Mit "Bringschuld" meinte Merkel aber nicht die 42 Euro für ihr Buch. |
Nachdem Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre große Autobiografie "Freiheit" öffentlich vorgestellt hatte, gab es mehr Fragen als Antworten. Warum verschweigt die frühere CDU-Politikerin so vielen? Erinnert sie sich nicht oder wird manches pikante Detail erst im zweiten Teil aufgeblättert? Warum kommt manch treuer Wegbegleiter so schlecht weg? Andere aber gar nicht? Und wenn Angela Merkel das Buch wirklich "zusammen mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann geschrieben" (Frankfurter Rundschau) hat, warum steht dann nur Angela Merkel auf dem Titel?
Lebensbeichte der Langzeitkanzlerin
Der Inhalt der Lebensbeichte der Langzeitkanzlerin, er war schnell erzählt, so schnell, dass keiner der Berichterstatter glaubhaft behaupten könnte, er habe die 736 Seiten wirklich gelesen. Blättern, gucken, Register scannen. Alles okay so. Kaum Fehler, höchstens Fehlerchen. Das meiste war richtig, richtig falsch war nichts. Danach war klar: "Keine Innovationen auf über 700 Seiten".
Ein Buch im Grunde wie die Kanzlerschaft der stets als Ostdeutsche gelesenen Hamburgerin. Einmal noch war es ihr gelungen, viele alte Freunde um sich zu versammeln, die "Zeit" war dabei und spendierte "drei kostenlose Seiten Werbung" (Übermedien). Anne Will durfte nicht fehlen, erstmals war sie sogar mit "beinharten Fragen" (NZZ) im Gepäck angereist.
Hektische Krisendiplomatie
Im Gegensatz zu manch anderem Ereignis schaffte es die Merkel-Show selbstverständlich in sämtliche Nachrichtensendungen des Gemeinsinnfunks. Die Reportage von der ersten Buchvorstellung wurde sogar mit spannenden Bildern unterlegt, die jeder, der den Euro mitgerettet hat, von früher kennt: Merkel in blütenweißer Unschuldsjacke unterwegs in der Berliner Nacht wie zu einer Zusammenkunft zum Zwecke hektischer Krisendiplomatie, um ganze Industriebranchen oder Kontinenten noch einmal von der Schippe des Sensenmannes zu zerren.
Doch selbst die aufsehenerregenden Zitate aus den "gemütlichen Lesungen" (SZ) reichten nicht. Nur 35.000 Mal habe sich der dickleibige Band am ersten Verkaufstag absetzen lassen, berichtet der "Spiegel". Damit seien die Memoiren der Altkanzlerin - satte 150 Seiten dicker als Helmut Kohls "Erinnerungen", aber fast 400 Seiten dünner als Winston Churchills mit dem Literaturnobelpreis geehrtes Werk "Der Zweite Weltkrieg" - "trotz massiver Medienpräsenz" (Spiegel) "kein herausragender Verkaufs-Erfolg" (Alexander Kissler).
Immerhin: Obwohl die Inflation besiegt ist und "die Preise sinken" (Robert Habeck), seien "durch den hohen Verkaufspreis die Umsätze dennoch hoch". Auf den Restrampen finden sich jetzt schon mit Autogrammen veredelte Exemplare zu echten Fantasiepreisen.
Trotzdem Platz 1
Platz 1 in allen Ranglisten belegt es. Zumindest bei Amazon ließ Merkels Erstling sowohl "Gregs Tagebuch 19 - So ein Schlamassel!" als auch "LOL – Die ultimative Nicht-lachen-Challenge" klar hinter sich. Das Misstrauen aber, das Merkel von der westdeutschen Mehrheitsgesellschaft und den von Westdeutschen dominierten Medien immer schon entgegenschlug, es schleicht ihr eben trotzdem bis in den Ruhestand nach, wie die Frage danach zeigt, ob die Ex-Kanzlerin jetzt zur "Neu-Millionärin" (Bild) werde.
