom Ampel-Aus noch vom Desaster um den "D-Day"-Plan der FDP, weder vom SPD-Streit um den richtigen Kanzlerkandidaten noch von der absurd-komischen #Habeck4Kanzler-Kampagne der neuen Grünen-Führung oder dem Zwist um die Abspaltung der grünen Jugend profitieren können.
Klare Signale auf weiter so
Wie festgeklebt klemmen die Umfragewerte bei 30 bis 34 Prozent, ein Bereich, in den Merz schon mit seinen "Zahnfee"-Experimenten vor einem Jahr vorgestoßen war. Seitdem verwaltet der Christdemokrat seinen Vorsprung. Er hoppelt mal nach links, mal nach rechts, vor allem aber versucht er, es allen recht zu machen: Friedrich Merz hat noch in keinem Detail erkennen lassen, was für eine Art Politik er machen wird, wenn er erst im Kanzleramt sitzt. Aber fest steht, es könnte alles werden, was Merkel oder Scholz auch gemacht hätten.
Als der völlig verzweifelte FDP-Chef den Rechtsrutsch seiner Partei mit einem Bekenntnis zu "ein bisschen Musk und Milei" zu illustrieren versuchte, stimmte Merz nicht etwa zu, begeistert darüber, dass nun von Habeck bis Lindner alle nach der Kettensäge rufen. Nein, er äußerte Entsetzen: Milei ruiniere das Land und trete die Menschen "mit Füßen", beschrieb der gern als Wirtschaftskenner auftretende Merz, was in Argentinien vorgeht.
Abrissbrigade im Elfenbeinturm
Seitdem hat der 69-Jährige auch noch die verschreckt, die ungeachtet aller Vorzeichen die leise Hoffnung hegten, der früher als stramm rechts beschriebene Anwalt werde eine Politik machen, die sich an Realitäten orientiert. Friedrich Merz stand tatsächlich lange grundlos im Verdacht, bereit zu sein, eine Abrissbrigade in den Elfenbeinturm der wirklichkeitsfernen Visionen von wettbewerbsfähigen Produkten auf grüner Wasserstoffbasis, Grundlastversorgung durch Wind und Sonne und Deutschlands Energieausstieg als leuchtendem Vorbild für die ganze Welt zu schicken.
Ein Spiel über Bande?
Doch das wird er nicht tun. So wenig Friedrich Merz bisher erkennen lässt, was er vorhat, so fest steht schon, was er nicht zu tun beabsichtigt: Grundlegende Reformen wird es mit ihm nicht geben. Merz plant ein Weiter so wie die anderen auch, kein Umsteuern. Seine Wirtschaftspolitik hält wie die der Grünen und der SPD Wirtschaftstätigkeit überhaupt nur für möglich, wenn staatliche Förderung sie anschiebt.
Auch seine Vorstellung einer demokratischen Gesellschaft ist die der Pyramide, in der von oben heruntergereicht wird, was denk- und sagbar ist. Auch seine Regierung wird ihr Heil in neuen Schulden suchen und hoffen, dass die, die einer Tages dafür aufkommen müssen, weiterhin nicht bemerken, wie sie bestohlen werden. Wenn nicht Friedrich Merz ein besonders raffiniertes Spiel über Bande inszeniert. Dann wäre seine Empörung über die neue Liebe der Liberalen zur liberalen Marktwirtschaft und seine Einladung an die Grünen, mit ihm zu koalieren, ein Versuch, der FDP den Wiedereinzug in den Bundestag zu sichern.
Wäre es das und klappte es, würde Merz nicht zu Friedrich, dem großen Wahlverlierer. Sondern zu Friedrich dem Großen, der Person, als die er selbst sich sieht.
5 Kommentare:
Bis auf die paar Haare auf dem Kopf sehe ich keinen Unterschied zwischen Merz und Scholz.
Hadmut hat oftmalen eine sehr lange Leitung. "Journalistischer Ehrenkodex". Das war - vielleicht - einmal. "Früher, in längst verscholl'nen Zeiten ..." - Uffz. Alois Revecki.
Und was Stephan Kramer angeht, seine Physiognomie erklärt einiges, wenn nicht gar alles.
"Journalistischer Ehrenkodex"
Hadmut zitiert nur, freilich lässt er die Fiktion unkommentiert.
Integre Journalisten sind die Abweichung. Der Ehrenkodex ist in Wahrheit die Plicht des Journalisten, für die Teilhaber, Geldgeber und Interessengruppen jede Sauerei mitzumachen.
In der Anglophonie gibt es ein geflügeltes Wort, das teils auch ins Deutsche übersprang.
You don’t hate journalists enough. You think you do but you don’t
Werner Brösel: Is jetzt Wahl, wir könn' uns nich entscheiden ... - Stellt auch vor, ihr bekommt drei Haufen Scheiße serviert, welchen würdet ihr essen? - Kein' natürlich, igitt! - Also, alles klar Jungs?
Irgendwas hat er doch vergessen? - Ja, grüne Flitzkacke ...
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