Donnerstag, 5. Dezember 2024

Bonjour, crise: Die französische Krankheit

Frankreich droht, Europa in die nächste Finanzkrise zu stürzen. 

Höhere Schulden als Griechenland, mehr Premierminister verschlissen als Hamburg Trainer und nun auch noch das Ende der Brandmauer im Parlament, einem Bauwerk, das zu behüten und zu bewachen sich die Demokraten Europas noch vor kurzer Zeit gegenseitig geschworen hatten. 

Dunkle Wolken am EU-Himmel


Aber Not kennt kein Gebot. Und nach dem Rücktritt von Ministerpräsidentin Élisabeth Borne und ihrem Nachfolger Gabriel Attal konnte es auch der altinternationale Routinier Michel Barnier nicht richten. Nach der Frau und dem mit 34 Jahren jüngsten und ersten offen homosexuellen französischen Premierminister scheiterte auch der mit allen europäischen Wassern gewaschene frühere EU-Kommissar für Regionalpolitik, Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, französische Außenminister, französischer Landwirtschaftsminister und Beauftragte der EU-Kommission für die Verhandlungen zum EU-Austritt des Vereinigten Königreichs. Abgewählt von einer Koalition aus linken Sektierern und rechten EU-Gegnern.

Ein Zeichen aus der Zukunft und ein Hinweis darauf, dass Frankreich an einer Krankheit leidet, die vielleicht doch nicht "Macron hat sich verzockt" heißt. Diese Diagnose war von Experten abgegeben worden, als der französische Präsident sich im Unterschied zu den deutschen Regierungsparteien nach der klaren Niederlage seiner Partei bei der Europawahl entschlossen hatte, das Volk neu über die Zusammensetzung des Parlaments entscheiden zu lassen. 

Trick gegen den Rechtsruck


Die kleine Hoffnung, die Franzosen könnten dem Mann, der seine Macron-Partei mittlerweile öfter unbenannt hat als die deutsche Linke ihre SED, noch einmal zu einer brauchbaren Mehrheit verhelfen, zerstob. En Marche (EM), später La République en Marche (LREM) und nun als Renaissance (RE) angetreten, erreichte kaum halb so viele Stimmen wie das rechte Rassemblement national. 

Der Eindruck eines Rechtsrucks im traditionell eher linken Frankreich konnte medial nur vermieden werden, indem die Stimmen für das grün-sozialistisch-kommunistische linke Parteienbündnis Nouveau Front populaire (NFP) zusammengezählt wurden. Ein Trick, der die Rechte auf den zweiten Platz verwies. Obwohl das linke Parteienbündnis zerstrittener war als die deutsche Linkspartei, als die Wagenknechte noch Mitglied waren.

Zeitspiel im Sommer


Viel half das nicht. Zwar gelang es Macron, Frankreich durch eine Politik der ruhigen Hand wenigstens noch über die Zeit der Olympischen Spiele in Paris zu führen. Doch die schließlich gebildete Regierung unter Barnier hielt nicht einmal drei Monate durch: Schon der erste Versuch von Marine Le Pen, die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu stürzen, glückte, weil das sozialistische Linksbündnis auf der anderen Seite des Hufeisens alle Warnungen aus Deutschland ignorierte und dem Kabinett von Premier Barnier gemeinsam mit den "Rechtsextremen" (T-Online) die rote Karte zeigte.

Deutschland unregiert, Belgien ohne Regierung, Italien in der Hand einer Postfaschistin, die Niederlande nach rechts gerutscht, Ungarn ohnehin verloren und nun auch noch ein unregierbares Frankreich, nur weil die Schuldenlast des französischen Staates so schwer drückt, dass es eine Halbierung bräuchte, um wenigstens wieder in die Nähe des Maastricht-Zieles zu kommen, auf das sich die EU-Partnerstaaten vor 32 Jahren gegenseitig eingeschworen hatten.

Frankreich ohne Schuldenbremse


Frankreich profitiert dabei immer noch von einer klugen und zukunftsfesten Entscheidung. Als Deutschland mit den Stimmen von SPD, CDU, CSU und FDP  eine strikte Begrenzung der Kreditaufnahme des Staates einführte, unterließ Frankreich das, obwohl es der ehemalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy gewesen war, der gemeinsam mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel für die EU-weite Einführung von Defizitgrenzen über die Maastricht-Vorgaben hinaus geworben hatte.

Deutschland leidet heute nach Überzeugung nahezu aller demokratischen Parteien unter den verheerenden Folgen der Schuldenbremse. Frankreich aber leidet unter den noch verheerenderen Folgen der fehlenden Schuldenbremse. Das Land mit seinen 68 Millionen Einwohnern hat heute 3,2 Billionen Euro Staatsschulden, fast ein Drittel mehr als Deutschland mit seinen 84 Millionen Bürgern. 