Ob! Die Frau hat 16 Jahre lang rund 33.000 Euro im Monat verdient, alles in allem fast 6,5 Millionen Euro. Sie hatte wegen der Rettungssitzungen und der beständig notwendigen Befriedung der Partei durch gegensätzliche Beschlüsse wenig bis gar keine Zeit, Geld auszugeben.
Zudem pflegte Angela Merkel ohnehin einen bescheidenen Lebensstil: Das bekannte Ferienhaus in der abgelegenen Uckermark, noch zu DDR-Zeiten angeschafft und gelegen in einer Gegend, in der die Lebenshaltungskosten bei der Hälfte der Münchner liegen. Dazu eine Auswahl an Kostümjacken im gleichen Schnitt und regelmäßiger Friseur, ein bisschen Wagner in Bayreuth und der Rest war immer Dienst.
Untergraben des Restvertrauens
Wer da fragt, ob diese Frau jetzt "Millionär wird", der will das Restvertrauen der Deutschen darin untergraben, dass früher alles besser war. Dass wenigstens ehemalige Kanzler wussten, was sie taten, und mit Geld umgehen konnten. Wer das tut, öffentlich, der hat Merkel nie getraut, die stärkste Wirtschaftsnation Europas und die - ehemals - stärkste Exportnation der Welt zu führen. Und er versucht nun, ihr Andenken zu zerstören, indem er ihr unterstellt, sie habe in den Tagen seit dem Ausscheiden aus dem Amt Millionen durchgebracht.
Doch Angela Merkel braucht nicht diesen "Weltseller" (Focus), um Millionärin zu werden. Allein das Gehalt, das sie bis zur Klimax ihrer Macht im Jahr 2015 als Kanzlerin verdient hatte, hätte sich als Anlage in einen beliebigen Dax-Fonds bis heute auf rund sieben Millionen Euro vermehrt. Mit der "Bringschuld" der Deutschen, von der Angela Merkel in einem Interview gesprochen haben soll, war also sicherlich nicht die Verpflichtung gemeint, das Freiheits-Buch der Ex-Kanzlerin zu kaufen, um der so lange so treu dienenden CDU-Politiker einen angemessenen Lebensabend zu sichern.
Ja, ihr Buch wird in drei, vier Wochen als Ladenhüter enden wie all die anderen traurigen Lebensratgeber und Mutmacherscharten. Aber Angela Merkel wird dann schon wieder im größten Büro sitzen, das der Bundestag jemals einem Ex-Kanzler zugebilligt hat.
Und an der Fortwirkung der Aufgaben ihres frühen Amtes arbeiten.
4 Kommentare:
Der beste Kommentar beginnt unter Federführung von "sos mit dpa" so:
"Wolfgang Thierse attestiert kritisiert die Altkanzlerin für ihren Kommentar zum Ampel."
"Wolfgang Thierse attestiert kritisiert die Altkanzlerin für ihren Kommentar zum Ampel."
Das ist Premium Ai Content. Die Ai, die die andere Ai korrekturliest, ist aber grad zur Wartung bei ihrer Wartungs-Ai.
Zu Merkel noch was sagen? Zur Hölle mit ihr. Der Fotograf ihres komischen Halb-Profilportraits auf dem Cover, wo sie guckt wie der Opa in der Werbung, der sich grad ein Schlafspray reingepfiffen hat, hatte nicht mal die Minute übrig um die rechteckigen Reflexionen in ihren Pupillen nachzuarbeiten.
Na, hätte da "zum roten oder [was Gott verhindern mochte] zum grünen Ampelmann" gestanden, hätten T. und/oder sein Rezensent u.U. morgendlichen Hausbesuch bekommen müssen.
Und welcher verantwortungsbewusste Mitmensch mag schon die Dienstpläne unserer geplagten Strafverfolgungsbehörden derart durcheinanderwirbeln.
"zum ampel" ist aber richtig, grammatikalisch, glaube ich. der meint doch zum teufel. falsch ist "kritisiert", da stand bestimmt ursprünglich "wünscht"
Kommentar veröffentlichen