Nachruf auf den Fortschritt: Der Kraftstoß, den die Fortschrittskoalition personifizieren wollte, endet in einem Politbüro-Streit. Abb: Kümram, Bleistift schraffiert auf Büropapier |
Es ist das erste Mal, dass ein amerikanischer Präsident, der noch nicht einmal im Amt ist, eine deutsche Regierung sprengt. Es ist auch das erste Mal, dass ein Sozialdemokrat, der von einer russlandfreundlichen Fraktion getragen wird, einem Liberalen, in dessen Partei die Falken überwiegen, Feigheit vor der Feind im Kreml vorwirft. Eine Premiere auch die Innenministerin, die ihre Entscheidungen gegen Recht und Gesetz jetzt als Justizministerin selbst überprüfen und als durchaus verfassungskonform bestätigen kann.
Showdown der Schaumschläger
Neu ist zudem, dass der Showdown der Schaumschläger nicht nur das Kabinett zerrissen hat, sondern auch eine Partei gespalten. Volker Wissing, als Verkehrsminister bei seinen fortschrittlichen Kolleginnen und Kollegen noch unbeliebter als Finanzminister Christian Lindner, kündigte seiner Partei Solidarität und Mitgliedschaft, um das Licht der letzten Tage der Regierung Scholz noch aus dem Führerbunker im politischen Berlin anschauen zu dürfen.
Diese letzten Tage, sie werden nach dem Willen des dritten vor der Zeit im Amt gescheiterten Sozialdemokraten noch Wochen und Monate währen. Olaf Scholz ist viel vorzuwerfen, nicht aber die vorzeitige Einsicht, dass es vorüber ist. Mit dem Rauswurf seines Finanzministers, begründet allerlei Vertrauensbrüchen, die Scholz eigener Aussage nach über Monate und Jahre still geduldet hatte, ist aus Sicht des Niedersachsen kein Ende, sondern Beginn einer Zeit des Übergangs, die bis ins reguläre Wahljahr währen soll.
Vorhaben aus kleinem Karo
All die großen Vorhaben, gestrickt aus kleinem Karo, die die Fortschrittsmannschaft in den vergangenen Monaten mit eigener Mehrheit im Bundestag nicht voranbringen konnte, sie sollen jetzt ohne die Mehrheit binnen von vier bis fünf Wochen beschlossen werden. Demnach erst, irgendwann im März, Neuwahlen.
Ein Zeitplan, der an den erinnert, den Egon Krenz, der letzte SED-Chef mit DDR-Staatsamt, sich vor 35 Jahren aus Hirngespinsten und Illusionen zusammengestrickt hatte: Bis 1995 eine Art Zwei-Staaten-Lösung mit der Bundesrepublik. Anschließend dann eine Konföderation auf Augenhöhe.
Wie Krenz spielt Scholz auf Zeit, anders als Krenz aber scheint er es selbst nicht einmal zu wissen. Seine vor allem vom Selbstlob zusammengehaltene Koalition verabschiedet sich aus der Geschichte im selben peinlichen Stil, in dem sie zu regieren geruhte.
Es fehlt an Würde, an Ernsthaftigkeit und an Einsicht. Alle Hoffnungen, das hat in Berlin Tradition, gelten einem Wunder, das noch geschehen könnte, einer Armee Wenck, die als Kavallerie erscheint, um Scholz und seine Getreuen aus der Bredouille zu hauen, die von der "uns umzingelnden Wirklichkeit" (Habeck) verursacht und verschuldet wurde.
Kein Mangel an Plänen
Wie hatten sie die ganze Welt schön regieren wollen, als es vor drei Jahren losging! Kein Mangel herrschte an hochfliegende Plänen, der Traumzauberbaum der Ideologien hing voll mit bunten Früchten, die nur noch zu pflücken waren. Angela Merkel hatte einen Schatz aus Gratis-Schulden hinterlassen, der alles finanziert würde, was an Gedankenflitzen von Vordenkern wie Patrick Graichen hereingereicht wurde.
