Gute Miene zum bösen Spiel: Obwohl ihr Vater (hinten) angekündigt hat, weiterhin SPD wählen zu wollen, halten Svenja Prantl (M.) und ihre Brüder gemeinsam mit Mutter Elsbeth zusammen. |
Die Fronten sind verhärtet, Freunde zerstritten, Kollegenkreise meiden einander nach Feierabend. Der letzte Ort, der noch heilig ist, ist für viele Menschen die Familie. Die letzten Tage, an denen die Welt heil zu sein scheint, liegen rund um Weihnachten, wenn alle zusammenkommen, um friedlich miteinander zu feiern.
Doch friedlich? Nicht überall ist es friedlich. PPQ-Autorin Svenja Prantl stammt aus traditionell sozialdemokratischen Verhältnissen, in denen es immer schon Usus war, dem Kandidaten der SPD seine Stimme zu geben. Ihr Urgroßvater tat das, er veranlasste damals auch seine Frau dazu. Seitdem blieb es dabei. Prantls stimmen für Werte, für Arbeiterinteressen, für den Mindestlohn, Respekt und sichere Renten ab.
Verhärtete Fronten
Diesmal aber ging die Fahrt nach Hause, in die kleine Stadt im Osten, die 78-Jährige hart an. Prantl wusste, ihr Vater, ein Arbeiter, der sich nach den Umbrüchen der Wendejahre, nach Arbeitslosigkeit und Enttäuschung durch nimmermüden Fleiß und Einsatz weit über die normalen Arbeitszeiten hinaus wieder einen festen Platz in der Gesellschaft erobert hatte, würde trotz aller Verwerfungen der letzten Monaten festhalten an der alten Familientradition, dass kein Prantl auf dem Wahlzettel etwas anderes ankreuzt als die frühere Arbeiterpartei.
"Das ist bei uns daheim Gesetz", sagt die Influencerin, die sich deshalb große Sorgen macht. Immer wieder habe sie die Frage mit ihrem Vater diskutiert, "weil ich glaube, dass in solchen entscheidenden Zeiten wie jetzt jeder von uns die Pflicht hat, seiner Verantwortung gerecht zu werden". Dazu gehöre aus ihrer Sicht auch eine informierte und die Interessen der gesamten Gesellschaft berücksichtigenden Wahlentscheidung. "Man kann nicht nur SPD wählen, weil man das immer gemacht hat", sagt Prantl, "aber Vati will das einfach nicht begreifen."
Wie immer SPD
Der 62-Jährige halte an der Vorstellung fest, die SPD sei die Partei, die eines Tages Gerechtigkeit herstellen, Frieden schaffen und Deutschland wieder zu einem sicheren Land machen werde, in dem die umfassende Verbunkerung von Weihnachtsmärkten wieder reibungslos klappe. Auf die Frage, was er im Februar bei der Bundestagswahl wählen wolle, habe er schon vor ihrem Besuch am Telefon selbstbewusst: "Na, wie immer – die SPD", geantwortet.
Svenja Prantl ist angesichts von so wenig Einsichtsfähigkeit entsetzt. "Die SPD hat 19 der letzten 25 Jahre regiert und oder mitregiert", sagt sie, "aber Vati ist der Mienung, wenn sie endlich mal an die Macht kämen, seine Sozialdemokraten, würde sich schnell alles zu Besseren wenden."dass nicht alles gut ist im Lande, das sehe der gelernte Kaderleiter, der später als Klempner und schließlich im städtischen Prüfungsamt für Straßenkennzeichnungen (SPASK) gearbeitet hat, durchaus ein. "Aber seiner Meinung nach liegt das daran, dass auch die SPD nicht Zaubern kann."
Offenes Ohr für Widerspruch
Bildchen wie dieses kommen über Whatsapp. |
Seinen Irttum habe sich ihr Vater später nie eingestanden, auch heute sehe er für die schlechte Stimmung im Land, für wirtschaftliche Unsicherheit, Ängsten vor sozialem Abstieg und Misstrauen gegenüber Andersdenkenden die CDU und die AfD verantwortlich. "Vor allem Markus Söder, Björn Höcke und Elon Musk häklt er für die politische Eliten, die die Menschen aufeinanderhetzt." Für jemanden wie ihren Vater, der selbst nie besonders links gewesen sei, habe das gefühl der Selbstbestimmung große Bedeutung. "Er möchte nicht, dass ihm jemand sagt, ewas er denken soll, glaubt aber, dass die Eliten ihm genau das vorschreiben möchten."
