Dienstag, 3. Dezember 2024

Doku Europa: Die fantastischen Ressortnamen der neuen EU

Das Kollegium setzt sich aus Kommissionsmitgliedern aus 27 EU-Ländern zusammen. Zusammen werden diese 27 Mitglieder des Kollegiums für eine Amtszeit von fünf Jahren zur politischen Führung der Kommission ernannt. 

Schon ihre Vorgänger hatten ihre Fantasie frei spielen lassen, als es darum ging, ihre neuen Ressorts mit prächtigen Namensschildern zu versehen. Frans Timmermans zum Beispiel, ein Schwergewicht auf der europäischen Bühne, taufte sein Fachgebiet "Ein europäischer Grüner Deal", Vizepräsidentenkollegin Margrethe Vestager wählte "Ein Europa für das digitale Zeitalter". Andere Kommissariate hießen "Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen", "Ein stärkeres Europa in der Welt" und "Werte und Transparenz" oder "Demokratie und Demografie". Hochfliegende Bezeichnungen für die wichtigsten Entscheidungsgremien, die Europa hat. 

Schall und Rauch


Sie brachten damals schon mächtig "neuen Schwung" (EU) in den alten Laden Europa. Nun aber sind die Namen nur noch Schall und Rauch. Zu den größten Privilegien der Kommissare, die 440 Millionen Europäerinnen und Europäer für je fünf Jahre regieren, gehört es seit je her, dass die neuen, in quälend langen Monaten von Hinterzimmerverhandlungen auserkorenen Funktionsinhaber ihre Betätigungsfelder selbst nach Gusto taufen dürfen. Sie tun das in der Regel mit großem Einfallsreichtum. 

Die Zeiten, in denen Kommissariate einfach nur "Binnenmarkt", Justiz" oder "Regionalpolitik" hießen, sind vorbei. Heute bekommen die Europäer für ihre 190 Milliarden Euro - stolze 77 mehr als noch 2006 - Namen und Bezeichnungen, die weltweit ihresgleichen suchen. Auch die neuen Leute am Ruder, eben erst im Amt, haben neue poetische, lyrische und märchenhafte Namen mitgebracht. Noch hat es die EU-Verwaltung nicht geschafft, sie ins Deutsche zu übersetzen - wie immer wurde als Referenz an die sechs Millionen verbliebenen englischen Muttersprachler das Englische als lingua franca bemüht. 

Was fehlt


Doch schon die erste grobe Übersetzung zeigt: Die neue Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen lässt es auch diesmal nicht an Fantasie fehlen. Zwar sind der "Grüne Deal", die "Wirtschaft im Dienst der Menschen" und das "digitale Zeitalter" genauso verschwunden wie das "stärkere Europa in der Welt" und die "Demografie".  Kritiker würden vielleicht sagen, es fehlen auch immer noch Nebensächlichkeiten wie Industrie, Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Klimawandel, Soziales, Entbürokratisierung und Inflation. 

Aber das täuscht. Die neue Exekutiv-Vizepräsidentin und "Hoher Vertreter" (EU) Teresa Ribera Rodríguez hat mit der Wahl des Namens "Sauberer, gerechter und wettbewerbsfähiger Übergang" zweifellos genauso neue Maßstäbe gesetzt wie ihre Kollegin Henna Virkkunen mit "Tech-Souveränität, Sicherheit und Demokratie" oder Vizepräsident Roxana Mînzatu mit "Soziale Rechte und Kompetenzen, hochwertige Arbeitsplätze und Vorsorge".

Weniger Wert auf Grünes


Die neue EU, sie legt demonstrativ weniger Wert auf Grünes, Digitales und die Bevölkerungsentwicklung. Mit Raffaele Fitto, der für "Kohäsion und Reformen" verantwortlich zeichnet, und Maroš Šefčovič, zuständig für "Interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz im Bereich Handel und wirtschaftliche Sicherheit" sind aber Verantwortliche für Aufgabengebiete benannt worden, die neue Maßstäbe setzen. 

Länger, wichtiger und bedeutsamer, so soll es klingen. Valdis Dombrovskis entschied sich deshalb für ein Ressort mit dem vielversprechenden Namen "Wirtschaftlichkeit und Produktivität, Umsetzung und Vereinfachung", Wopke Hoekstra nennt sein kaum weniger bedeutungsschwanger "Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum". 

Mit Jessika Roswall, die "Umwelt, Wasserresilienz und eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft" auf ihre Visitenkarte drucken lassen wird, und Piotr Serafin, der nicht nur den Haushalt, sondern naheliegenderweise auch "Betrugsbekämpfung und öffentliche Verwaltung" gewählt hat, steht EU-Europa auf einer felsenfesten Begriffsbasis.

