Mario Voigt ist der seit zehn Jahren der erste Ministerpräsident in Thüringen, gegen den nicht zeitweise der Verdacht undemokratischer Umtriebe bestand. Zeichnung: Kümram, Wasserfarben auf Glas |
Nach Thomas Kemmerich, der auf Vorschlag der damaligen Bundeskanzlerin rückgängig gemacht werden musste, und Bodo Ramelow, der vier Jahre ohne Mehrheit regierte, ist Voigt nicht nur seit zehn Jahren der erste Ostdeutsche, der es ins höchste Amt im Freistaat geschafft hat. Sondern auch der erste Demokrat, an dessen Gesinnung nicht zumindest zeitweise ernste Zweifel bestanden.
Der erste Erste seit 1988
Als erster Erste seit 1988 ist der neue Ministerpräsident außerdem ein Pionier. Seine schwarz-rot-brombeerviolette informelle Viererkoalition nimmt im kleinen Thüringen bundespolitische Perspektiven vorweg. Weder allein mit der SPD noch mit SPD und Grünen und oder FDP reichte es zur Regierungsbildung, weil die Liberalen und die Ökosozialisten den Einzug in den Landtag verpassten.
Von der ehemals so stolzen Arbeiterpartei SPD blieben nur Ruinen, traurige Trümmer einer Formation aus lauter Funktionären. Folglich musste Voigt nehmen, was noch da war: Die Wagenknechte und dazu die augenzwinkernde Unterstützung von der Linkspartei, mit der CDU-Grundsatzbeschlüsse immer noch jede formelle Kooperation ausschließen. Tricks aber sind nie verboten, wenn es um die Macht geht. Was der SPD beim Magdeburger Modell recht war, ist der CDU beim Erfurter Weg lieb.
Neue politische Räume
Geht alles gut, öffnet der Marsch auf dem Erfurter Weg neue politische Räume, unerforschte Weiten, in denen alles möglich ist. Statt nach der Bundestagswahl im Februar festgelegt zu sein auf eine Koalition mit Grünen oder SPD oder - sollte ein Partner nicht reichen - mit beiden, könnte ein Unionskanzler Friedrich Merz ein Bündnis stricken, das noch mehr noch fundamentalere Gegensätze vereint als zuletzt die Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP.
Union plus SPD und Wagenknecht, die sogenannte Bundesbrombeere. Union mit Grünen und Wagenknecht, die grün-schwarze Spätbrombeere. Union und Grüne, stillschweigend geduldet von der Linkspartei, in der politischen Fahnenlehre die Afghanistan-Koalition genannt. Oder Union und SPD, auch nur informell verbündet mit der umbenannten SED, das sogenannte Zwei plus Marx-Modell.
Zwei plus Marx
Noch nie war die politische Farbenleere in Deutschland so groß, der Regenbogen der Mischpalette so bunt. Läuft alles aus dem Ruder und die Wählerinnen und Wähler wollen der CDU nicht auf den Erfurter Weg folgen, könnte die in demokratischen Umfragen derzeit zweitplatzierte SPD übernehmen. Die 17 Prozent, die dem mehr und mehr ab Beliebtheit gewinnenden Bundeskanzler im Moment von Demoskopen zugesprochen werden, reichen, um zusammen mit Sahra Wagenknechten auf 35 Prozent zu kommen - zwei Prozent mehr als die Union zusammenbekommt.
Um regieren zu können, würde das dank der Brandmauer reichen, denn da eine oppositionelle Union nicht mit der AfD stimmen könnte, der im Augenblick ein Wahlergebnis von 18 bis 20 Prozent der Stimmen zugetraut wird, wäre schon ein marginales Drittel der Abgeordneten im Bundestag eine Mehrheit.
Pflücke für ein neues Fundament
Das regiert gut, wenn sich alle einig sind. Das kann auch sicher regieren, wenn keine FDP sich querstellt. Mario Voigt hat in den ersten Stunden im Amt Pflöcke eingeschlagen, die der Landespolitik im grünen Herzen ein neues Fundament geben. Erstmals sollen Staatssekretäre nach fachlicher Eignung ausgesucht werden. Erstmals sitzt ein Vertreter des früheren Ministeriums für Staatssicherheit mit am Kabinettstisch, erstmals werden damit auch die zu DDR-Zeiten zum Grundwehrdienst gezwungenen wehrunwürdigen Ostdeutschen teilrehabilitiert.
Mario Voigt hat keine eigene Mehrheit, aber die hat auch kein anderer. Als Sherpa einer künftigen Koalition im Bund hat der Christdemokrat die Stärke der AfD klug genutzt, um alle Demokraten hinter sich zu versammeln, einschließlich der Linkspartei, die mit einer speziellen Vereinbarung eingebunden wurde. Über Bande regiert die frühere SED in Thüringen weiter mit, um sie zur Mehrheitsbeschaffung bewegen zu können, wird Voigt ihr immer wieder etwas geben müssen.
3 Kommentare:
Das Porträt hat Kümram gut getroffen. Meine eigenen Versuche mit Wasserfarben auf Glas sind leider alle ungünstig verlaufen.
Warum hat der Meister ihn aussehen lassen, als würde jeden Moment sein Hals explodieren?
Sieht eher aus, als hätte sein Großväterchen beim fälligen Ariernachweis - aus naheliegenden Gründen - Schmu gemacht ...
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