Christian Lindner hat ein Jahr gebraucht, um sich darüber klarzuwerden, dass allein die schwarze Klimakasse aus Merkel-Zeiten der Klebstoff war, der die auseinanderstrebenden Ideologien zusammenband. Ohne Moos nichts los, und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes war die Kohle für all die Ausstiege und Umbauten alle. 60 Milliarden, die sich in Nichts auflösten, das ist mehr Geld, als zwei Jahre an Bürgergeld von der hart arbeitenden Mitte an die weniger Wohlhabenden durchgereicht wird.
Aufstand in der Auslaufrille
Das Regieren gegen eine Realität, die die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen, die im politischen Berlin aber nur insoweit eine Rolle spielt, als sie die Umsetzung von Fünf- und Zehnjahr-Plänen ärgerlicherweise behindert, hat bei allen drei Ampelparteien Opfer gefordert. Alle sind unentwegt umgekippt, die Grundwerte wurde an Erfordernisse des Machterhalts angepasst und wie in jedem Fußballverein im Abstiegskampf wurde auch das subalterne Personal rücksichtslos gewechselt. Der Erfolg kehrte nicht zurück. Die Ampel, unfähig, ihre Weltveränderungspläne an eine veränderte Welt anzupassen, spielte ihr Stadion leer.
Das Ende, es hätte auch für Olaf Scholz eine Erleichterung sein müssen. Statt aber einen sauberen Schnitt zu machen, entschied sich die SPD-Spitze, den Abgang der Ampel als Dolchstoßlegende zu inszenieren. Wie ein bockiges Kind schimpfte Scholz auf Lindner, der schimpfte zurück, Habeck gab dem Gezeter in seiner Rolle als Grabredner den Segen. Selbst im Moment des Scheidens tat keinem Zuschauer der Abschied weh, den Olaf Scholz über drei Monate Politkoma als Wahlkampfvorbereitung zu retten hofft.
Wird Laschet lachen?
Warum er diesen Plan für probat hält, wieso er glaubt, ohne Mehrheit im Bundestag Beschlüsse fassen lassen zu können, die er mit Mehrheit nicht einzubringen wagte, darüber schweigt der scheidende Kanzler. Es mag die dünne Hoffnung auf eine Art von Wunder, die es immer wieder gibt. Laschet lacht. Oder der irrationale Glaube daran, selbst immer noch das Beste zu sein, was Deutschland bekommen kann. Oder es ist Wahlkampfkalkül, das nur Scholz und der Kreis um ihn versteht, dem angesichts der Personallage in der ältesten deutschen Partei gar nichts anderes mehr übrigbleibt als sich mit Haut und Haar an den dritten vor der Zeit gescheiterten Kanzler zu binden.
3 Kommentare:
Meines Wissen sind bisher alle sozialdemokratischen Kanzler (Brandt, Schmidt, Schröder) vorzeitig aus dem Füherbunker luxiert worden...
Auf dem aus Knieperspektive gemalten Kunstwerk kann man sehen, dass der Lindner nur widerstrebend auf die Zukunft blickt, die Olaf ihm zeigt. Der Rest guckt schon gleich ganz woanders hin.
Wie die Spießerlein jetzt alle frohlocken: Der Erlösus ist in den Staaten erschienen, und die böse Ampel hat fertig. Und als Krönung ersehnt man, dass die Zee-dee-huh, ausgerechnet die, doch endlich der "AfD" die Hand reichen möge.
Nebenbei - den Einwohnern von Upahl und von Petersdorf wünsche ich pro Haushalt mindestens sechs Asülacken aufgedrückt, dabei mindestens ein Dunkelelbe, ein forder-asiatischer Ziegenfreund, und ein Aff-Ghane. Ukrainer nicht vergessen.
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