"Gleichstellungsvorsorge und Krisenmanagement"


Was nicht klappt, werden Hadja Lahbib mit ihrem Ressort für "Gleichstellungsvorsorge und Krisenmanagement", Michael McGrath mit "Demokratie, Justiz, Rechtsstaatlichkeit und Verbraucherschutz" und Ekaterina Zaharieva mit "Startups, Forschung und Innovation" geraderücken. Begleitet von Apostolos Tzitzikostas, der nicht für Verkehr, sondern für "Nachhaltigen Verkehr und Tourismus" zuständig ist, während Glenn Micallef nicht nur  "Jugend, Kultur und Sport" managt, sondern auch "Generationengerechtigkeit".

Ein Versprechen, geerdet durch die wenigen Zuständigkeitsbereiche, deren Bezeichnungen "Gesundheit und Tierschutz", "Innere Angelegenheiten und Migration", "Energie und Wohnen" und "Landwirtschaft und Ernährung" wie die sachlich-traurigen Namen aus alter Zeit klingen. Dan Jørgensen etwa wird mit Energie und Wohnen gleich zwei unlösbare Aufgaben wuppen, Andrius Kubilius hat mit "Verteidigung und Raumfahrt" zwei Bereiche auf dem Tisch, für die die EU entweder nicht zuständig ist oder aber über keinerlei Zugang verfügt. 

Für alle Ozeane


Dubravka Šuica etwa ist Kommissarin mit der Aufgabe "Mittelmeer". Costas Kadis macht "Fischerei und Ozeane" - also nicht Mittelmeer, aber Fischerei dort, denn die macht Šuica nicht. Wieso Mehrzahl bei Ozeane, obwohl die EU doch nur den Atlantik hat? Dank der als "Überseegebiete" bezeichneten EU-Kolonien in aller Welt ist der Kadis, ein Mann von der Mittelmeerinsel Zypern, für die gesamte Welt zuständig, inklusive Indischem Ozean und Pazifik. Marta Kos mit dem Ressort "Erweiterung", Jozef Síkela mit dem davon scharf abgegrenzten "Internationale Partnerschaften" und Maria Luís von Albuquerque mit "Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion" ergänzen das Tableau.

Insgesamt sind die 26 Kommissare für sage und schreibe 66 Aufgabengebiete zuständig.  Zum Vergleich: Die noch 15 deutschen Bundesminister haben nur schmale 30 Zuständigkeiten.

7 Kommentare:

ppq-Leser hat gesagt…

Erinnert an die Operettentheater dekadent verkommener Reiche wie (alles spät) Byzanz, Persien, Ägypten usw. Wahrhaft erfrischend und befreiend dann der Bericht über Friedrich Wilhelm I, als dieser an die Macht kam, er sich die Liste des Hofbeamtentums geben lies, zum größten Teil alles durchstrich und der erbleichte Berichterstatter seinen Kollegen Minister & Co mitteilte: "Er schickt uns alle zum Teufel"

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich hätte da spontan so eine paar Ideen:

Zucht und Ordnung ...
Pech und Schwefel ...
Ex und Hopp ...
Mord und Totschlag ...
Zar und Zimmermann ...
Meister und Margarita ...
Sodom und Gomorra ...

Anonym hat gesagt…

"Wirtschaftlichkeit und Produktivität, Umsetzung und Vereinfachung"
Das klingt schon etwas nach Karl-Marx-Universität 1965. Alles Sachen, von denen Politiker nicht das geringste wissen und die Pfoten davon lassen sollten.

Anonym hat gesagt…

Die können einpacken ohne ein Kommissariat "of silly walks".

Die Anmerkung hat gesagt…

Es fehlt noch ein Kommissariat für schönen Gesang und launige Töne. Das könnte kommen, wenn CR demnächst eine neue Aufgabe sucht.

ppq hat gesagt…

wartet mal ab, das wird schon noch früher kommen als ihr denkt

Anonym hat gesagt…

>> Kapitaen 3. Dezember 2024 at 11:32

Wenn, wer auch immer, diesen Erdowahn nicht stoppt,
wird der wie weiland A. H. 1939 einen neuen Krieg gegen
den Westen anfangen. <<
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Sogar Pipi war schon einmal besser unterwegs. Das_sanfte_Lamm hat wohl auch, entnervt von soviel Blödheit, in' Sack gehauen.