Familie war nie politisch
Früher sei Politik sei in der ganzen Familie kein großes Thema gewesen. "Wir haben das nicht diskutiert, denn für alle war klar: Bei der nächsten Wahl wieder SPD." Konflikte kamen mit der Enttäuschung mehrerer Familienmitglieder darüber, dass auch die SPD ihre Wahlversprechen brach. "Damals die Mehrwertsteuererhöhung, zuletzt das Klimageld, das uns allen vorenthalten wurde." Wie ihre Brüder fiel auch Svenja Prantl vom Glauben ab. Von ihrer Mutter vermutet sie es. "Sprechen können wir darüber zu Hause natürlich nicht offen." Ihr Vater halte dennoch am Gewohnten fest. "er ist unbelehrbar, weil er sich in schon immer in einer Vergangenheit am wohlsten gefühlt hat, die es nie gab."
Willy Brandt, Helmut Schmidt, Herbert Wehner, das seien bis heute die Namen, mit denen ihr Vater die deustche Sozialdemokratie assoziiere. "Dass an deren Stelle längst Figuren wie Rolf Mützenich, Saskia Esken, Olaf Scholz und Saskia Esken agieren, scheint gar nicht bei ihm anzukommen." Die Erinnerung an Zeiten, in denen er sich mit der SPD auf der sicheren Seite fühlte - für den Kapitalismus, aber mit sozialistischem Antlitz - gebe ihm Halt. "Dabei ist er ein durchaus interessierter Mensch, der viel liest, sich Dokumentationen anschaut und von Reisen und anderen Kulturen träumt."
Mitverantwortung verweigert
Sobald es um seine Mitverantwortung für das künftige Leben seiner Kinder und Enkel gehe, zeige er sich ejdoch zugleich uninformiert und vollkommen sorglos. "Oft spricht er von seinem Wunsch, dass wir alle ein sorgloses Leben führen können sollen", sagt Svenja Prantl, "aber wenn man ihn dann darauf hinweist, dass das mit der derzeitigen Wirtschaftspolitik kaum möglich sein wird, blockt er sofort ab."
Vielleicht stecke dahinter der Wunsch, den eigenen Problemen zu entkommen, denn als Behördenmitarbeiter genieße ihr Vater heute längts nicht mehr die Anerkennung, die er früher gewohtn gewesen sein. "Ein Amt wie seines war früher eine tragende Säule der Gesellschaft, heute sagen seine Freunde im Sportverein ihm ganz offen, dass seine Aufgabe doch nur Arbeitsbeschaffung durch Überbürokratisierung sei."
Gnatzig und schmallippig
Auf solche Vorhaltungen reagiere ihr Vater gnatzig und schmallippig. "Doch er argumentiert nicht dagegen, betont nie, wie wichtig eine Behörde ist, die Straßenkennzeichnungen verantwortungsbewusst prüft." Stattdessen flüchte sich ihr Vater in Fernsehformate wie "Monitor" und "Magazin Royale", aus denen er Bestätigung ziehe, weil sie ihn in seienr Überzeugung bestärkten, dass es trotz der verheerenden Regierungsbilanz auch der letzten drei Jahre richtig sei, eine Partei wie die SPD wählen.
Vieles an seiner Wahl fühle sich für sie und ihre Brüder grundfalsch an. "Wenn wir ihm sagen, dass die Aufhebung der Schildenbremse letztlich dazu führen wird, dass seiene Enkel dafür bezahlen, dass er noch ein paar schöne Jahre genießt, wiegelt er ab." Nichts scheine im Weltbild ihres Vaters so richtig zusammenzupassen. "Wir Kinder würden es so gerne verstehen, doch er argumentiert eben nicht mit der wirtschaftlichen und sozialen Situation, nicht mit seiner und nicht mit der gesamtgesellschaftlichen, sondern ausschließlich mit seinen alten Werten."
Fotos von Wahlplakaten
Svenja Prantl bekommt den Mann, den sie Zeit ihrer Jugend für seine Souveränität und die entscheidene Verteidigung seiner Überzeugungen bewundert hat, nicht mehr mit dem Realitätsverweigerer in Übereinsteimmung gebracht, der daheim sitzt und ihr immer wieder Videos von Auftrittend es scheidenden Budneskanzlers oder Fotos von Plakaten schickt, auf denen "Bedrohungen in Schach halten - SPD wählen" steht. Irgendetwas sei in meinem Vater zerbrochen, "mir und meinen Brüdern kommt es vor, als weigere er sich schlicht, die Realität wahrzunehmen". Nach den Ereignissen von Magdeburg habe ihr Vati sei sofort wissen lassen, dass das mit einer SPD-Regierung in Magdeburg sicher nciht hätte geschehen können. "Mein Hinweis an ihn, dass die Bundesinnenministerin von der SPD ist, blieb natürlich unerwidert."
