Dienstag, 26. November 2024

Robert Habeck: Der größte Kampf des Küchenjungen

Robert Habeck kommt aus einer Welt der weitläufigen Küchen und großen Küchentische. Wie selbstverständlich hält er das für die Realität aller Bürger.
Robert Habeck kommt aus einer Welt der weitläufigen Küchen und großen Küchentische. Wie selbstverständlich hält er das für die Realität aller Bürger.

Wie er da saß, "am Küchentisch bei Freunden", war er unwiderstehlich. Robert Habeck, schwarzer Kulturarbeiterpulli, Bändchen am Arm und in seiner nach außen gewandten Innerlichkeit trotz der cloneygrauen Haare 20 Jahre jünger wirkend, machte Deutschland ein Angebot. Ihn noch mal, nun aber für volle vier Jahre und als Bundeskanzler. 

Ihn als den Mann, der den "Zumutungen der dieser Zeit" mit festem Blick ins Auge schaut und "an guten Lösungen für das Heute" arbeitet, "die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit, statt zu zaudern oder uns nur an die Vergangenheit zu klammern, wie manche das tun". Bei Caren Miosga hielt er zuletzt Hof. Nachdenklich. Unbeirrt. Unbelästigt von Fragen nach seiner Tätigkeit als Anzeigenobermeister.

Verkäufer des Jahres

Robert Habeck, schon 2022 als "Verkäufer des Jahres" ausgezeichnet, ist ganz bei sich, wenn er sich in die Wohnzimmer der Menschen da draußen setzt. Schon bei seiner Premiere sprach er Sätze wie aus Paradiso-Granit geschlagen. Ein Blick wie ein Pudel. 

Bis heute weiß niemand, ob die guten Lösungen rein von der Größe her passen werden, wenn sie genau die Größe der Herausforderungen haben. Aber das sind Details, die später geklärt werden können, Probleme, die es im Vorwärtsschreiten zu lösen gilt. Was jetzt zählt, ist das Angebot, ein "Angebot der Zuversicht" (Habeck), an dem Robert Habeck länger gefeilt hat, als Lenin in seiner finnischen Laubhütte am großen Werk "Staat und Revolution" schrieb. 

Habecks Vision einer Gesellschaft inmitten einer "Welt ist im Wandel", die nicht nur "Lösungen", sondern auch "politische Antworten" braucht, "die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit", ist eine der Heimeligkeit und der "Zuversicht, die wir zurecht haben können", wie Habeck mit Blick auf die Wirtschaftsdaten sagt. Viel schlechter können die nicht werden.

Wirklichkeit voller Zumuntungen


Warum und weswegen, wieso und weshalb, das ist jetzt nicht der Punkt. In einer "Wirklichkeit voller Zumutungen" nimmt der grüne Kanzlerkandidat die Bürgerinnen und Bürger mit in seine Welt, an den "Küchentisch bei Freunden", im Hintergrund die alte, sorgsam aufgearbeitet Anrichte, am Kühlschrank augenzwinkernd der Aufkleber der Klimakleberbewegung "Letzte Generation" und am Handgelenk ein schmales Bändchen, das zeigt, auch dieser Mann hat Gefühle.

Und er hat eine Prägung, die er nicht leugnen kann. Ganz selbstverständlich ist Robert Habeck bei seinem Diskussionsangebot davon ausgegangen, dass ringsum in Deutschland alle so leben wie er und seine Freunde. Die großzügige WG-Küche, seit der Verbeamtung in Alleinnutzung. Das Holzparkett, nach dem Einzug eigenhändig abgeschliffen, damals war es mit dem Geld noch nicht so dicke. Die Heizung hochgedreht, dass der Gast aus der Bundesregierung die Pulloverärmel tatendurstig hochschieben konnte, wie er es so gern tut. Der große Echtholztisch. Die licht geputzten Wände.

In seiner westdeutschen Haut


Robert Habeck kann nicht aus seiner westdeutschen Haut. Es ist keine Arroganz, die ihn davon ausgehen ließ, dass seinen Lebensentwurf mit Küchentisch und Beinfreiheit auf 130 Quadratmetern im klimagerecht sanierten Altbau auch die weniger wohlhabenden Schichten teilen. Dass da draußen Menschen leben, denen das Schicksal ein Los zugeteilt hat, das sie daran hindert, auf so großem Fuß zu leben, kommt in Habecks "Wirklichkeit ist voller Zumutungen" nicht vor. 

