Dienstag, 17. Dezember 2024

Anstand auf Abstand: Boshaft im Bundestag

Die Noch-Vorsitzende der SPD will den Parteichefs gratulieren. Die aber drehen sich demonstrativ weg. Man habe später "gemeinsam darüber lachen können", hat Olaf Scholz inzwischen klargemacht.

Es war der Abschiedstag von Deutschlands unglücklichster Regierungskoalition, ein Moment des Aufatmens, in dem der "Lastabwurf", den eine frühere Grünen-Politikerin schon in ihrer aktiven Zeit empfohlen hatte, endlich greifbare Politik wurde. Es ist vorbei, der Alptraum ist vorüber. Es muss nun nicht besser werden, aber dass es schlechter wird, wäre auch gut, weil die nächste Regierung frühestens in drei Monaten ins Amt scheitern könnte.

Stillos und frauenfeindlich


Wie klein deren Chancen sind, die derzeitige Regierungsmannschaft in Sachen Stillosigkeit, beim fehlenden Anstand und beim elastischen Verhältnis zur Wahrheit zu unterbieten, zeigten selbst noch die letzten Szenen aus dem Hohen Haus in Berlin. So trat etwa Saskia Esken, zumindest bis zur erneuten Wahlniederlage im Februar Vorsitzende der ältesten deutschen Partei, nach geschlagener Schlacht an Rolf Mützenich und seinen Kanzler Olaf Scholz heran. 

Die angesichts des Gesamtpersonaltableaus in Kreisen der Partei als Hoffnungsträgerin gehandelte 63-Jährige wollte vielleicht gratulieren zu den konsequent alle Realitäten ignorierenden Reden der beiden ums Überleben kämpfenden Herren. Dass Scholz seinen Kontrahenten Friedrich Merz als "Fritze Merz" herabgewürdigt hatte, ein Mann, der "Tünkram" rede, kann der Chefin der deutschen Sozialdemokratie nur gefallen haben. Vielleicht wollte sie auch darauf hinweisen, dass der Kaffee fertig ist.

Sie kam aber weder zu einem noch zum anderen. Scholz und Mützenich, die sich gerade selbst gratulierten, hatten Saskia Esken kaum aus dem Augenwinkel wahrgenommen, als sich auch schon ohne ein Wort beschlossen, die antrabende Genossin so ignorieren. Kalte Schulter, eilig weggedrehtes Gesicht. Esken, die Scholz vor Jahren als Kanzler hatte verhindern wollen, wurde stehengelassen wie eine Mülltonne ohne Abholmarke. Entgeistert hob sie die Hände. Geschockt zuckten die Schultern.

Schwierigkeiten mit der Wahrheit


Selbst die Frau, die austeilen kann wie kaum eine zweite, kommt bei der neuen deutschen Härte im Bundestag offenbar nicht mehr mit. Hier im alten Reichstag, in dem in der Vergangenheit immer wieder Anstand und Moral beschworen wurden, galt die Wahrheit noch vor wenigen Wochen als Zentrum aller demokratischen Anstrengungen. Fake News, hybride Russenrealität, gefälschte Bots und Sockenpuppen - sie fanden sich als Betrug am Wähler angeprangert. 

Wer falsch Zeugnis redete vor seinen Abgeordnetenkollegen, dem ging es an den Kragen. Zuletzt erst hatte die SPD die politischen Konkurrenten eingeladen, neuen, selbstgemachten Regeln für einen schonenden Wahlkampf zuzustimmen, in dem Falschbehauptungen verboten wären.

Und dann steht da Rolf Mützenich, Scholz Richerlieu. Und behauptet dreist, dass die Menschen bei ihm daheim im rheinischen Chorweiler gar nicht wüssten, wo man Froschschenkel kaufen kann. Der Satz zielt auf CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz, der vorher behauptet hatte, Scholz' geplante Umsatzsteuersenkung für Lebensmittel betreffe nicht nur Butter und Brot, sondern auch Trüffel und Froschschenkel. 