Diese Sprachlosigkeit ist es, die Svenja Prantl am meisten bekümmert. In vielen der endlos langen Nachrichten ihres Vater sei davon die Rede, dass mehr Respekt und ein höherer Mindestlohn wichtig seien und zudem die Kontrolle und Überwachung der sozialen Netzwerke in die Hände des Staate gelegt werden müsse. "Da er dann auch noch eine Zeitung liest, die in Teilen der SPD gehört, verstärkt sich diese Radikalisierung immer weiter."
Schwammige Argumente
Dabei seien die wenigen Argumente ihres Vaters schwammig, "immer mehr gefühlt als tragfähig", seine Belege für sinkende Energiepreise, höhere Löhne und auskömmliuche Respektrenten wirkten wirr zusammengewürfelt aus Parteitagsreden und haltlosen Behauptungen, wie sie in typischen "Monitor"-Sendungen an den Haaren herbeigezogen würden." Jeder kenne die Methode, der sich noch daran erinnere, wie dort die aggressive Politik Russland gegenüber der Ukraine und das in Teilen verfassungswidrige Pandemieregiment der großen Koalition verteidigt worden sei. "Aber Vati will es nicht wissen."
Weihnachten ist nun wieder die Zeit, in der es heißt, das Geschwurbel zu erdulden oder zu versuchen, dagegen anzugehen, Argumente anzubringen und mit Fakten zu überzeugen. "Die schlechte wirtschaftliche Lage und Russlands Krieg gegen die Ukraine schüren bei ihm große Verunsicherung", glaubt Svenja Prantl. Ihre Versuche, ihn aufzuklären und damit zu beruhigen, scheiterten daran, dass ihr sehr alten Werten verhafteter Vater sie als noch eher junge Frau nicht ernst nehme. "Ihm etwas zu erklären, dafür sei ich mit meinen 27 Jahren ja noch viel zu jung", sage er dann und verweise darauf, dass er sc hon den Kalten Krieg, die Wende und den Wiederaufbauf Deutschlands unter SPD-Kanzler Schröder mitgemacht habe.
Ein hartes Brot
Für sie als Tochter sei das schwer erträglich. "Er lebt bis heute in einer Zeit, hat die Welt noch ganz anders funktionierte", sagt sie und beschreibt, wie es in ihr brodele, weil sie Trauer und Frust spüre bei Blick auf einen erwachsenen Mann, der die Augen verschließe, um ungestört von der Wirklichkeit an seinen Illusionen festhalten zu können. "Ich bin jung, meine Brüder sind noch jünger, wir alle können unsere Überzeugungen noch häufiger wechseln, wenn wir spüren, dass Veränderung nötig ist." Doch ihr Vater komme in ein Alter, in dem er für sich entscheiden müsse, ob er Fakten wahrnehmen oder allein auf der Basis von Emotionen und Traditionen handeln wolle.
Es sei hart, das auszusprechen, doch ihre Hoffnungen seien nicht allzu groß. "Trotz all unserer Bemühungen, trotz unserer Geduld und Liebe bleibt unser Vati bisher bei seiner Entscheidung, auch im Februar wieder SPD wählen." Für ihn sei das eine Art von Treue zu dem, was er als "seine Partei" betrachtet, auch wenn er in vielen Punkten unzufrieden ist. Für sie als Tochter sei die Enttäuschung groß, dass es ihr nicht gelinge, "jemanden, den man liebt, durch Vernunft und Argumente zu erreichen" und ihn aus seiner politischen Puppenstube herauszuholen. "Es tut weh, zu akzeptieren, dass jemand, den man liebt, Entscheidungen trifft, die man nicht versteht", sagt Svenja Prantl, "und ich verfluchte diese Ohnmacht, nichts ändern zu können".
2 Kommentare:
"Die SPD hat 19 der letzten 25 Jahre regiert und oder mitregiert", sagt sie, "aber Vati ist der Mienung, wenn sie endlich mal an die Macht kämen, seine Sozialdemokraten, würde sich schnell alles zu Besseren wenden.
Voll beklatscht zwar - aber wenigstens die Hälfte der mündigen Bürger ist, mehr oder weniger, so unterwegs.
Das Svenja Fleisch isst überrascht mich doch. Oder ist die Weihnachtgans vegan?
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