Der Klimawirtschaftsminister stellt sich sein Leben für alle vor: Die Küche von der weiträumigen Art. Und die "Zumutungen dieser Zeit kommen nicht von mir oder den Grünen", weil die weder mit der Co2-Steuer noch mit dem nicht gezahlten Klimageld noch mit der großen Transformation der Wohnungslandschaft und dem Rückbau der Industrie irgendetwas zu tun hatten.

Vielerorts ist für Habeck kein Platz


Die, die keinen großen Küchentisch haben, müssen draußen bleiben, wenn der Kanzlerkandidat darum bittet, ihn doch einfach mal zu sich nach Hause einzuladen. Vielerorts ist dafür kein Platz, obwohl etliche den Chef von Team Habeck sicher gern fragen würden, warum auf der Krönungsmesse zu seinen Ehren keine Rede vom guten alten Klimageld war, das die Armen letztens noch von Transformationskosten entlasten sollte.

Andere haben sich selbst disqualifiziert wie der #Schwachkopf-Poster, der Robert Habeck erst zwang, ihn anzuzeigen. Und die ihm nach der erfolgten Hausdurchsuchung von rechten und populistischen Medien gebotene Bühne prompt nutzte, um den grünen Kanzlerkandidaten provokativ zu sich einzuladen. Beinahe scheint der Kanzlerkandidat der Grünen sogar irritiert davon, dass ihn tatsächlich Einladungen an Küchentische erreichen, zumal von Menschen, die sich als andersdenkend definieren.

Langfristige Wahlkampfstrategie


Auf dieses Eis wird Robert Habeck sich sicherlich nicht begeben. Die langfristig ausgearbeitete Wahlkampfstrategie sieht zwar vor, dass der Minister sich in den sozialen Netzwerken als ehrliche Haut präsentiert, unverstellt, tatkräftig, ein Schwiegersohn, den jeder Häuslebauer gern als Hilfe beim Dämmen der Fassade, beim Verlegen der Fußbodenheizung und beim Ausfüllen der Vielfalt an Förderantragsformularen hätte. 

Sie enthält natürlich auch Spurenelemente der Taktiken, die Donald Trump zurück ins Weiße Haus geführt haben - so etwa, wenn die neue Parteivorsitzende Franziska Brandner den zuletzt von Viktor Orbán genutzten spaltenden MAGA-Slogan zu "Make Green Great Again" verballhornt. 

Doch in Ermangelung eines mächtigen Unterstützers wie Elon Musk müssen sich die Grünen bei der Verbreitung der frohen Botschaft auf eine Armee aus Freiwilligen, Sockenpuppen und Bots verlassen. Dieses "Team Habeck" sendet allerdings in einen weitgehend leeren Raum, in dem sich die Aktivisten überwiegend gegenseitig versichern, dass mit dem 55-Jährigen das grüne Zeitalter anbreche. Etwa so, wie vor vier Jahren bekanntlich eine ganze sozialdemokratische Ära anbrach.

Echo ist bescheiden


Das Echo außerhalb der Kammer ist bescheiden, der Widerspruch groß, Habeck selbst aber  sieht noch keinen Anlass, keinen Anlass, sich in die Debatte einzuschalten oder gar einzelne Einladungen an Küchentische zu beantworten, wo die "Politik gemacht wird", zu der sich überhaupt nur äußern darf, wer Kinder großgezogen hat. 

Der Standpunkt derer aus, die keinen Küchentisch haben, und derer, die freiwillig oder gegen ihren Wunsch kinderlos geblieben sind, spielt in der Inszenierung keine Rolle. Die Ehrlichkeit des einzig authentischen Kandidaten endet, wo die Bionadeviertel in die Vorstädte übergehen, am Küchentisch nur eine Person stehen kann und im Hausflur kein Platz für ein Lastenrad ist. Der Aufruf, nicht zu "zaudern oder uns nur an die Vergangenheit zu klammern, wie manche das tun", klingt hier wie ein Witz. Allerdings wie einer, über den niemand lachen sollte, der nicht im Morgengrauen unerwünschten Besuch bekommen will.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckt: Die grünen Errungenschaften, die man überall sieht, wenn man die Regierungsviertel verlässt; Miosgas Frisur, die den Geldmangel es öffentlich-rechtlichen Rundfunks tragisch sichtbar macht oder Miosgas Fähigkeit, beim Aufleuchten des roten Lichts an der Kamera völlig unspontan loszustelzen wie in einem schlechten gedrehten Werbespot.
Mein Dank an die unbesungenen Helden , die sowas angucken können und es überleben, um darüber zu berichten.