Steuersenkung für Alkohol


Das ist richtig, sie betrifft darüberhinaus sogar Alkohol. Aber das passt Mützenich nicht. Wie ein jeder gute Sozialdemokrat spricht er also lieber über etwas aus seiner eigenen Vorstellungswelt. Und in der sind die Menschen da draußen eben tatsächlich nicht in der Lage, herauszubekommen, wo sie Froschschenkel kaufen könnten, wenn sie welche bräuchten.

Alte sozialdemokratische Schule, die Anmaßung, als Funktionär für alle sorgen zu müssen, weil niemand es allein kann. Die frühere Grünen-Chefin  Katrin Göring-Eckardt hat in Jahrzehnten im Bundestag versucht, sich das von den Kollegen abzuschauen, doch ganz klappt es noch nicht. Unglücklich formulierte die anstudierte Theologin noch während der laufenden Debatte Lob für Robert Habeck, den Mann, der immer schon 30 bis 40 Gaskraftwerke bauen wollte, um Kohle- und Kernkraftwerke abschalten zu können, auf dem Bundestagspodium aber trotzig behauptete, alle anderen hätten viel zu lange auf Gas gesetzt.

Darum geht es "in den nächsten Wochen"


"Wir brauchen einen klaren Blick nach vorn, nicht ein Zurück in die Vergangenheit", probte die Thüringerin ein steifes Ablenkungsmanöver: "Robert Habeck macht klar, worum es ihm und uns in den kommenden Wochen geht: Es geht um die Menschen in Deutschland und die Zukunft für unser Land." Klar, in den "kommenden Wochen" (Göring-Eckhardt) geht es allen darum. 

Danach ist die Wahl vorbei und erfahrungsgemäß endet dann wie von Zauberhand auch die Sorge um Froschschenkel-Quellen und Hummerpreise. Die bewegten am Rande der Debatte in Berlin den Junggrünen Timo Dzenius, einen aus der nächsten Generation der Funktionärskinder, der große Chancen hat, ab Februar zum ersten Mal seit dem Bachelorabschluss vor fünf Jahren einer regelrechten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dzienus jedenfalls, der seinen Wahlkampf offenbar mit Neid, Missgunst und Vorurteilen betreiben will, schimpfte Richtung "Herr Porsche-Fahrer Lindner", dass dessen Ablehnung einer Steuersenkung für Lebensmittel unsozial sei. 

Der Glaube an den Hummer


"Manche können sich halt keine Hummer & Kaviar leisten, sondern müssen Monat für Monat schauen, wie sie über die Runden kommen." Dzienus ist allerdings bei den Preisen nicht auf dem Laufenden: Hummer ist derzeit deutlich günstiger zu haben als McDonalds Cheeseburger.

Olaf Scholz wiederum hat nicht nur seinem Auftritt im Bundestag, sondern auch Dzenius' Fake News und Göring-Eckardts irrtümliches Bekenntnis zu den "nächsten Wochen" noch getoppt. Nachdem das Video (oben) von seiner und Mützenichs Mobbing-Aktion gegen Saskia Esken weite Verbreitung gefunden hatte, ließ er bestellen, "Saskia und er hätten "zum Glück beide drüber lachen…" Die ganz offensichtlich beabsichtigte und gezielte Bloßstellung der Parteivorsitzenden sei nur ein Versehen gewesen, Unachtsamkeit, ihm selbst "peinlich", wie Scholz gestand, um den Schaden zu reparieren, den die Kameras angerichtet hatten, an die weder er noch Mützenich gedacht hatten.

Als Beleg für den wiederhergestellten Parteifrieden lieferte Scholz ein Foto, auf dem die so böse brüskierte Parteichefin mit schmalen Lippen vom Kakao trinkt, durch den sie gezogen wird.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zur Verteidigung von Olaf: Ich habe auch nicht auf Anhieb erkannt, wer das sein soll.

Anonym hat gesagt…

OT Geheimdienstkompetenz

Fefe: Stellt sich raus: Die Story [Bidens Burisma-Geld] kam von einem FBI-Informanten namens Alexander Smirnov.
Der hat sich gerade schuldig bekannt, sich den ganzen Scheiß aus dem Arsch gezogen zu haben.


Also glauben wir ab jetzt FBI-Informanten. Can't make this shit up, wie Fefe vielleicht sagen würde.