Milliarden Schulden für Zinsen


Pro Kopf der Bevölkerung liegt Frankreichs Verschuldung damit mehr als 60 Prozent höher als die Deutschlands. Die zweitgrößte Industrienation der Eurozone hat insgesamt zehnmal so hohe Verbindlichkeiten wie Griechenland zu Zeiten der großen Euro-Krise, dabei hat Frankreich nur sieben Mal so viele Einwohner. Allein um die fälligen Zinsen und neue Kredite zu finanzieren zu zahlen, wird der französische Staat im kommenden Jahr 300 Milliarden Euro neuer Schulden aufnehmen müssen. 40 bis 80 Milliarden davon gehen jetzt schon als Zinszahlung an die Geldgeber.  Ein Szenario, mit dem der frühere FDP-Finanzminister stets unverantwortlich Ängste geschürt hatte.

Je unsicherer die Aussichten werden, dass die zerstrittene politische Klasse aus extrem Linken, extremer Mitte und extrem Rechten sich auf irgendeine Art Lösung einigen kann, umso mehr steigen die Zinsen. Und umso teurer werden die Schulden: Bei drei Prozent werden knapp 100 Millionen Zinsen im Jahr fällt. Bei vier Prozent sind es schon knapp 130 Millionen.  Bei fünf wären es 160 Millionen. 

Sparen will niemand


Sparen aber will auch in Frankreich niemand, denn keine der politischen Strömungen mag es sich mit dem Volk verderben, von dem Rechts, Links und Mitte hoffen, dass es dem eigenen Angebot bei den unausweichlichen nächsten Wahlen eine Mehrheit gibt, die zum Durchregieren reicht. Bis dahin wird Politik gemacht, wie derzeit im Bundestag: Obstruieren, was die anderen wollen. Klagen, dass die anderen obstruieren, was man selbst gern hätte.  

Deutsche Medien verzichten denn vorsichtshalber auch auf jede Beschreibung der Hintergründe und Umstände, die Frankreichs Malaise verursacht haben. Glaubt man den großen Leitmedien,  will Marine Le Pen einfach alles kaputtmachen. Bestimmt mischt auch Putin mit, denn wo nichts mit nichts zu tun hat, ist doch klar, dass ein unregierbares Frankreich "Gift für die EU" (Tagesschau) ist. Alles wird geschildert wie eine Seifenoper, in der Darsteller miteinander zanken, die sich einfach nicht ausstehen können. 

Die Ausweglosigkeit, das alles bestimmende Schuldenproblem zu lösen, spielt in den wenigsten Analysen eine Rolle. 

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Franzos ist von Natur aus geschmeidiger als unsere Besten in Medien und Politik. Vielleicht ist das UK bloß ein Ausreißer und abschreckendes Beispiel gegen den Trend. Nur Tusk scheint eine feinere Nase gehabt zu haben als der Franzose.

Anonym hat gesagt…

Da hilft nur eine noch höhere Unterstützung der Ukraine und die Entsendung von Kampftruppen. Wenn erst
richtig Krieg ist, fragt keiner mehr nach Schulden, Inflation und ähnlichem Kram.

Anonym hat gesagt…

Der Franzos ist von Natur aus geschmeidiger als ...
Nicht so sehr der Franzos' als vielmehr ... - nur wollen etliche das nicht wahrnehmen. Frühkindliche Prägung. Dazu jahrtausendealte Kenntnisse in praktischer Psychologie, in theoretischer aber auch.

Anonym hat gesagt…


Michael Krüger
Reply to Josef Kowatsch
4. Dezember 2024 17:28

Die haben sich schon immer Lügenmärchen ausgedacht. Angefangen vom Strahlungstot durch Atomkraft,
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Auch du, Michael (= Wer ist wie Hauaha), auch du. Der Tot, der arge Schnitter. Von "Lügenmärchen" wollen wir gar nicht anfangen ...

Anonym hat gesagt…

Papperlapapp!!

Wenn man den Euro, den Mitterand Kohl für dessen Wiederwah.. ähm... die deutsche Einheit abgetrotzt hatte, als neuen "Neuen Franc" betrachtet, ist die Lösung sonnenklar: ein "Neuer Euro" muss her. Und *zack* sind die angeblich so hohen Schulden der konservativen Regierung (OT Fiffi) halbiert.

Anonym hat gesagt…

PS: Schuld am "Neuen Euro" wäre natürlich Deutschland. Nachdem dieser gescheiterte subversive Stratege endlich davongejagt ist, kann die Fußgängerampel das auch endlich in Angriff nehmen.

So brennen zwar in Frankreich trotzdem die Barrikaden, die werden aber aus deutschen Autos gemacht.

Anonym hat gesagt…

PPS: Vive la france!